Die Lebensmittelampel für Softdrinks funktioniert!
Welche Formen der Prävention sind erfolgversprechend? Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der Technischen Universität München (TUM) sind in Zusammenarbeit mit dem Cochrane-Netzwerk dieser Frage nachgegangen. Sie haben untersucht, für welche Maßnahmen es verlässliche wissenschaftliche Belege gibt, dass sie den bevölkerungsweiten Softdrinkkonsum reduzieren. Dabei haben sie sich auf die Verhältnisprävention konzentriert: Maßnahmen, die an den Umgebungsfaktoren und den Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen ansetzen.
Die Autoren sichteten mehr als 10.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen, und identifizierten so 58 Studien, die den vorab definierten Qualitätskriterien entsprachen. Diese 58 Studien wurden in 14 verschiedenen Ländern durchgeführt und hatten zusammen genommen mehr als 1 Million Kinder, Jugendliche und Erwachsene als Teilnehmer.
Die Lebensmittelampel funktioniert - die freiwillige Selbstverpflichtung der Softdrink-Hersteller nicht!
Das Cochrane-Review ergab, dass es zu einer Reihe von Ansätzen wissenschaftliche Belege gibt, dass sie den Süßgetränkekonsum reduzieren (siehe Kasten). Die Qualität der Evidenz reichte dabei von sehr gering bis mittelmäßig und gut.
Mit diesen Maßnahmen kann der Softdrinkkonsum reduziert werden:
Einfach verständliche Lebensmittelkennzeichnungen, etwa mithilfe einer Farbcodierung nach dem Ampelprinzip
Preiserhöhungen auf Softdrinks in Restaurants, Läden und Freizeiteinrichtungen
Verringerung des Angebots von Softdrinks in Schulen
Kindermenüs in Restaurantketten, die standardmäßig statt eines Softdrinks ein gesünderes Getränk enthalten
Die bessere Platzierung und Vermarktung von gesünderen Getränken in Supermärkten
Lokale Gesundheitskampagnen mit einem Fokus auf Softdrinks
Die Bereitstellung von alternativen Getränken im Haushalt
Einige der Maßnahmen mögen naheliegend erscheinen, doch fehlte bislang eine umfassende Übersicht dazu, welche Maßnahmen nachweislich wirksam sind, resümierten die Forscher.
Die höchste Evidenz erreichten laut Review dabei die Haushaltsinterventionen, das heißt, bei Menschen mit erhöhten Körpergewicht, die viel Süßgetränke konsumierten, führte die bessere Verfügbarkeit von kalorienarmen Getränken Zuhause bereits zu einer Gewichtsabnahme.
Eine moderate Evidenz erreichten sowohl die farbliche Ampelkennzeichnung - sie ging mit weniger Süßgetränkeverkäufen einher - als auch Preiserhöhungen bei zuckerhaltigen Getränken in Restaurants, Läden und Freizeiteinrichtungen - sie senkten ebenfalls deren Verkaufszahlen.
Am wenigsten geeignet: eine Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie
Am wenigsten geeignet halten die Autoren jedoch eine Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie, weniger Zucker in Softdrinks und Lebensmitteln zu verwenden, wie Bundesernährungsministerin Julia Klöckner sie anstrebt. Viele öffentliche Gesundheitsbehörden und Verbände, darunter die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sowie Ärzteverbände wie die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), fordern schon lange, dass wirksame Präventionsmaßnahmen zur Zuckerreduktion verstärkt umgesetzt werden sollten.
Durch das Cochrane-Review sehe man sich nun bestätigt, dass eine freiwillige Selbstverpflichtung der Hersteller nicht ausreiche, aber stattdessen eine Kennzeichnung in Ampelfarben den Konsum ungesunder Produkte deutlich senken könne: „Wir brauchen deshalb endlich ein mehrfarbiges Kennzeichnungssystem in Deutschland“, fordert Barbara Bitzer, Sprecherin der DANK und plädiert für die schnelle Einführung des sogenannten Nutri-Scores, für den sich bereits mehrere europäische Länder ausgesprochen haben.
Kennzeichnungen, die keine verschiedenen Farben nutzen, sondern nur eine Abstufung angeben – so wie das vom Max-Rubner-Institut im Auftrag des Ernährungsministeriums entwickelte Stern-Label - sind laut Bitzer dagegen ungeeignet: „Diese Kennzeichnung sehen wir kritisch, weil sie mit nur einer Farbe arbeitet und zudem nicht intuitiv verständlich ist. Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn die deutsche Politik nicht das wirksamste System wählt – und das ist eine Kennzeichnung in Ampelfarben.“
Kennzeichnungs-Modelle im Vergleich
Die Deutsche Diabetes-Hilfe spricht sich ebenfalls für den NutriScore aus. Das Modell der Lebensmittelindustrie sei dagegen völlig ungeeignet: Es verwende bewusst keine Ampelfarben, um dem Verbraucher keine Kaufempfehlung geben zu müssen. Dies diene jedoch nicht dem Verbraucher, sondern nur den Produzenten mit Produkten, die schlecht abschneiden würden. Der „Wegweiser Ernährung“, das Modell des Max-Rubner-Instituts (MRI) sei ebenfalls nicht empfehlenswert. Farbig hervorgehoben sind hier besonders niedrige Gehalte an ungünstigen Inhaltsstoffen. „Uns erscheint das MRI-Modell zu verkopft – man wird einfach nicht schlau daraus“, so die Deutsche Diabetes-Hilfe.
Von Philipsborn P et al.: Environmental interventions to reduce the consumption of sugar-sweetened beverages and their effects on health. Cochran eDatabase of Systematic Reviews 2019,4. http://www.doi.org/10.1002/14651858