Der Medicus: Geschichten aus der Welt der Bader und Quacksalber
Sie haben Fieber, da hab‘ ich was für Sie“, mag der Arzt um 1500 zu seinem maladen Patienten gesagt haben. Die Kühlkugel aus Bergkristall sollte Linderung verschaffen. Ein Heilmittel aus der Abteilung „Wenn es nicht hilft, wird es den Kranken auch nicht umbringen“. Mehr Respekt verschafft da schon der Anblick der Badergerätschaften aus dem Pommerschen Kunstschrank, die im 17. Jahrhundert zum Einsatz kamen. Kariöse Backenzähne aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts sind heute vermutlich genauso unansehnlich wie damals, aber eben interessanter. Ebenso die Löffelsonde aus dem 10. oder dem 11. Jahrhundert.
Auch das mittelalterliche Wundarztbesteck, das Cineasten aus dem Film „Medicus“ bekannt sein dürfte, weil darin ähnliche Gerätschaften zum Einsatz kamen, lässt Menschen des 21. Jahrhunderts wohlig seufzen. Wie schön, dass die letzte invasiv durchgeführte OP so gut verlaufen ist! Nicht schmerzfrei, aber doch erträglich und auch hinsichtlich der Narbenbildung ist nichts Böses zu erwarten. Vor 200 Jahren war so mancher Patient wohl froh, eine schwere Krankheit oder gar OP überhaupt überlebt zu haben, der Gang zum Schönheitschirurgen, der die hässliche Narbe zu glätten vermocht hätte, gehörte für die Menschen damals ins Reich der Fantasie.
Genau das kann die Medicus-Ausstellung auf geradezu magische Weise: Erwartungen zurechtrücken. Und daran erinnern, was Ärzte und Forscher im Verlauf der Menschheitsgeschichte dazu beigetragen haben, um das Leben ihrer Artgenossen zu verlängern, zu retten, erträglich(er) zu machen. Wer heilt, hat Recht, damals wie heute.
Wer heilt, hat recht – damals wie heute
Nicht alles verlief nach Plan und bei so manchem „medizinischen“ Versuch musste der Kranke sein Leben hingeben. Im Dienste der Wissenschaft, auch wenn er das so nicht einkalkuliert hatte. Davor standen normalerweise noch harmlosere Heilungsversuche, etwa mit Kräutern, per Hand gedrehten Pillen, geheimnisvollen Salben aus der Apotheke des Vertrauens.
Wer alles oder nichts hatte, an Verstimmung litt oder von ausgelebter Lust träumte, dem reichte der Apotheker mit verschwörerischem Blick Mumienpulver, im 18. Jahrhundert anerkanntes Aphrodisiakum, über den Offizin-Tisch. Irgendwann hatte auch dieses Mittelchen ausdient, vielleicht nur deshalb, weil den Menschen die Mumien ausgingen. Beruhigend ist der Gedanke, dass wir alle eines Tages gehen müssen, so auch die Götter in Weiß, die Apotheker und die Quacksalber, jene, die die „Macht des Wissens“ verkörperten.
Die Medicus-Ausstellung zeigt etwa das Grabinventar einer römischen Ärztin, datiert auf 100 bis150 nach Christus. Vorher könnte man noch kurz bei der multimedialen Inszenierung „Himmlische Helfer“ vorbeischauen, die mittelalterliche Heiligenfiguren aus Holz präsentiert, die von den Menschen auf der Suche nach Linderung ihrer Leiden konsultiert wurden.
Das Begleitprogramm der Ausstellung beinhaltet außerdem eine Küchenparty „Auf den kulinarischen Spuren des Medicus“, ein Weihrauch-Tasting im Dom zu Speyer oder den „Aderlass für den guten Zweck“, der eine Blutspendeaktion im Museum ist. Eckart von Hirschhausen, medizinischer Hansdampf in allen Gassen, hat als kreativer Berater das Begleitprogramm mitkonzipiert.
Mumienpulver – gegen Trübsal und für die Libido
Auf der Suche nach Heilung und Erkenntnis war der menschliche Erfindungsgeist im Lauf der Jahrhunderte seit jeher rege, wenig blieb unversucht, wenn es darum ging, Schmerzen zu lindern oder Menschenleben zu retten. Ein Dauerthema der Menschheit ist die Suche nach dem perfekten Körper. Auch diesbezüglich gibt die Medicus-Ausstellung Antworten, denn sie zeigt eine Auswahl antiker Torsi, die das ewige Zusammenspiel zwischen geistiger und körperlicher Schönheit darstellen sollen.
Für die Ausstellung haben renommierte Museen wie die Uffizien in Florenz und der Louvre in Paris ihre Schatzkästchen geöffnet und Leihgaben nach Speyer gesandt. So wurde die Ausstellung medizingeschichtlicher Fundstücke zu einer Premiere, nie zuvor wurden so viele Objekte zu diesem Thema an einem Ort gezeigt. Mehr als 500 Ausstellungsstücke dokumentieren eine medizinische Zeitreise, die im Altertum beginnt und bis heute Geschichte und Geschichten erzählt.
Gordons Erfolgroman begeisterte Millionen
Literarische Grundlage ist der Erfolgsroman „Der Medicus“ von Noah Gordon – das Buch und die Verfilmung begeisterten Millionen. Gordon erzählt aus der Welt der Bader und Quacksalber, in der der junge Rob Cole aufwächst. Besessen von dem Gedanken, kranke Menschen zu heilen, reist er von Europa in den Orient, wo ihm die Gelehrten vom medizinischen Wissen der Antike erzählen. Der Roman inspirierte die Ausstellungsmacher in Speyer, die Medicus-Schau zu konzipieren.
Die Ausstellung ist bis zum 21. Juni 2020 im Historischen Museum der Pfalz Speyer zu sehen.