Krisen-PR und Krisenmanagement
Ob das Coronavirus Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im übertragenen Sinne politisch die Korona aufsetzen wird, hängt maßgeblich von dem in der Öffentlichkeit „empfundenen“ Erfolg seines Krisenmanagements für Deutschland bei der Sars-CoV-2 -Pandemie ab. Kommunikation ist alles! Dazu gehören neben wohlgesetzten Worten auch die Bilder, die suggerieren: Der Kapitän steht auf der Brücke und weist den Kurs durchs schwierige Gewässer. Doch der Untiefen sind viele und der Kapitän weiß: Macht das Schiff keine Fahrt mehr, ist es aus mit der Steuerbarkeit des Dampfers. Und Manöverraum braucht Spahn jetzt mehr denn je, denn derzeit weiß niemand, wie sich die Covid-19-Situation in Deutschland entwickeln wird. Denn schnell erweisen sich deeskalierende Narrative à la „harmloser als eine Grippe“ als schiffszerstörende Untiefe.
Und der Untiefen sind viele. Wer hatte im Dezember vergangenen Jahres, als die Epidemie in China bereits immer bedrohlicher wurde und Millionen Chinesen unter Quarantäne gestellt worden waren, bereits geahnt, dass so simple Dinge wie Handschuhe, Mundschutz und viruzide Desinfektionsmittel so rasant knapp werden können, dass der Ausfall von Praxen aufgrund des Mangels hygienischer Basisartikel plötzlich in den Bereich des Wahrscheinlichen fallen würde. Noch Mitte Februar erhöhte Bundesaußenminister Heiko Maas die Lieferung von Schutzausrüstung, -kleidung und Desinfektionsmittel um 8,7 auf 14,1 Tonnen Material an China. Mögen die Gründe tatsächlich rein humanistischer Natur gewesen sein – die Problemverschärfung fand aber hierzulande statt. Und führte dazu – wer hätte das je gedacht –, dass die Beschaffung von Schutzkleidung zu einer der wichtigsten Ministeraufgaben mutierte samt Verhängung eines Ausfuhrverbots für Atemmasken, Handschuhen und Schutzanzüge durch den Krisenstab der Bundesregierung. Eine Problemeinsicht, die im Wesentlichen von den zahnärztlichen Organisationen herbeigeführt wurde und dem nachvollziehbaren gedanklichen Dreisprung folgte: Keine Handschuhe, kein Mundschutz, keine geöffnete Praxis. Gespannt bin ich, wie die zentrale Beschaffung samt Verteilung für Kliniken und Arztpraxen in realiter und abseits der Krisen-PR in unserem föderal organisierten Staatswesen funktionieren wird.
Da sich die Situation deutlich ernster als zuerst erwartet darstellt, gibt es wieder runde Tische. Teilnehmer sind die BZÄK und die KZBV sowie BÄK, KBV, ABDA und weitere an der Versorgung beteiligte Organisationen. Aufgabe ist es, gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsministerium die Situation aus der jeweiligen Perspektive zu analysieren, Lösungsvorschläge zu erarbeiten und das weitere Vorgehen abzustimmen. Da werden die Körperschaften dann doch ganz schnell wieder ganz wichtig – viel wichtiger jedenfalls als der sonstige Umgang mit diesen Institutionen. Man denke da nur an die Aussagen rund um das unselige „Selbstverwaltungsstärkungsgesetz“. Deshalb ein kurzer Blick auf die reale Versorgung durch Zahnärzte, Ärzte und Apotheker, die ganz praktisch den „Kampf“ gegen das Virus und seine Begleiterscheinungen(!) führen müssen. Ein simpler Umstand soll dies illustrieren: Das Virus repliziert im Rachenraum, da liegt in der Zahnmedizin die Überlegung nahe, aus infektionsprophylaktischen Gründen und angesichts der unspezifischen Symptomausprägung und zum Schutz der eigenen Mitarbeiter für einen gewissen Zeitraum auf zum Beispiel PZRs zu verzichten. Die Kosten für diese Entscheidung bleiben beim Zahnarzt, der Erhalt der Versorgungssicherheit bei der Allgemeinheit. Oder anders herum: Bei staatlich angeordneter Quarantäne werden zwar die Gehälter der Arbeitnehmer gemäß Infektionsschutzgesetz (§56 IfSG) als Entschädigungsleistung vom „Staat“ übernommen. Aber dann ist auch die Praxis dicht – mit all den Folgen. Das nennt man dann wohl Zwickmühle. Unter diesem Gesichtspunkt ist aktive Infektionsprophylaxe doch deutlich mehr als für ausreichend Handschuhe und Atemmasken zu sorgen. Ob dieses Dilemma die Politik versteht? An die Beurteilung der Krankenkassen möchte ich überhaupt nicht denken …
Gemäß einer Ipsos-Umfrage unter 10.000 Erwachsenen, die in verschiedenen Corona betroffenen Ländern durchgeführt wurde, sehen 80 Prozent die Schuld für die Ausbreitung des Virus im eigenen Land nicht bei der Bundesregierung. An allen anderen Ländern wird deutlich stärkere Kritik geäußert. Eine Momentaufnahme. Womit wir wieder beim Kapitän auf der Brücke angekommen wären …
Auf den unten genannten Webseiten von BZÄK und KZBV finden Sie aktualisierte und vor allem nach dem jeweiligen Erkenntnisstand gesicherte Informationen. Um auf dem aktuellen Stand zu sein, empfiehlt sich ein täglicher Check.
Dr. Uwe Axel Richter
Chefredakteur https://www.bzaek.de/berufsausuebung/hygiene/sars-cov-2covid-19.html oder https://www.zm-online.de/news/gesellschaft/corona-virus-arbeits-und-risikomanagement-in-zahnarztpraxen/ oder www.kzbv.de/coronavirus