Einordnung der Vorkommnisse in China von Prof. Christoph Benz

Zahnmedizin in Corona-Zeiten: Erfahrungen aus Wuhan

Prof. Dr. Zhuan Bian, der Dekan der Zahnklinik der Universität Wuhan stellte die chinesischen Erfahrungen live in einem Webinar der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) vor. Eine Einordnung gibt uns Prof. Christoph Benz, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer.

Die Corona-Pandemie löst gerade auch unter Zahnärztinnen und Zahnärzten große Unsicherheit, Angst und sogar Panik aus. Dabei ergeben sich viele Fragen: Wie gefährdet sind wir durch den engen Kontakt zu den Patienten? Welchen Beitrag leistet die Aerosol-Verbreitung unserer rotierenden und schwingenden Instrumente? Welche Schutzmaßnahmen sind angemessen? In dieser Lage maximaler Verunsicherung macht es Sinn, aus den Erfahrungen zu lernen, die die Zahnärzte am „Ground Zero“ der aktuellen Pandemie gemacht haben.

Prof. Dr. Zhuan Bian, der Dekan der Zahnklinik der Universität Wuhan, berichtete dazu in einem Beitrag im „Journal of Dental Research“. Am 25. März stellte er die chinesischen Erfahrungen live in einem Webinar vor, das von der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) veranstaltet wurde. Hier nun soll eine Einordnung und kritische Wertung versucht werden.

Chronologie der Epidemie in Hubei: Der Patient Zero

Die in Hongkong beheimatete „South China Morning Post“ berichtete am 13. März 2020 aus geheimen Unterlagen der chinesischen Regierung, dass am 17. November 2019 ein 55-jähriger Mann in der Provinz Hubei an – wie man heute weiß – COVID-19 erkrankte.

Auf diesen möglicherweise ersten Patienten (Patient Zero) folgte eine täglich steigende Zahl von weiteren Erkrankungen. Dass es sich dabei offenbar um einen neuen Erreger handelte, vermuteten einzelne Ärzte in Hubei Mitte Dezember. Am 27. Dezember soll es dann gelungen sein, das neuartige Coronavirus aus Proben von Menschen der Stadt Wuhan zu sequenzieren.

Die chinesische Regierung trifft der Vorwurf, nicht sofort reagiert zu haben, sondern den Ausbruch der Epidemie wider besseres Wissen einen Monat lang ignoriert und vertuscht zu haben. Erst am 24. Januar erfolgte der „Lockdown“ der Stadt Wuhan. Zahnärzte wurden ab dem 22. Januar auf das Problem aufmerksam und durften ab dem 27. Januar nur noch Notfälle behandeln.

Die zahnmedizinische Versorgung im Hotspot

Die größte zahnmedizinische Behandlungseinrichtung in der Provinz Hubei ist die Zahnklinik der Universität Wuhan mit 16 Satelliten-Zentren im ganzen Land. Im Jahr 2019 wurden dort mit 1.098 Mitarbeitern und 828 Studenten 890.000 Patienten behandelt.

Bis zum 21. Januar 2020 wurden in der Zahnklinik 56.000 Patienten – offensichtlich ohne Kenntnis des Problems – unter üblichen Bedingungen mit Behandlungskittel und Einweg-Mundschutz behandelt.

Ab dem 22. Januar standen dann auch (vereinzelt) FFP2-Masken und Einmalkittel zur Verfügung, ab dem 28. Januar darüberhinaus Schutzbrillen und Schutzanzüge. Nach der staatlichen Beschränkung auf Notfallbehandlungen am 27. Januar wurde das zahnmedizinische Personal zum großen Teil zur Unterstützung in der medizinischen Klinik eingesetzt.

Welt.de berichtete am 19. März 2020 von einem Pressegespräch, das vier leitende Allgemeinmediziner aus Wuhan gaben. Mangelndes Verständnis der Krankheit und fehlende Schutzausrüstung habe im Januar dazu geführt, dass sich Tausende von Mitarbeitern des Gesundheitswesens bei der Behandlung von Patienten infiziert hätten. Mindestens 46 Ärzte und Krankenhausbedienstete seien gestorben. Die Bereiche HNO und Ophtalmologie seien besonders betroffen gewesen.

Wie viele Zahnärzte und ZFA haben sich infiziert?

Wie stellt sich die Situation in der Zahnmedizin dar? Zhuan Bian berichtet, dass bis zum heutigen Tag unter den Mitarbeitern der Zahnklinik neun COVID-19-Erkrankungen aufgetreten seien: 3 Zahnärzte, 3 ZFA, 2 Verwaltungsmitarbeiterinnen und ein postgradualer Student. Eine genaue Analyse dieser neun Fälle habe ergeben, dass sich drei der Betroffenen vermutlich nicht im dienstlichen Umfeld infiziert hatten. Von Todesfällen wird nicht berichtet. Nicht klar ist, ob die Studenten in dieser Aufstellung enthalten sind. Wenn man sie nicht berücksichtigt, wäre eine Infektionsquote von 0,8 Prozent beim zahnmedizinischen Personal aufgetreten.

Nun mag man fragen, ob Bian verlässliche Zahlen präsentiert. Der zentrale Vorwurf, der die chinesische Staatsführung trifft, ist, das Problem einen Monat lang ignoriert und vertuscht zu haben. Dazu werden dann von offizieller Seite für den Januar so geringe Erkrankungszahlen in der Bevölkerung genannt, dass dies definitiv nicht zu einem Beginn der Epidemie im November passt und den Lockdown am 24. Januar schon gar nicht erklärt.

Warum kommuniziert man dann aber die erschreckend hohen Erkrankungszahlen des medizinischen Personals so erstaunlich offen? Dafür kann es eigentlich nur einen Grund geben: Die chinesische Regierung möchte eine klare Warnung an die Medizin senden, Hygienemaßnahmen zukünftig ernster zu nehmen und besser umzusetzen. Vor diesem Hintergrund würde es aus staatlicher Sicht wenig Sinn machen, zahnmedizinisches Personal in falscher Sicherheit zu wiegen, insbesondere dann nicht, wenn man hier „Superspreader“ vermuten müsste.

Was lernen wir?

Bian führt die äußerst geringe Infektionsrate im zahnärztlichen Bereich auf die konsequente Nutzung von Mund-Nase-Schutz (MNS) zurück. In der kritischen Phase stand „nur“ der einfache MNS zur Verfügung. Bis zum 21. Januar gab es offenbar keine besonderen Einschränkungen der zahnärztlichen Tätigkeit und jeder Mitarbeiter der Zahnklinik hatte rechnerisch seit Dezember 100 Patientenkontakte in einem Gebiet mit sehr hoher Infektionsrate der Bevölkerung.

Bians Interpretation ist klar: Zahnmedizin beherrscht den Selbst- und Patientenschutz, die Allgemeinmedizin sehr oft leider nicht. Die Einschätzungen Bians zum einfachen Mundschutz wurden bereits in einer großen Influenza-Studie in den USA und einer SARS-Studie in Kanada bestätigt. Beide Studien vermochten tatsächlich keinen Unterschied zu FFP2-Masken zu erkennen.

Prof. Dr. Christoph Benz, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer

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Prof. Dr. Christoph Benz

Präsident der BZÄK
Bundeszahnärztekammer

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