Investitionen bei der zahnärztlichen Existenzgründung 2019

Übernahme einer Einzelpraxis – häufigste Form der Selbstständigkeit

David Klingenberger
Die Übernahme einer Einzelpraxis war 2019 die häufigste Form der zahnärztlichen Existenzgründung, zeigt der neue InvestMonitor des Instituts der Deutschen Zahnärzte und der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank). Und die höchsten Finanzierungsbeträge mussten Zahnärztinnen und Zahnärzte bei Einzelpraxisneugründungen aufwenden. Weitere Ergebnisse der Analyse: Die Übernahme einer Einzelpraxis war 2019 teurer als die einer Berufsausübungsgemeinschaft. Reine Neugründungen sind eher die Ausnahme. Und ein Großteil der Investitionen fällt auf medizinische und technische Geräte sowie die Praxis-EDV.

Existenzgründungen in den Freien Berufen haben für die Volkswirtschaft eine große Bedeutung: Sie schaffen nicht nur neue Arbeitsplätze, sondern fördern auch die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit in einer Sozialen Marktwirtschaft.“ Diese uneingeschränkt positive Einschätzung des Bundesministeriums für Wirtschaft aus dem Jahr 2018 unterstreicht die Bedeutung der Existenzgründungen aus makroökonomischer Sicht. Positive Impulse für mehr Wachstum, Beschäftigung und Stabilität sind also gesamtgesellschaftlich erwünscht. Das gilt insbesondere für die jungen Gründerinnen und Gründer, die sich in freier Zahnarztpraxis niederlassen.

Im Jahr 2019 entschieden sich 1.376 Zahnärzte für den Schritt in die Selbstständigkeit – 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit wurden in den Jahren 2018/2019 zugleich insgesamt Investitionen in Höhe von schätzungsweise 1,0 Milliarde Euro getätigt sowie über 20.000 Arbeitsplätze neu geschaffen beziehungsweise erhalten. Diese von Zahnärzten getragenen gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungs- und Wachstumseffekte werden in den oftmals einseitig kostenorientiert geführten Diskussionen über das Gesundheitswesen leicht übersehen.

Sekundäranalyse von Finanzierungsdaten

Die Datenbasis des InvestMonitor Zahnarztpraxis 2019 bilden die von der apoBank durchgeführten Finanzierungen zahnärztlicher Existenzgründungen ab; es handelt sich also um keine (repräsentative) Vollerhebung, sondern um eine Sekundäranalyse von Finanzierungsdaten eines marktführenden Bankinstituts. Im Jahr 2019 belief sich die Zahl der auswertbaren Finanzierungsfälle auf 607, die sich im Verhältnis 5 zu 1 auf die alten und die neuen Bundesländer aufteilten.

Die rechtlichen Möglichkeiten der Praxisgründung wurden in den vergangenen Jahren ausgeweitet, entsprechend groß ist mittlerweile die Formenvielfalt der zahnärztlichen Praxen. Zum Zwecke einer übersichtlichen Darstellung geht der InvestMonitor auf die beiden Praxisformen

  • Einzelpraxen und

  • Berufsausübungsgemeinschaften

sowie auf drei Niederlassungsformen (Neugründung, Übernahme sowie Beitritt beziehungsweise Einstieg) ein.

Die Finanzierungsvolumina in den verschiedenen Praxis- und Niederlassungsformen haben sich im vergangenen Jahr recht unterschiedlich entwickelt, weshalb ein differenzierter Blick auf das Gründungsgeschehen erforderlich ist. Die höchsten Finanzierungsbeträge wurden im Jahr 2019 im Rahmen von Einzelpraxisneugründungen aufgewendet, nämlich im Schnitt 557.000 Euro. Gegenüber dem Vorjahr sank das Finanzierungsvolumen allerdings um 41.000 Euro beziehungsweise um sieben Prozent (Abbildung 1). Vergleichsweise hoch sind auch die Finanzierungsvolumina im Fall einer Neugründung einer Berufsausübungsgemeinschaft. Im Schnitt beliefen sich die Finanzierungsbeträge je Praxisinhaber (!) auf 511.000 Euro, was einem kräftigen Zuwachs um 100.000 Euro beziehungsweise 24 Prozent gegenüber 2018 bedeutet.

Neugründung ist teurer als Praxisübernahme

Insgesamt zeigt sich, dass eine Niederlassung in Form einer Neugründung generell mit höheren Finanzierungsbeträgen einhergeht als eine Praxisübernahme. Eine Rolle dürfte dabei auch spielen, dass bei Neugründungen in der Regel mehr Möglichkeiten bestehen, beim Praxiszuschnitt bereits von Beginn an die räumlichen und technischen Möglichkeiten für ein dynamisches Praxiswachstum einzuplanen.

Die Übernahme einer Einzelpraxis schlug im Jahr 2019 mit durchschnittlich 410.000 Euro zu Buche. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das ein Zuwachs von 16.000 Euro beziehungsweise vier Prozent. Die Übernahme einer Berufsausübungsgemeinschaft war 2019 im Schnitt jedoch um sechs Prozent günstiger und belief sich auf 341.000 Euro je Praxisinhaber. In 2018 hatte sich das Finanzierungsvolumen noch auf 362.000 Euro summiert. Für den Beitritt in eine Berufsausübungsgemeinschaft (ein weiterer Praxisinhaber erwirbt Anteile an der Praxis) beziehungsweise den Einstieg in eine Berufsausübungsgemeinschaft (ein neuer Praxisinhaber übernimmt die Anteile eines ausscheidenden Praxisinhabers) wurde ein Betrag von 321.000 Euro gezahlt und damit 34.000 Euro beziehungsweise zwölf Prozent mehr als noch im Vorjahr.

Käufer- und Verkäuferperspektive beachten

In den Finanzierungsbeträgen, die im Rahmen einer Praxisübernahme beziehungsweise beim Kauf von Praxisanteilen gezahlt werden, sind nicht nur die Kaufpreise enthalten, die mit den ausscheidenden oder etablierten Praxisinhabern ausgehandelt wurden, sondern auch die darüber hinaus getätigten Investitionen. Bei der Betrachtung von Praxisübernahmen sollte daher immer zwischen der Perspektive des Käufers („Was kostet mich die Existenzgründung letztlich?“) und der Perspektive des Verkäufers („Was erhalte ich für die Praxis oder den Praxisanteil?“) unterschieden werden.

Da reine Neugründungen mittlerweile eher die Ausnahme als die Regel darstellen und etwa 91 Prozent der Existenzgründungen in Form einer Übernahme oder eines Einstiegs oder Beitritts erfolgen, lohnt sich hier ein genauerer Blick auf das Investitionsgeschehen. Grundsätzlich gilt, dass mit steigendem Vorjahresumsatz der übernommenen Zahnarztpraxis auch der tatsächlich gezahlte ideelle Wert (der sogenannte Goodwill) zunimmt. Mit dem Vorjahresumsatz wird hier der Gesamtumsatz einer Zahnarztpraxis, das heißt der zahnärztliche Honorarumsatz und die Fremdlaborausgaben, bezeichnet. Bei einer Praxisübernahme im Jahr 2019 machte der Goodwill im Durchschnitt etwa 20 Prozent des Vorjahresumsatzes aus. Im Zuge eines Beitritts beziehungsweise Einstiegs in eine Praxis entfällt auf den Kaufpreis ein Anteil von knapp 70 Prozent. Anders sieht es bei den Praxisübernahmen aus. Im Rahmen einer Einzelpraxisübernahme macht der Kaufpreis im Schnitt 43 Prozent des benötigten Finanzierungsvolumens aus, bei der Übernahme einer Berufsausübungsgemeinschaft sind es lediglich knapp 38 Prozent (Abbildung 2).

In jeder Übernahme steckt ein wenig Neugründung

Insofern steckt in jeder Praxisübernahme auch ein wenig von einer Neugründung, da die neue Praxisinhaberin oder der neue Praxisinhaber in der Regel in einer frisch renovierten Praxis starten möchte, also kräftig in die Modernisierung und den Umbau der Räume investiert. Eine übernommene Praxis muss also – trotz langjähriger „Vorgeschichte“ – keineswegs „alt“ aussehen. Bleiben sollen allerdings die Patienten, für die bei der Praxisübernahme ein ideeller Wert an den oder die bisherigen Praxisinhaber gezahlt wird, und der in der Regel zwischen 65 und 75 Prozent des gesamten Kaufpreises ausmacht.

Erstmals gründen mehr Frauen als Männer

Die Analyse des IDZ und der apoBank untersuchte auch das geschlechtsspezifische Investitionsverhalten.

Der Löwenanteil der Investitionen entfällt jedoch auf die Investitionen in neue medizinisch-technische Geräte, eine moderne Einrichtung sowie eine leistungsfähige und auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte EDV (Abbildung 3). Die Fortschritte in der Zahnmedizin schlagen sich deutlich bei den im Zeitverlauf steigenden Investitionen in die medizinisch-technische Ausrüstung von Zahnarztpraxen nieder. Naturgemäß sind diese Investitionen bei reinen Neugründungen am höchsten. Bei einer Einzelpraxisneugründung belaufen sich diese Investitionen im Schnitt auf 300.000 Euro, bei der Neugründung einer BAG auf 217.000 Euro je Praxisinhaber. Doch auch bei einer Praxisübernahme wird kräftig in neue medizinisch-technische Geräte investiert – sei es als Ersatz für bereits abgeschriebene Geräte, sei es als Erweiterungsinvestition für neue Arbeitsschwerpunkte oder als generelle Ausweitung des Umfangs der Praxistätigkeit. Bei einer Einzelpraxisübernahme belaufen sich diese Investitionen auf durchschnittlich 98.000 Euro, bei der Übernahme einer BAG auf 88.000 Euro je Praxisinhaber.

Großstadt beliebter als ländliche Idylle

Die Verteilung der Existenzgründungen auf die verschiedenen Ortsgrößen für das Jahr 2019 zeigt, dass der Anteil der Existenzgründungen im großstädtischen Bereich 40 Prozent betrug, während im mittelstädtischen Bereich 28 Prozent der Existenzgründungen angesiedelt waren. Auf den eher ländlichen Bereich entfiel ein Anteil von 32 Prozent. Die Verteilung der Existenzgründungen nach Praxislage blieb über die vergangenen fünf Jahre vergleichsweise stabil (Abbildung 4).

In den alten Bundesländern wurden 42 Prozent der Existenzgründungen im großstädtischen Bereich realisiert, in den neuen Bundesländern waren es 29 Prozent. Demgegenüber entfielen 39 Prozent der Existenzgründungen in den neuen Bundesländern auf die ländlichen Lagen, während der entsprechende Anteil in den alten Bundesländern 31 Prozent betrug. Der Vergleich mit der Bevölkerungsstruktur Deutschlands lässt erkennen, dass die Zahnarztdichte (Zahl der Zahnärzte je 100.000 Einwohner) durch die zahnärztlichen Existenzgründungen des Jahres 2019 in großstädtischen Lagen tendenziell zu-, in den eher ländlich geprägten Gebieten hingegen leicht abgenommen hat. Während in großstädtischen Lagen also eine (durch zahnärztliche MVZ noch weiter forcierte) Konkurrenzverdichtung erkennbar ist, ist in ländlichen Bereichen eher von einem Rückgang der Wettbewerbsintensität auszugehen.

Dr. rer. pol. David Klingenberger, Dipl.-Volksw.

Stellvertretender Wissenschaftlicher Direktor Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ)
Referat II: Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung
Universitätsstr. 73, 50931 Köln

Mehr zum InvestMonitor 2019 unter:https://www.idz.institute/publikationen/online-journal-zahnmedizin-forschung-und-versorgung/investitionen-bei-der-zahnaerztlichen-existenzgruendung-2019.html

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Dr. David Klingenberger

stellv. wiss. Direktor des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ)
Dr. David Klingenberger ist stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ). Seit 2001 ist er dort für die Bereiche Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung zuständig. Ein Schwerpunkt des promovierten Diplom-Volkswirts ist die Existenzgründungsforschung.

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