Klare Forderungen an eine neue Regierung
Mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen von SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP hat die KZBV in einem Positionspapier konkretisierende Vorschläge vorgelegt, um die wohnortnahe, flächendeckende und qualitativ hochwertige zahnmedizinische Versorgung zukunftsfest zu gestalten. Grundlage ist unsere Agenda Mundgesundheit 2021–2025. Unser erklärtes Ziel: Unabhängig von ihrem Wohnort und ihrem sozialen Status müssen die Menschen in diesem Land Zugang zur zahnmedizinischen Versorgung haben und am medizinischen Fortschritt teilnehmen können.
Um dies zu verwirklichen, sind die Freiberuflichkeit und die Selbstverwaltung elementare Bestandteile. Diese zu erhalten und zu stärken sollte daher Richtschnur politischen Handelns sein. Der Forderung nach Stärkung der Selbstverwaltung ist der bisherige Bundesgesundheitsminister nicht nachgekommen – im Gegenteil. Eine neue Regierung sollte dringend ein Bekenntnis zur Freiberuflichkeit und zur Selbstverwaltung ablegen.
Aus vertragszahnärztlicher Sicht besteht in den nächsten vier Jahren politischer Handlungsbedarf insbesondere auf den Themenfeldern:
Prävention
Versorgung vulnerabler Gruppen
Digitalisierung und Entlastung der Zahnarztpraxen von Bürokratie
Eindämmung der Vergewerblichung der Versorgung mit dem Ziel gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu erhalten
Es ist sehr begrüßenswert, dass die Ampelparteien bereits in ihrem Sondierungspapier festgehalten haben, Prävention und Vorsorge zum gesundheitspolitischen Leitprinzip ihrer Regierungsarbeit zu erheben und für eine gute, verlässliche Gesundheitsversorgung deutschlandweit Sorge zu tragen. Mit der neuen PAR-Richtlinie haben wir in diesem Jahr einen bedeutsamen Schritt zur Verbesserung der Therapie von parodontalen Erkrankungen getan. Als Nächstes wollen wir ein evidenzbasiertes Präventionskonzept der parodontalen Erkrankungen erstellen. Dazu haben wir die Bundeszahnärztekammer und die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zur Mitarbeit aufgerufen.
Besondere Aufmerksamkeit muss daneben weiterhin der Versorgungsbedarf vulnerabler Gruppen erfahren. Unser Ziel hier ist, weitere Präventionsleistungen aus unserem Konzept „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ – AuB-Konzept – in den Versorgungskatalog des BEMA zu implementieren.
Als positives Signal werten wir auch die klare Aussage zum Erhalt des dualen Systems aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Nun wird es darauf ankommen, mit welchen konkreten Inhalten und Maßnahmen diese Zielvorgaben in den Koalitionsverhandlungen gefüllt werden. Dazu bringen wir unsere Positionen und Vorschläge ein.
Mit Blick auf die fortschreitende Digitalisierung benötigen die Praxen eine stabile, störungsfreie und sichere Telematikinfrastruktur mit versorgungsorientierten Lösungen. Grundlagen müssen die zahnärztliche Berufswirklichkeit und die Belange der Anwenderinnen und Anwender sein. Klar ist auch: Die Kosten für den digitalen Transformationsprozess der Praxen müssen refinanziert werden.
Als große Gefahr für gleichwertige Lebensverhältnisse und eine wohnortnahe Patientenversorgung sieht die KZBV die fortschreitende Vergewerblichung durch die Ausbreitung von investorengetragenen MVZ: Dieses Problem muss die neue Regierung umgehend anpacken. Die bisherigen Regelungen sind nicht ausreichend und müssen fortentwickelt werden. Zusätzlich bedarf es für mehr Transparenz und Patientenschutz einer Rechtsgrundlage für die Einrichtung von MVZ-Registern auf Bundes- und Landesebene.
Und zu guter Letzt fordern wir die dauerhafte Aufhebung der Vergütungsobergrenzen in der vertragszahnärztlichen Versorgung über das Jahr 2022 hinaus. Die in der Corona-Pandemie aufgehobenen Obergrenzen der Gesamtvergütungen für die Jahre 2021 und 2022 haben gezeigt, dass vom vertragszahnärztlichen Versorgungsbereich keine Gefahr für die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeht. Gerade den jungen Vertragszahnärztinnen und -zahnärzten wird damit finanzielle Planungssicherheit gewährt und somit ein dringend erforderlicher Anreiz zur Niederlassung geschaffen. Es gibt also viel zu tun in den nächsten vier Jahren. Die Vertragszahnärzteschaft wird ihren Beitrag leisten, Gleiches erwarten wir von einer neuen Bundesregierung.
Dr. Wolfgang Eßer
Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung