Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK)

„Lassen Sie uns Veränderungen als Chance begreifen!“

Eine standespolitische Aufbruchsstimmung signalisierte der neue Geschäftsführende Vorstand der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) auf der Bundesversammlung am 29. und 30. Oktober in Karlsruhe. Auch mit Blick auf eine mögliche Ampelkoalition präsentierte das Präsidium viele neue Ansätze und Ideen. Die Delegierten bestätigten den Kurs mit einem Beschluss zur Regulierung von Fremdkapital in der Zahnmedizin und einer „Karlsruher Erklärung“ zur GOZ.

Wir wollen nach außen ein gemeinsames berufspolitisches Signal geben“, erklärte BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz zum Auftakt der Bundesversammlung, die mit 166 Delegierten unter Pandemiebedingungen und Hygieneregeln live in der Gartenhalle in Karlsruhe durchgeführt wurde. Benz‘ Appell: Der Berufsstand müsse seine Zukunft in Einigkeit gestalten.

Mit Blick auf das Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP begrüßte der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Dr. Wolfgang Eßer, in seinem Grußwort, dass das duale System von gesetzlicher und privater Krankenversicherung weiter Bestand haben soll. Für ihn ebenfalls positiv: die beabsichtigte Stärkung der Prävention. Hier forderte Eßer, dass vulnerable Gruppen besonders berücksichtigt werden müssen. Auch im Bereich PAR soll die Prävention jetzt weiterentwickelt werden. Gemeinsam müsse man dazu ein evidenzbasiertes Konzept in dieser Legislaturperiode erarbeiten. Ein ganz zentrales Anliegen für Eßer: „Wir müssen den Erhalt und die Stärkung der Selbstverwaltung zur Richtschnur unseres Handelns machen.“ 

147 Tage im Amt

„147 Tage ist der neue Geschäftsführende Vorstand jetzt im Amt“, sagte Benz: „Wir wollen konkret aus der Perspektive der Praxis heraus Dinge verändern. Und wir müssen ganz neu denken.“ Ein wichtiger Schwerpunkt sei die GOZ, sowohl mit Bezug auf die jetzige Praxis wie auch auf eine strategische Weiterentwicklung. Ein neues Projekt sei die Zukunftswerkstatt, bei der junge Kolleginnen und Kollegen Impulse für die zukünftigen Belange der Berufsausübung geben sollen. Weiter auf der Agenda: eine Verwaltungsreform mit einer Verschlankung und Straffung der Ausschussarbeit. Weitere thematische Schwerpunkte werden auch die „stärkere Awareness für das Thema PAR“ sowie der Kampf gegen Fremdkapital bei MVZ sein. Perspektivisch gesehen sollen die Bereiche Prävention und PAR sowie Zahnmedizin in der Pflege an Bedeutung gewinnen. Es gehe darum, neue Handlungsfelder und Bereiche zu erschließen. „Lassen Sie uns Veränderung als Chance begreifen und die Zukunft gemeinsam gestalten“, appellierte Benz an die Delegierten.

Vizepräsident Konstantin von Laffert übte in seinem Bericht scharfe Kritik an der wachsenden Zahl von Finanzinvestoren im zahnärztlichen Bereich: „Sie sind dort absolut überflüssig.“ Von Laffert warnte vor den Konsequenzen wie etwa Umsatzdruck und Qualitätsverlust: „Wir sind Frei- und Heilberufler und keine Turbo-Kapitalisten, für die nur der Profit zählt“, betonte er. Zahnheilkunde sei kein Gewerbe. Kritisch äußerte er sich auch zur Fernbehandlung mit Alignern: „Wir brauchen eindeutige Regeln für gewerbliche Aligner-Anbieter, die die Patientinnen und Patienten schützen.“ Ein weiteres Plädoyer ging in Richtung Nachhaltigkeit in der Zahnarztpraxis. Die BZÄK arbeite derzeit daran, die vielen Ideen aus der Kollegenschaft zu sammeln. Münden solle dies in ein Ideenpapier mit Empfehlungen, wie sich der CO2-Abdruck in den Praxen verringern lässt.

Forderungen habe die BZÄK auch zum Thema Ernährung und Zuckerabbau: Es gehe um eine bessere Lebensmittelkennzeichnung und eine Zuckerabgabe. Beim Thema Bürokratie müsse der gesetzgeberischen „Völlerei“ ein Ende gesetzt werden. Positive Signale gebe es dazu von den Ampelkoalitionären.

Den Nachwuchs fördern

Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler kündigte in ihrer Rede an, die Arbeit der BZÄK künftig besser sichtbar machen zu wollen. Als eines von drei weiteren Anliegen nannte sie die Förderung des zahnärztlichen Nachwuchses. Sie forderte, die ersten vier Semester des Zahnmedizinstudiums mit dem allgemeinen Medizinstudium zu synchronisieren. Dazu müssten die ärztliche und die neue zahnärztliche Approbationsordnung angepasst werden. Damit würde auch nach außen deutlich, dass Zahnärzte keine Mediziner zweiter Klasse seien. „Die endlose Posse um die GOZ“ will sie mit neuem Denken beenden und verwies auf den GOZ-Strategieausschuss, der kürzlich seine Arbeit wieder aufgenommen hat. Man dränge nicht nur auf eine deutliche Anhebung des GOZ-Wertes, sondern auf einen dynamischen Grundwert, der sich der wirtschaftlichen Entwicklung anpasst. Gleichzeitig forderte Ermler dazu auf, die Möglichkeiten der bestehenden GOZ auszuschöpfen. Darüber hinaus will sie sich für eine „Digitalisierung mit Vernunft“ einsetzen. Man unterstütze bei der BZÄK die Telematikinfrastruktur und deren Anwendungen. Digitalisierung sei aber nur sinnvoll, wenn sie richtig und praxisnah umgesetzt werde.

Im Rahmen der Bundesversammlung zeichnete Benz zwei besonders verdiente Standespolitiker mit der goldenen Ehrennadel der BZÄK aus: seinen Vorgänger Dr. Peter Engel, von November 2008 bis Juni 2021 Präsident der BZÄK, und den langjährigen Vorsitzenden der Arzneimittelkommission der Deutschen Zahnärzte (AKZ), Dr. Helmut Pfeffer. Engel wurde von den Delegierten darüber hinaus anschließend zum BZÄK-Ehrenpräsidenten ernannt. Er ist damit der insgesamt dritte BZÄK-Ehrenpräsident.

Einblicke in die Vorstandsarbeit

Auf der Agenda standen weiterhin Einblicke in die laufende Vorstandsarbeit. So berichtete Dr. Carsten Hünecke, Kammerpräsident Sachsen-Anhalt, über das mit der neuen Approbationsordnung neu geregelte Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Zudem verwies er auf ein derzeit für die Berufsausübung kritisches Problem – auf die für zwei Jahre befristete Erlaubnis für Zahnärzte aus Ländern außerhalb der EU, unter Aufsicht auch ohne Anerkennung der Approbation in Deutschland arbeiten zu dürfen. Davon werde vor allem in MVZ Gebrauch gemacht, sagte er. Henner Bunke, D.M.D./Univ. of Florida, Kammerpräsident Niedersachsen, berichtete über den Sachstand zur neuen Ausbildungsordnung zum/zur Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA). Die Arbeit daran laufe erfolgreich, erwartet werde, dass die Regelung im Sommer 2022 in Kraft tritt.

Die Diskussion der Berichte und eingebrachten Anträge mündeten in klaren Botschaften der Delegierten an die Politik. Eine Resolution fasste folgende Kernforderungen der Zahnärzteschaft nach der Bundestagswahl zusammen: 

  • die Förderung der freiberuflichen Leistungserbringung, vor allem durch eine Stärkung der freien Arzt- und Therapiewahl

  • die Regulierung von Fremdkapital in der Zahnmedizin sowie 

  • eine spürbare Entlastung der Zahnarztpraxen von unnötigen Bürokratielasten.

Einen breiten Raum nahmen die Diskussionen um die GOZ ein. In ihrer „Karlsruher Erklärung“ stellte die Bundesversammlung fest, dass der Verordnungsgeber auch in der letzten Legislaturperiode seiner gesetzlichen Verpflichtung zu einer Anpassung des seit 33 Jahren unveränderten Punktwerts in der GOZ wieder nicht nachgekommen sei. Die Delegierten forderten die künftige Bundesregierung auf, diesen gesetzlichen Auftrag endlich zu erfüllen. 

Dr. Ralph Hausweiler, Kammerpräsident Nordrhein, dankte auf der Bundesversammlung allen Spendenden zugunsten der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands für deren großzügige Unterstützung und Solidarität. 

Alle Beschlüsse unter:https://www.bzaek.de/service/veranstaltungen/deutscher-zahnaerztetag.html

pr/sr

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