Sie setzten bleibende Zeichen
Im Wintersemester 2019/20 waren in Deutschland insgesamt 15.396 Studierende im Fach Zahnheilkunde immatrikuliert; davon waren 10.029 – rund zwei Drittel – Frauen.1 Dieses Zahlenverhältnis ist seit der Jahrtausendwende in etwa gleich und wird regelmäßig unter dem (durchaus umstrittenen) Schlagwort „Feminisierung“ diskutiert.
Doch die Diskussion über die Rolle und den Stellenwert von Frauen in der zahnärztlichen Berufsgruppe ist keinesfalls neu. Sie wurde bereits vor 130 Jahren geführt – allerdings unter umgekehrten Vorzeichen:2 Damals waren Frauen in Deutschland noch nicht zum Studium der Zahnheilkunde zugelassen. Erst in der Prüfungsordnung für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker des Jahres 1899 wurde verbindlich festgelegt, dass ihnen der Zugang zu den drei genannten Berufen zu gewähren sei. Als erster Staat öffnete das liberale Baden 1900 den Studiengang für angehende Zahnärztinnen; als letzte folgten die reaktionär eingestellten preußischen Universitäten im Jahr 1908.
Doch die Anzahl weiblicher Zahnärzte blieb zunächst gering: So waren 1927 lediglich 340 der insgesamt 8.565 Zahnärzte (4,1 Prozent) weiblichen Geschlechts. Noch im Jahr 1956 lag die Quote der Frauen innerhalb der bundesdeutschen Zahnärzteschaft bei lediglich 13,3 Prozent. Auch gut drei Jahrzehnte später – 1988 – waren noch immer mehr als drei Viertel aller Zahnärzte Männer. Sehr viel höher lag der Anteil der Zahnärztinnen in der DDR – ein Faktum, das sich im Zuge der Wiedervereinigung auf die gesamtdeutsche Bilanz auswirken sollte: Waren in der BRD noch 1988 nur 12.687 Zahnärztinnen registriert, stieg ihre Zahl 1992 – nach Einbezug der ehemaligen DDR – auf 23.676 beziehungsweise 33,1 Prozent. Auch bei den Studienanfängern zeigte sich nun eine Trendwende: 1992 betrug der Frauenanteil unter den Erstsemestern bereits 47,8 Prozent und innerhalb von zehn Jahren nahm diese Quote bis auf 62,6 Prozent (2002) zu.
Der lange Weg zur Chancengleichheit
Die Zulassung von Frauen zum Studium bedeutete noch lange keine wissenschaftliche Chancengleichheit. Im Gegenteil: Bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war die universitäre Zahnheilkunde – gerade in der Bundesrepublik – männlich dominiert. 1988 etwa lag hier der Anteil der männlichen Lehrstuhlinhaber bei 92,7 Prozent, und erst 2013 stand mit Bärbel Kahl-Nieke erstmals eine Frau an der Spitze der führenden wissenschaftlichen Fachgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK).
Und doch gab es sie: Die wissenschaftlichen Pionierinnen der Zahnheilkunde, die sich frühzeitig in einem männerdominierten akademischen Umfeld behaupteten und bleibende Zeichen setzten. Ebendieser ersten Generation erfolgreicher Hochschullehrerinnen ist die neue zm-Reihe gewidmet.
Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Frage, welche Hürden sie in ihrem beruflichen Umfeld zu überwinden hatten beziehungsweise welche Faktoren letztlich dafür maßgeblich waren, dass sie im Fach bleibende Spuren hinterließen.
Vorgestellt werden sechs Zahnärztinnen der Jahrgänge 1900 bis 1921, die sich über – teils erhebliche – Widerstände unterschiedlicher Natur hinwegsetzten und letztlich in ihrem Bereich zu Wegbereiterinnen wurden.
Zu diesen Ausnahmen gehörte die 1900 geborene doppelapprobierte Maria Schug-Kösters.Sie habilitierte sich 1931 als erste Frau in Deutschland in der Zahnheilkunde, arrivierte zur außerordentlichen Professorin und zählte auch international zu den bedeutenden Vertretern des Faches Zahnerhaltung.
Schug-Kösters kam der gleichaltrigen Elsbeth von Schnizer nur knapp zuvor: Letztere erlangte im Juli 1932 die Venia Legendi und wurde später außerplanmäßige Professorin, verlor jedoch 1945 ihre universitäre Anstellung aufgrund einer NSDAP-Mitgliedschaft. Schnizers Schwerpunkt war die Kieferorthopädie.
Demselben Fach verschrieb sich die 1914 geborene Österreicherin Herta Byloff-Clar.Sie begründete ihre Karriere in der Zeit nach dem „Anschluss“ Österreichs ans Deutsche Reich (1938): 1939 bestand sie in Graz das Staatsexamen und die Promotion. Sie wurde zur ersten für das Fach Kieferorthopädie habilitierten Frau in Österreich und galt im deutschsprachigen Raum als frühe und prominente Vertreterin des Multibandsystems.
Eine ähnlich prominente Rolle in diesem Fach erlangte Dorothea Dausch-Neumann (Jahrgang 1921). Die Leipzigerin wechselte in den 1950er-Jahren von der DDR in die Bundesrepublik und wurde hier zur ersten Zahnärztin, die ein Ordinariat (ordentliche Professur) erlangte. Sie wurde 2011 anlässlich ihres 90. Geburtstags mit einem Symposium geehrt.
Demgegenüber bewarb sich die 1920 geborene Anna-Luise Gentz – trotz entsprechender Aufforderung – nicht um eine Professur. Dennoch wurde sie durch ihre Pionierarbeit an der Universität Bonn im Fach Kinderzahnheilkunde zu einer zentralen Figur, wie viele Auszeichnungen bezeugen (unter anderem Bundesverdienstkreuz am Bande und Hermann-Euler-Medaille).
Gisela Schützmannsky, ebenfalls 1920 geboren, war ihrerseits die führende Kinderstomatologin in der DDR und zugleich die erste Dozentin für Kinderzahnheilkunde an einer deutschen Universität. Sie wurde wenige Jahre nach ihrer Habilitation (1957) in Halle an der Saale zur Professorin ernannt und brachte es ebenfalls zu etlichen Ehrungen (unter anderem Hufeland-Medaille und Verdienter Arzt des Volkes).
Fußnoten:
1 Statistisches Bundesamt 2020;
2 Groß D (1998); Groß D (2009); Groß D, Schäfer G (2009); Groß D, Schäfer G (2011);
3 Groß D (2019).