Stippvisite bei der Praxis Dentiland

Ein märchenhafter Zahnarztbesuch

Feenkleider, ein verwunschener Dschungel und das Tor zur geheimen Welt von Narnia – klingt nach Disneyland, nicht nach Zahnarztpraxis. Wie man beide Welten zusammenbringen kann, zeigt Dr. Anne Heinz, Gründerin der Praxis „Dentiland“ in Wandlitz, Brandenburg. Wir besuchten die Eisprinzessin in ihrer zauberhaften Praxis.

Rund 30 Autominuten entfernt von Berlin liegt Wandlitz, ein kleiner Ort, der sich entlang eines großen Sees erstreckt und von einem Naturschutzgebiet umgeben ist. Kurz vor der Ortsausfahrt steht ein schicker dreistöckiger Neubau. Bereits vom Parkplatz aus sieht man im Erdgeschoss die bodentiefen Fenster von Dentiland. Reingucken kann man nicht: Die Scheiben sind mit grüner Folie in Dschungeloptik beklebt.

Wer die Kinderzahnarztpraxis betritt, steht in einem mit warmem Licht beleuchteten Foyer. Der Blick fällt sofort auf den Tresen: gestapelte Bücher, darüber ein Kronleuchter aus unzähligen weißen Federn. Man fühlt sich wie in einem verfallenen Märchenschloss; ein Eindruck, der durch die Wände aus Sandstein entsteht und durch die Imitation eines bunten Bleiglasfensters noch verstärkt wird. 

Jedes Behandlungszimmer ist ein eigenes Märchen

Links vom Tresen öffnet sich ein spärlich beleuchteter Gang, von dem mehrere Holztüren mit schweren Goldbeschlägen und verschnörkelten Türgriffen abzweigen. Rechts steht ein Wandschrank, der aussieht, als stamme er direkt aus den „Chroniken von Narnia“. Öffnet man die beiden mit aufwendigen Holzschnitzereien verzierten Flügeltüren, betritt man eine Dschungellandschaft: Von der Decke ranken Pflanzen und Blüten, ein Plüschaffe hängt an einem Ast und riesige Baumwurzeln formen eine mit Kissen und Kuscheltieren ausgestattete Höhle.

Dr. Anne Heinz breitet lächelnd die Arme aus. Die Zahnärztin hat jedes Detail dieser „Kinderzahnarztpraxis der besonderen Art“ selbst geplant und entworfen. Ihr Ziel ist, insbesondere ängstlichen Kindern ein Umfeld zu bieten, in dem sie sich wohlfühlen.

Im abgedunkelten Flur öffnet sich links eine Nische, in der sich Hunderte von kleinen Schmetterlingsfiguren an der Wand tummeln. Heinz öffnet nacheinander die Türen zu den Behandlungszimmern – jedes zeigt ein anderes Märchen. So findet man sich zum Beispiel in einer Unterwasserwelt aus „Findet Nemo“ wieder. Oder in einem Burgzimmer – ohne Zahnarztstuhl, dafür mit zwei großen Türmen. In einer Nische stehen die sprechende Tasse und die Teekanne aus „Die schöne und das Biest“. Heinz erzählt, dass dieses Zimmer für besonders ängstliche Kinder eingerichtet wurde – hier erinnert nichts mehr an eine Zahnarztpraxis. Der Rundgang durch das rund 200 Quadratmeter große Dentiland fühlt sich vielmehr an wie ein Ausflug in einen Freizeitpark. 

Inspiration war ein Disneyland-Besuch 

Danach wartet in der Praxis-Küche schon eine Tasse Kaffee. Aber plötzlich: ein unüberhörbares Pupsgeräusch! Ooups. Ein „Furzkissen“. Das sei immer unter einem der Kissen versteckt, erklärt Heinz lachend. Bei Vorstellungsgesprächen lasse sie Bewerber grundsätzlich darauf Platz nehmen, um zu testen, ob sie genügend Humor mitbringen, um Teil des Teams zu werden.

Mit dem Gedanken sich selbstständig zu machen, habe sie schon lange gespielt, die Idee für eine Märchenpraxis sei ihr aber erst bei einem Disneyland-Besuch vor zwei Jahren gekommen. Heinz wollte ein Umfeld für Kinder schaffen, das nicht an eine Zahnarztpraxis erinnert. Ihre Vision war, eine Umgebung zu kreieren, in der Kinder angstfrei sein können, gerade wenn sie einen vorherigen Zahnarztbesuch eher negativ in Erinnerung haben.

Die Praxis Dentiland eröffnete sie erst vor drei Monaten – mit Investitionen im siebenstelligen Bereich. Von der Entscheidung bis zur Eröffnung ließ sich die promovierte Zahnärztin nur sechs Monate Zeit. Allen Herausforderungen während des Baus zum Trotz hat sie es geschafft, den Eröffnungstermin zu halten – auch weil sie oft selbst mit anpackte. Sämtliche Ideen für den Innenausbau stammen von ihr, konkretisiert und umgesetzt wurde alles durch eine Theaterbaufirma. Fertig sei die Praxis aber noch lange nicht, stellt Heinz klar. Aus Kostengründen habe sie die Behandlungszimmer zunächst etwas einfacher gestaltet, nun werden diese Stück für Stück weiter verschönert.

Bereits vor der offiziellen Eröffnung gingen über TikTok und Instagram über 5.000 Terminanfragen und 500 Personalbewerbungen ein. 

„Elsa“ ist der Code fürs Eisprinzessinnen-Kostüm

Nicht nur das Arbeitsumfeld, auch der Praxisalltag im Dentiland ist besonders. Morgens trifft sich Heinz mit allen sechs Mitarbeitenden zum gemeinsamen Frühstück in der Küche. In der Mittagspause wird Verstecken gespielt. Heinz beschreibt das Verhältnis zu ihren Angestellten als freundschaftlich, Hierarchien in der Praxis will sie vermeiden. „Das Besondere an unserer Praxis ist der Spirit.“

Wichtiger Pfeiler ihres Erfolgs: Sie nimmt sich rund doppelt so viel Zeit wie üblich für die Behandlungstermine. Damit das Konzept finanzierbar bleibt, müssen die Patienten Zuzahlungen leisten – auch für eine Erstdiagnostik. Dafür kann Heinz dann den Kindern die Zeit geben, die sie brauchen, um sich an die Behandlungssituation zu gewöhnen. Bei ausgesprochen ängstlichen oder traumatisierten Kindern fällt das Codewort „Elsa“. „Elsa“ heißt für Heinz: Zeit für das Eisprinzessinnen-Kostüm! Von einer Märchenprinzessin lassen sich die Kinder zumeist schneller überzeugen, sich untersuchen zu lassen. „Meist ist die Angst wie weggeblasen, wenn sie Elsa sehen.“

Zum Konzept von Dentiland gehört auch, dass die Eltern am Tag vor der Behandlung eine E-Mail mit Hinweisen erhalten, wie sie ihre Kinder bestmöglich auf den Besuch vorbereiten können. So wird empfohlen, anstelle eines Zahnarztbesuchs eine Reise ins Dentiland anzukündigen.

Bei den Behandlungen setzt Heinz auf Qualität. Die beginnt schon bei der Ausstattung: „Wir haben alle modernen Geräte, die das Zahnärzte-Herz begehrt“, führt sie aus. Eine Wurzelkanalbehandlung mit einem Mikroskop gehört bei ihr genauso zum Standard wie Zahnfüllungen unter Kofferdam. Darüber hinaus hat sich Heinz der Biologischen Zahnmedizin verschrieben. Dieser Schwerpunkt zieht auch Patienten aus dem Ausland an, da es kaum Kinderzahnarztpraxen mit diesem Angebot gibt. 

Die Kinderaugen leuchten – die Angst ist weg

Dass das Konzept funktioniert, sieht Heinz nicht nur an den leuchtenden Kinderaugen, sondern auch am regen Zuspruch der Eltern und der Flut an Terminanfragen. Die mediale Aufmerksamkeit will sie nutzen, um Investoren für ein noch größeres Projekt zu gewinnen: eine Klinik für schwer erkrankte und palliativ betreute Kinder, die so gar nicht an ein Krankenhaus erinnern und ebenso märchenhaft wie Dentiland werden soll.

Dr. Anne Heinz arbeitete nach ihrem Zahnmedizinstudium in Erlangen mehrere Jahre als angestellte Zahnärztin in verschiedenen Praxen, zuletzt in der Berliner Innenstadt. Berühmt wurde sie als Rapperin „Ansen“.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.