So motivieren Sie zum Lernen!
Generell gilt, dass in Lernprozessen eine zügige und präzise Rückmeldung zentral ist für den Lernerfolg. Die Lernenden sollten möglichst schnell ein konkretes Feedback zu ihren gelungenen oder eben auch ihren misslungenen Aufgaben erhalten. Dabei ist es sinnvoll, davon auszugehen, dass sie im Rahmen ihrer Fähigkeiten jeweils das Bestmögliche getan haben und niemand absichtlich fehlerhaft arbeitet. Feedback kann in Bezug auf verschiedene Aspekte erfolgen. Grundsätzlich werden drei verschiedene Bezugsnormen unterschieden:
1. Sachliche Bezugsnorm: Sachliches Feedback erfolgt in Bezug auch auf ein objektiv wahrnehmbares Kriterium und das erwünschte Ziel, beispielsweise beim Anrühren von Phosphatzement: Ist dieser beispielsweise zu flüssig oder zu fest für eine Unterfüllung beziehungsweise zum Zementieren? Sinnvoll ist dann, direkt auch den Hinweis zur gewünschten Veränderung zu geben. So ein Feedback ist hilfreich, damit die Lernenden die Kriterien direkt mit dem Ziel verbinden und abspeichern.
2. Individuelle Bezugsnorm: Das ist das Feedback zu den individuellen Fortschritten der Lernenden und umfasst die Verbesserung der eigenen und aktuellen Leistung im Vergleich zu den vorhergehenden Leistungen. Diese Form des konkreten Feedbacks wirkt in der Regel sehr anspornend.
3. Soziale Bezugsnorm: Der Vergleich mit anderen hingegen hat in der Regel negative Auswirkungen – selbst wenn er positiv ausfällt. Viele Lernende haben in der Schule bereits die Erfahrung gemacht, dass sie mit anderen Personen wie Mitschülern oder Geschwistern verglichen wurden. Innerhalb eines Teams führen solche Vergleiche daher zu einer Erhöhung des Konkurrenzverhaltens. Falls es sich gar um negatives sozial-vergleichendes Feedback handelt (im Sinne von: „Andere Auszubildende haben das wesentlich schneller gelernt“) – sinkt dadurch auch die Motivation und die Leistungsfähigkeit. Gerade weniger erfolgreiche Lernende werden durch derartiges Feedback an vergangene Misserfolge erinnert, fühlen sich beschämt und geben dann deutlich schneller auf. Außerdem steigt dann die Tendenz, Fehler zu vertuschen, um weitere Beschämung zu verhindern. Grundlegend hat sich gezeigt, dass ein Wechsel zwischen sachlichem Feedback und Hinweisen zum individuellen Lernfortschritt die schnellsten positiven Lernergebnisse erzielen.
Es gibt einen weiteren Aspekt des lernfördernden Feedbacks, der in Betracht gezogen werden kann. Dieser kann bei konsequenter Anwendung in der gesamten Praxis auf Dauer fehlersenkend wirken und die Bereitschaft, auch herausforderndere Aufgaben zu übernehmen, steigern. Die Autorin Carolin Dweck hat in ihrem Buch „Selbstbild: wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt“ [2016] beschrieben, wie unterschiedliche Formen des Feedbacks ein sogenanntes statisches oder flexibles Mindset erzeugen.
Die Tücken des statischen Selbstbilds
Wenn Feedback so erfolgt, dass die Fähigkeiten zum Lernen und zur schnellen Auffassung als gegebenes Talent, also als angeboren betrachtet werden, das Feedback hier somit auf der Persönlichkeitsebene erfolgt, betrachten sich die Lernenden als begabt oder unbegabt. Die „Unbegabten“ erkennen wenig Sinn darin, sich anzustrengen. Sie nehmen an, dass sich Bemühungen nicht lohnen, weil man ja sowieso kein Talent hat und sind wenig motiviert. Die „Begabten“ hingegen möchten verständlicherweise ihre Anerkennung nicht verlieren und nicht dumm wirken. Auch bei ihnen verringert sich ungünstigerweise die Motivation und zwar immer dann, wenn es darum geht, dass Kraft und Mühe aufgewendet werden müssten, um die entsprechende Leistung zu bringen und dabei das Risiko des Scheiterns oder eines Fehlers besteht. Denn wenn man Kraft und Mühe aufbringen muss, bedeutet das für viele Personen, nicht begabt zu sein und somit den guten Ruf zu verlieren. In der Folge vermeiden diese Personen Anstrengungen und nehmen schwierige Aufgaben, die sie eigentlich lösen könnten, nicht in Angriff. Dweck hat umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, die dieses Phänomen in vielfältigen Leistungssituationen belegen.
Ein flexibles Selbstbild fördern
Erfolgt das Feedback hingegen so, dass ein flexibles Selbstbild (Mindset) gefördert wird, so erhöhen sich sowohl das Engagement als auch die Bereitschaft, schwierige Aufgaben in Angriff zu nehmen. Um ein derartiges flexibles Selbstbild zu fördern, ist es sinnvoll, das Engagement und den Arbeits- und Lernaufwand anzuerkennen und in Beziehung zum Erfolg zu setzen. Hier helfen zum Beispiel bei Auszubildenden Sätze wie: „Man sieht, dass Sie diese Klausur sehr systematisch vorbereitet haben. Alle wichtigen Details sind beschrieben.“
Man kann sich natürlich fragen, inwiefern das insgesamt für die Praxis relevant ist. Wenn generell ein statisches Selbstbild in einem System vorherrscht, also wenn die Personen als solche als talentiert, begabt oder unbegabt bewertet werden, so hat das vielfältige Folgen. Dann führt das Eingestehen eines Fehlers dazu, „dass ich ja augenscheinlich doch nicht so begabt bin“. Das ist selbstwertschädigend und wird daher gerne unterlassen. Deswegen führt ein statisches Selbstbild dazu, dass das Vertuschen von Fehlern innerhalb der Praxis steigt. Ein guter Umgang mit Fehlern, etwa durch ein offenes Ansprechen und ein regelmäßiges Durchsprechen innerhalb des Teams, ermöglicht die Optimierung der Prozesse und senkt die Fehlerquote.
Lernfortschritte kontinuierlich würdigen
Wie kann man diese Feedbackaspekte nun so kombinieren, dass sich ein optimales Lernfeedback ergibt? Kommen wir zu dem Beispiel mit dem Phosphorzement zurück. Nehmen wir an, eine Auszubildende hat den Zement für eine Unterfüllung zu flüssig angerührt. Dann ist natürlich erst einmal ein sachliches Feedback sinnvoll: „Schau, so kann ich das Material nicht fest in die Kavität hineinstopfen, denn es klebt an meinem Spatel. Ich denke, wir brauchen noch mindestens ein Drittel mehr Pulver.“ Hier erfolgt eine klare Rückmeldung über die Qualität der geleisteten Arbeit direkt verbunden mit dem Hinweis, welche Änderung genau zu erfolgen hat, damit das gewünschte Ergebnis erzielt wird.
Wenn die entsprechende Arbeit das nächste Mal besser geworden ist, wäre ein individuelles Feedback sinnvoll: „Diesmal ist die Konsistenz vom Zement deutlich fester. Er klebt nicht mehr an meinem Spatel, ist aber noch so weich, dass ich ihn noch nicht stopfen kann. Ich denke 10 Prozent mehr Pulver sind noch erforderlich, damit die Masse so fest ist, dass ich sie wirklich gut verarbeiten kann.“ Das bedeutet der Lernfortschritt wird gewürdigt während gleichzeitig die erwünschte Verhaltensänderung und das Zielkriterium erneut beschrieben werden.
Wenn das nächste Mal das richtige Ergebnis erzielt wurde, wäre eine nützliche Formulierung: „Genauso brauche ich den Zement, danke! Das haben Sie diesmal perfekt hingekriegt. Man sieht, dass Sie sehr gut mitdenken und alle Tipps, die wir Ihnen geben, umgesetzt haben. Es macht richtig Freude, mit Ihnen zusammenzuarbeiten!“ Hier sind nun der individuelle Lernfortschritt, das Treffen des Kriteriums und ein positives Feedback fürs Engagement und die Beschreibung des Lernweges zusammengenommen. Derartiges Feedback löst bei Lernenden Zufriedenheit aus. Dadurch werden die entsprechenden, neu geschaffenen neuronalen Verbindungen stabilisiert und die Wahrscheinlichkeit, dass das nächste Mal die gleiche Leistung gebracht wird, steigt. Erfolgt hingegen in dem Moment, in dem die Leistung das erste Mal wirklich perfekt erbracht worden ist, kein positives Feedback, entsteht bei den Lernenden Unsicherheit und sie machen gegebenenfalls weitere Experimente, die dann zu schlechteren Ergebnissen führen. Wenn Mitarbeitende also dabei sind, sich in etwas Neues einzuarbeiten und sich bemühen die richtigen Ergebnisse zu erzielen, ist spezielles lernförderndes Feedback ein geeigneter Ansatz zur schnellen Optimierung der erwünschten Fertigkeiten.
Die Teile 1 und 2 zur Mitarbeitermotivation finden Sie in derzm 6/2022und in derzm 7/2022oder über den QR.