Länder setzen Regelungen unterschiedlich um
Alle in einer Zahnarztpraxis tätigen Personen mussten bis zum 15. März 2022 entweder einen entsprechenden Immunitätsnachweis gegen COVID-19 oder aber ein ärztliches Attest darüber vorlegen, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können. Neueinstellungen sind ab dem 16. März nicht möglich, wenn die neu zu beschäftigende Person keinen entsprechenden Nachweis vorlegt. Die zm hat in den vergangenen Ausgaben bereits ausführlich darüber berichtet.
Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) informieren auf ihren Websites umfassend über die jetzt gültigen Regelungen (siehe QR-Codes). Die BZÄK und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) hatten sich im Februar kritisch zur Einführung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht und zu deren möglichen negativen Folgen für die Patientenversorgung geäußert (zm 5/2022). Kürzlich hat die Vertreterversammlung der KZV Brandenburg eine Resolution beschlossen, in der sie sich gegen die Impfpflicht ausspricht (siehe Kasten). Entscheidend wird jetzt sein, wie die einzelnen Bundesländer die Nachweispflicht umsetzen und deren Einhaltung kontrollieren. Dazu haben die Gesundheitsministerien ihren nachgelagerten Gesundheitsbehörden unterschiedliche Vorgaben gemacht.
NRW gibt einen „Fahrplan“ heraus
In Nordrhein-Westfalen hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) den Kommunen am 18. Februar einen „Fahrplan“ für die einrichtungsbezogene Impfpflicht an die Hand gegeben. Bei einem fehlenden Immunitätsnachweis haben die Praxen demnach bis zum 31. März Zeit, dies dem Gesundheitsamt zu melden. Nach der Meldung nimmt das Amt Kontakt zu der betroffenen Person auf. Wird dann „nach einer angemessenen Frist“ kein Nachweis vorgelegt, kann die Behörde ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot aussprechen. Dabei sollen aber „personenbezogene Aspekte“ (Art der Tätigkeit) und die Versorgungssituation vor Ort Beachtung finden. Konkret: „Um sich über diese und insbesondere über die gesundheitliche und pflegerische Versorgung in der Kommune einen Gesamtüberblick zu verschaffen, ärztliche Nachuntersuchungen durchzuführen und Meldefristen zu gewähren, haben die Kommunen bis 15. Juni 2022 Zeit, die Prüfungen abzuschließen“, heißt es vom MAGS. Das Ministerium geht in Nordrhein-Westfalen von rund 800.000 bis einer Million Beschäftigten aus, die von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffen sind und schätzt, dass noch etwa 50.000 bis 100.000 Menschen in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen nicht über einen vollständigen Impfschutz gemäß § 20a IfSG verfügen.
Hessen setzt auf Impfangebote
In Hessen sind nach Angaben des dortigen Ministeriums für Soziales und Integration insgesamt 247.600 Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern, Arztpraxen oder anderen Gesundheitsberufen von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht erfasst. „Vorliegenden Daten zufolge sind knapp neun Prozent davon, 22.100 Beschäftigte, aktuell nicht geimpft oder haben in entsprechenden Umfragen keine Angabe zu ihrem Impfstatus gemacht“, erklärte das Ministerium am 1. März. Der Verfahrensweg in Hessen ist derselbe wie andernorts: Ungeimpften Beschäftigten soll „durch die stufenweise Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht die Chance gegeben werden, sich zeitnah impfen zu lassen“. Dabei schaffe der Öffentliche Gesundheitsdienst in Hessen „neben den bestehenden Impfangeboten mit Sonderimpfaktionen die Möglichkeit, sich mit dem neuen proteinbasierten Novavax-Impfstoff impfen lassen zu können“. Um den Verwaltungsaufwand gering zu halten, setzt Hessen außerdem auf eine neue digitale Meldeplattform, die am 16. März an den Start gehen soll.
Brandenburg: Verbote als letzte Stufe
Auch in Brandenburg soll ein „Meldeportal § 20a IfSG“ eingerichtet werden. Das Gesundheitsministerium will darüber informieren, sobald es zur Verfügung steht. Bis zum Redaktionsschluss war es noch nicht aktiv. Dort sollen die betroffenen Einrichtungen – auch Zahnarztpraxen – innerhalb von zwei Wochen nach dem 15. März die Personen melden, die keinen Immunitätsnachweis vorgelegt haben. „Gleichzeitig muss die Einrichtungsleitung mögliche Auswirkungen bei Nichteinsatz der beschäftigten Person bewerten“, hieß es am 18. Februar. Diese Bewertung müsse zusammen mit der Meldung erfolgen. Grundsätzlich werde das Gesundheitsamt jede gemeldete Person auffordern, innerhalb von drei Wochen einen entsprechenden Nachweis vorzulegen.
Resolution der KZV Brandenburg gegen die Impfpflicht
Die Vertreterversammlung der KZV Brandenburg sieht durch die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht die Verhältnismäßigkeit nicht gewährleistet und spricht sich gegen Zwangsmaßnahmen aus.
Mit einer Zweidrittelmehrheit hat die Vertreterversammlung (VV) der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Land Brandenburg (KZVLB) eine Resolution beschlossen, die sich gegen die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht wendet. Darin wird die Landesregierung aufgefordert, sich beim Bund für die Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht für das Personal der Zahnarztpraxen einzusetzen. Die Verhältnismäßigkeit einer solch harten Maßnahme, die zu Tätigkeitsverboten und Praxisschließungen führen werde, sei angesichts geringer Hospitalisierungsraten nicht gewährleistet, hieß es am 28. Februar in einer Presseerklärung.
Sven Albrecht, Vorsitzender der VV der KZVLB, sagte: „Die einrichtungsbezogene Impfpflicht triff einen Teil der Zahnarztpraxen in Brandenburg empfindlich. Nicht überall kann der Praxisbetrieb wie gewohnt aufrechterhalten werden, daher setzen wir uns für eine Aussetzung des Gesetzes zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht ein.“
Man befürchte bei einer strikten Anwendung des Gesetzes mit daraus folgenden Arbeitsverboten für ugeimpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass es zu einer Verschlechterung der zahnärztlichen Versorgung und zu ungerechtfertigten Härten für einige, aber dennoch wichtige Angestellte komme. Eine weitere Erhöhung der Impfquote sollte stattdessen durch intensive Aufklärung und Überzeugung erfolgen. Außerdem heißt es in der Resolution: „Zwangsmaßnahmen erachten wir für wenig nachhaltig, um derartige Herausforderungen jetzt und in Zukunft in unserem Fachgebiet zum Wohle unserer Patienten zu meistern.“
Wenn gemeldete Beschäftigte dieser Aufforderung nicht nachkommen, folge eine erneute Aufforderung zur Vorlage eines Nachweises. „Diese Erinnerung soll ein Angebot einer Impfaufklärung, einer Impfung beziehungsweise die Vermittlung eines Impftermins sowie eine Aufklärung über die Konsequenzen einer Nichtvorlage des Impfnachweises beinhalten.“ Parallel zur Aufforderung, innerhalb von drei Wochen einen Nachweis vorzulegen, soll das jeweilige Gesundheitsamt die Versorgungsgefährdung prüfen. Wird eine solche Gefährdung festgestellt, wird für sechs Wochen kein Verfahren zum Betretungs- und Tätigkeitsverbot eingeleitet. In dieser Zeit soll die betroffene Einrichtung Maßnahmen ergreifen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, etwa durch Neueinstellungen, erläutert das Gesundheitsministerium. „Nach Ablauf dieser sechs Wochen muss eine erneute unaufgeforderte Einschätzung der Einrichtung zu den Auswirkungen mit einer detaillierten Begründung erfolgen. In der Regel erfolgt kein weiterer Aufschub“, so das Ministerium weiter. Bereits begonnene Impfserien sollen bei dem Verfahren berücksichtigt werden.
Das Ministerium stellte zugleich klar, dass ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot die letzte Stufe des Verfahrens darstelle und dass Arbeitgeber nach § 20a IfSG keine Verpflichtung haben, ungeimpfte Beschäftigte unmittelbar am 15. März 2022 freizustellen.
„Risikoadaptiertes“ Vorgehen in Sachsen
In Sachsen hat die Versorgungssicherheit oberste Priorität. Auch dort gibt es ein mehrstufiges Verfahren und es gilt: Wenn trotz Anforderung kein Nachweis innerhalb der genannten Fristen vorliegt, kann das Gesundheitsamt ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot aussprechen. „Dies ist risikoadaptiert und der Versorgungssicherheit entsprechend vorzunehmen. Im Ermessen des Gesundheitsamtes ist zu prüfen, welches Infektionsrisiko für vulnerable Personen bei einer fortgeführten Tätigkeit bestehen würde und ob Hinweise auf wesentliche Beeinträchtigungen der Versorgung der Patienten oder Pflegebedürftigen als Folge der Umsetzung des Verbots vorliegen. Dazu ist die Einrichtung anzuhören“, hieß es am 18. Februar vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Bayern vollzieht „mit Augenmaß“
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) erklärte am 1. März, dass seitens des Bundes noch zentrale Fragen offen blieben. „Bayern füllt diese Lücken nun selbst und vollzieht das Gesetz mit Augenmaß.“ Man werde die Impfpflicht in einem gestuften Verwaltungsverfahren umsetzen. „Für Bayern bedeutet dies: Die Einrichtungen melden ab dem 16. März zunächst die noch ungeimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und solche, die keinen gültigen Genesenenstatus oder ein ärztliches Attest bezüglich einer medizinischen Kontraindikation vorgelegt haben. Das Gesundheitsamt gibt diesen Personen dann die Möglichkeit, eine Impfberatung wahrzunehmen und die Entscheidung zu überdenken.“ Auf das Beratungsangebot folge eine förmliche Aufforderung zur Vorlage der gesetzlich festgelegten Nachweise beim Gesundheitsamt. Bleibe dies weiterhin aus, werde ein Bußgeldverfahren eingeleitet. In letzter Konsequenz – aber nur als Ultima Ratio – kann dann ein Betretungsverbot ausgesprochen werden. „Wir rechnen damit, dass aufgrund dieses gestuften Verfahrens eventuelle Betretungsverbote erst ab dem Sommer ausgesprochen werden können“, ergänzte Holetschek. Ziel sei es, noch möglichst viele ungeimpfte Mitarbeitende von einer Impfung zu überzeugen. Dabei setze man auch auf den proteinbasierten Impfstoff von Novavax.
Alle wichtigen Informationen rund die einrichtungsbezogene Impfpflicht finden Sie auf den Websites derBundeszahnärztekammerund desBundesgesundheitsministeriums.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht
Versorgungsdefizit von 15 Prozent als Folge?
Wird im Rahmen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht das Betretungsverbot für ungeimpftes Gesundheitspersonal konsequent umgesetzt, könnte dies zu einem Versorgungsdefizit von durchschnittlich 15,3 Prozent führen. Zu dem Ergebnis kommt eine neue Studie der Alice Salomon Hochschule (ASH) Berlin.
Das hieße, dass in der ambulanten Pflege rund 200.000 (-19,9 Prozent), in Krankenhäusern 2,5 Millionen (-13,1 Prozent) und in der stationären Langzeitpflege 50.000 Menschen (-5,9 Prozent) nicht mehr versorgt werden könnten.
Die Autoren befragten vom 23. Januar bis zum 15. Februar bundesweit gut 1.800 Gesundheitseinrichtungen und -dienste mit fast 130.000 Pflegenden zu Impfquoten und Anzahl der zu versorgenden Menschen vor und nach Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Laut Studie liegt deren Impfquote mit über 82 Prozent über der der Allgemeinbevölkerung.
Gräske, J., Forbrig, T.A. (2022): Mögliche Folgen der Einrichtungsbezogenen Impfpflicht nach § 20a Infektionsschutzverordnung – eine Querschnittserhebung von Einrichtungen nach SGB V und SGB XI. Alice Salomon Hochschule Berlin.