Patientenbewertungen

Was man aus 2-Sterne-Bewertungen lernen kann

Jeder kann auf Google nahezu ungefiltert seine Meinung zu Ärzten abgeben. Das Meyer-Hentschel Institut hat über 1.000 Bewertungen für Haus- und Facharztpraxen analysiert und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet. Denn was Patienten häufig als gut oder als verbesserungswürdig bewerten, kann Praxen zeigen, wo sie richtig stehen und wo sie sich noch entwickeln können.

Es geht vor allem um Freundlichkeit, Respekt und den Faktor Zeit, wenn Patienten sich lobend oder kritisch äußern – und da dies bekanntermaßen im Auge des Betrachters liegt, ist es genau deshalb auch steuerbar. Was noch direkt auffällt, wenn man sich die repräsentative Analyse des Instituts anschaut: Mit 64 Prozent bewerten die meisten Patienten den Arztbesuch mit vier bis fünf von fünf möglichen Sternen als zufriedenstellend bis sehr zufriedenstellend. Oft geben treue Patienten oder jene, die einmal oder mehrmals in ihren Erwartungen übertroffen wurden, solch ein gutes Feedback. Genau diese Rezensenten empfehlen die Praxen dann auch weiter.

Bewertungen im Mittelfeld sind viel geringer, sprich drei Sterne werden selten vergeben. In dieser Range befinden sich eher anspruchsvolle Patienten, die sich die Mühe machen, differenzierter zu urteilen. Diese mittelprächtigen Bewertungen enthalten aber oft wertvolle Anregungen für die Praxen. Schlechte Bewertungen mit einem oder zwei Sternen vergeben mit 36 Prozent deutlich weniger Patienten als gute. Diese unterscheiden sich nicht nur inhaltlich, sondern haben auch ein charakteristisches Merkmal, erkannte das Institut: Meist beziehen sich die Patienten auf ein singuläres Ereignis in der Praxis, das ihre große Unzufriedenheit ausgelöst hat – etwa wenn sie nicht als Notfall eingestuft und erneut einbestellt wurden, ihre Behandlungs- oder Rezeptwünsche nicht erfüllt wurden oder eben die Wartezeit als unverhältnismäßig lang empfunden wurde. Der Ton der 1-Stern-Bewertungen ist oft emotional. Zudem enthalten diese Bewertungen viel häufiger Wörter, die nicht zur Schriftsprache gehören. Das betrifft auch die mitunter unterdurchschnittliche Ausdrucksfähigkeit mit geringeren Deutsch- beziehungsweise Rechtschreibkenntnissen.

Wenn die Leistung stimmt, wird vieles verziehen

Laut Analyse der schriftlichen Bewertungen auf Google sind die meisten Patienten aber fair. Sie akzeptierten beispielsweise eine längere Wartezeit, wenn der Rest stimmte, oder hatten Verständnis für die gestresste MFA, weil sie erkannten, dass deren Job nicht einfach ist.

Hatten Patienten ein akutes gesundheitliches Problem, wertschätzten sie kompetente Hilfe mehr als die kurze Wartezeit oder die Freundlichkeit des Personals. Das war besonders bei Bewertungen von Unfallchirurgen und Orthopäden der Fall.

Die beiden meistgenannten Gründe für gute Bewertungen beruhen auf emotionalen Kriterien: 50,6 Prozent der Patienten äußerten sich lobend, wenn sie die Ärztin oder den Arzt als freundlich, einfühlsam und verständnisvoll erlebt haben. 49,9 Prozent bewerteten das Praxisteam als nett und hilfsbereit. Auf Platz 3 der Zufriedenheitskriterien wurden von 46,5 Prozent die Kompetenz, die Gründlichkeit und das erlebte Engagement des konsultierten Mediziners erwähnt. Für 21,8 Prozent der Bewertenden war positiv erwähnenswert, dass der Arzt sich genügend Zeit nahm.

„Man kann die Bedeutung des Praxisteams für die Gesamtwahrnehmung einer Praxis kaum überschätzen.“ Gundolf Meyer-Hentschel, Inhaber des Meyer-Hentschel Instituts

Hinsichtlich der Unzufriedenheit (Grafik) ist eines der am häufigsten genannten Argumente, dass die Praxis telefonisch schlecht erreichbar ist; 20,7 Prozent bewerteten das als schlecht. In den Kommentaren hieß es dazu „stundenlang besetzt“, „ständig Warteschleife“ oder „nur Anrufbeantworter“. Hier könnte ein digitaler Telefonassistent helfen oder auch ein Online-Terminmanagement-System, schlägt das Institut als Verbesserung vor. Dass das Praxisteam unfreundlich und respektlos war, empfanden 17,6 Prozent der Patienten als abturnend. Dazu zählt etwa, dass das Personal wenig diskret arbeitet. Als Beispiel wurde genannt: Die Mitarbeitenden „sprechen an der Rezeption im Beisein anderer respektlos über Patienten, die gerade die Praxis verlassen haben“. Weiter bewerteten 10,5 Prozent eine vermeintliche Fehldiagnose beziehungsweise Fehlbehandlung als schlecht, waren also mit der fachlichen Kompetenz nicht zufrieden. Manche Patienten versuchten, ihre Bewertungen zu „belegen“, indem sie die Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis miteinander verglichen. Lange Wartezeiten trotz Termin nannten 9,4 Prozent; hier erlebten einige bereits 30 Minuten als zu lang.

Je länger man wartet, desto mehr wird erwartet

In den Tipps des Meyer-Hentschel Instituts lässt sich lesen: Je länger die empfundene Wartezeit, desto höher ist die Erwartung an die Zeit, die dem Patienten anschießend zuteilwird. Hier könnte ein optimiertes Bestellmanagement mit keinen oder eben nur sehr kurzen Wartezeiten zur Verbesserung beitragen. Denn umgekehrt gilt auch: Je kürzer die Wartezeit, desto länger ist das subjektive Erleben der Dauer des Arztkontakts beziehungsweise die Akzeptanz einer kurzen Konsultation. Bei dem Aspekt könnten sich Behandler und Team noch einmal bewusst machen: Je gestresster sie wirken, desto eher fühlt sich ein Patient nicht willkommen oder vermisst eine aus seiner Sicht ausreichende Zuwendung. Verläuft der Praxisbesuch hingehen ruhig, entspannt und die Behandlung möglichst störungsfrei, können aus fünf Minuten Konsultation gefühlt zehn werden und so den Patienten entspannen.

Eine weitere Erkenntnis: Beschäftigt sich das Praxisteam herzlich und ausgiebig mit dem Patienten, laden dessen „emotionale Batterien“ mehr auf und er betritt positiver gestimmt das Behandlungszimmer. Dies liest sich in den Bewertungen hinterher zum Beispiel so: „tolle, entspannte Atmosphäre“ oder „super gemütliche Praxis“. Man kann also auch mit seiner emotionalen Praxisausstattung glänzen.

Insgesamt gab es für Facharztpraxen mehr schlechte Bewertungen (39 Prozent) als für Hausärzte (27 Prozent). Die Gründe dafür liegen aber nicht in der ärztlichen Qualität, sondern bezogen sich laut Analyse auf die Praxisorganisation oder das Personal. So bemängelten die Patienten bei Facharztpraxen vorrangig das unfreundliche Personal. Hier tauchte auch die vermeintliche „Igel-Abzocke“ als Grund auf.

Nutzen Sie die Daten als Verbesserungsvorschlag

Patientenbewertungen haben eine enorme Bedeutung, sind sie doch auf Google sehr prominent platziert und zudem bei der Suche automatisch der Adresse zugeordnet, etwa bei Google-Maps. Im Unterschied zu anderen Arztbewertungsportalen können ihre Patienten ohne Kriterien frei schreiben, was sie meinen. Neben der (un-) erfreulichen Sterne-Vergabe sind die Kommentare gleichzeitig eine große Datensammlung, aus der herausanalysiert werden kann, was Patienten schätzen und was nicht. Ob gut, schlecht oder mittelmäßig – wer die Bewertungen auswertet, kann einiges über das subjektive Erleben seiner Patienten erfahren.

Zur Methodik

Das Meyer-Hentschel Institut aus Saarbrücken/Zürich hat im Juli 2022 eine systematische Analyse von Praxisbewertungen auf Google durchgeführt, dabei benoteten 1.093 Patienten 100 Haus- und Facharztpraxen im gesamten Bundesgebiet. Um die Aussagekraft zu festigen, wurden diese Beurteilungen mit anderen Studien und deren Datensätzen verglichen – etwa dem „Health Care Barometer 2022“ und der Arztbewertungsanalyse der Bewertungsplattform jameda. Fazit: Die Ergebnisse ähneln sich. Zudem bestätigt der Vergleich, dass Google-Bewertungen kein geschöntes Bild der Realität wiedergeben.

Meyer-Hentschel Online World ist spezialisiert auf Webseiten für Freie Berufe, insbesondere Arztpraxen.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.