Angulierte Schraubenkanäle – eine sichere Option?
In der klinischen Praxis kommt es immer wieder zu Differenzen von Implantatachse und Zahnachse. Die Versorgung von nach prothetischen Kriterien nicht optimal inserierten Implantaten ist daher ein wichtiges implantatprothetisches Thema, zu dem es bislang nur wenig Literatur gibt. Eine Arbeitsgruppe unter Führung italienischer Forscher hat nun eine Studie mit einer Nachbeobachtungszeit von drei Jahren vorgelegt.
Aus den Veröffentlichungen der vergangenen Jahre geht der klinische Vorteil einer Verschraubung der Suprakonstruktion deutlich hervor. Stimmten Zahnachse und Implantatachse in bestimmten Grenzen nicht überein, muss jedoch auf die Zementierung der Suprakonstruktion zurückgegriffen werden. Um Implantate trotz der Diskrepanz von Implantatachse und Zahnachse verschrauben zu können, bieten viele Hersteller angulierte Schraubenkanäle an. Es ist jedoch wissenschaftlich noch nicht geklärt, wie sich Restaurationen mit angulierten Schraubenkanälen klinisch verhalten, vor allem im Hinblick auf die mechanische Stabilität und die Auswirkung auf das marginale Knochenniveau.
Material und Methode
Die Arbeitsgruppe um Adolfo Di Fiore der Universität Padua in Italien versuchte diese Fragestellung im Rahmen einer prospektiven Pilotstudie anhand von 37 Patienten im Alter zwischen 34 und 74 Jahren (mittleres Alter 53 Jahre) und 51 Implantaten zu beantworten. Dazu wurden parallelwandige Implantate eines Herstellers im Seitenzahngebiet nach dreidimensionaler Diagnostik (DVT) frei Hand eingesetzt. Die Auswahl der Implantatdimensionen erfolgte anhand des DVTs.
Alle Implantate heilten offen ein und wurden nach vier Monaten weiterversorgt. Dazu wurden konventionelle Abformungen genommen, Modelle erstellt und diese mit einem Laborscanner digitalisiert. Anschließend wurden mittels CAD-Software der angulierte Schraubenkanal (durchschnittliche Neigung 13 Grad, alle zwischen 10 und 20 Grad) konstruiert und entweder Kronen oder Brücken aus monolithischem Zirkonoxid der zweiten Generation hergestellt. Die Restaurationen wurden mechanisch auf den Titan-Klebebasen befestigt, ohne beide Komponenten miteinander zu verkleben. Die Kronen und Brücken wurden dann mit dem vorgeschriebenen Drehmoment von 35 Ncm auf den Implantaten verschraubt und die Schraubenkanäle mit Komposit verschlossen.
Nach 6, 12, 24 und 36 Monaten erfolgten Nachuntersuchungen, bei denen neben der Erhebung klinischer Parameter auch Röntgenbilder angefertigt wurden. Als biologische Zielgröße (primäres Studienziel) der Datenanalyse diente der krestale Knochenverlust ausgewertet anhand standardisierter Zahnfilmröntgenaufnahmen. Als prothetische Komplikationen wurden unter anderem Verblendkeramikfrakturen und Schraubenlockerungen als sekundäre Studienziele dokumentiert. Statistisch wurden die Auswirkungen der Implantatdurchmesser (3,75; 4 und 5 mm), der Implantatlängen (7; 8,5 und 10 mm), der prothetischen Versorgung (Einzelkrone und Brücke), der Gegenbezahnung (Brücke oder natürlicher Pfeiler) und der Angulierung (zwei Gruppen, Angulierung > 15 Grad; Angulierung < 15 Grad) auf die primären und sekundären Studienziele untersucht.
Ergebnisse
Zwei Implantate (jeweils mit einer Einzelkrone versorgt) versagten in den ersten zwölf Monaten, so dass 49 Implantate nachuntersucht werden konnten und die Überlebensrate nach 36 Monaten bei 96 Prozent lag. Insgesamt trat bei zwei Patienten (Einzelkronen) eine Schraubenlockerung auf, ansonsten wurden keine mechanischen oder biologischen Komplikationen festgestellt. Auf das primäre Untersuchungsziel (Knochenniveau) hatten weder Durchmesser noch Länge der Implantate, Restaurationstyp oder Antagonisten und die Angulation des Schraubenkanals einen Einfluss. Der absolut gemessene Knochenverlust nach 36 Monaten war mit 0,1 mm eher im Bereich der Messtoleranzen als in Bereichen, die klinisch relevant erscheinen.
Diskussion
In der Praxis kann es immer wieder zu deutlichen Abweichungen von Implantatachse und Zahnachse kommen. Obwohl das Konzept angulierter Schraubenkanäle bereits seit über zehn Jahren auf dem Markt angeboten wird, existieren immer noch wenig klinische Daten. Insofern ist es sehr erfreulich, wenn auf diesem Gebiet Evidenz generiert wird. Zu den Stärken der Studie gehört das einheitliche, prospektive Protokoll mitsamt der homogenen Kohorte, die durch einen einzigen Behandler versorgt wurde.
In der Auswertung fehlen allerdings einige prothetische Details und Informationen zu den Schraubenlockerungen. Diese Daten hätten Hinweise auf die Gründe des Implantatversagens geben können. Offen bleibt auch, warum die Implantate nicht optimal inseriert wurden, wobei diese Information eher retrospektiv interessant gewesen wäre. Schmerzlicher dagegen wiegt das Fehlen der Patientenzahlberechnung und einer Poweranalyse, denn nur dadurch wird wissenschaftlich klar, ob die Patientenzahl ausreichend zur Beantwortung der Fragestellung war oder die Ergebnisse „zufällig“ so ausgefallen sind. Daher ist diese Untersuchung auch nur als ein erster Aufschlag (Pilotstudie) zu sehen, der weitere, vermutlich auch größer anzulegende Untersuchungen folgen sollten.
Bedeutung für die Praxis
Unter Berücksichtigung der noch kurzen Nachbeobachtungszeit von drei Jahren und den oben beschriebenen Einschränkungen lassen sich folgende Schlussfolgerungen für die klinische Praxis treffen:
Bei nicht optimaler Implantatposition können Restaurationen im Seitenzahnbereich mit angulierten Kanälen verschraubt werden. Eine signifikante Risikoerhöhung für das Implantatüberleben konnte nicht festgestellt werden.
Seitenzahnrestaurationen mit verschraubten Zirkonoxideinzelkronen/Zirkonoxidbrücken zeigten nach drei Jahren keinen messbaren Knochenverlust.
Durchmesser und Länge der Implantate scheinen keinen messbaren Einfluss auf das marginale Knochenniveau zu haben.
Monolithische implantatgetragene Zirkonoxidrestaurationen zeigten nach drei Jahren keine mechanische Komplikationen.
Di Fiore A, Granata S, Monaco C, Stellini E, Yilmaz B: Clinical performance of posterior monolithic zirconia implant-supported fixed dental prostheses with angulated screw channels: A 3-year prospective cohort study. J Prosthet Dent. 2021 Jul 31; S0022–3913(21)00361–9. doi: 10.1016/j.prosdent.2021.06.043. Online ahead of print.