Jede dritte Praxis ist „voll TI-ready“
Die Digitalisierung bestimmt immer mehr den Praxisalltag. 2021 wurden die elektronische Patientenakte (ePA) und die Kommunikation im Medizinwesen (KIM) eingeführt, 2022 folgen die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), das elektronische Rezept (E-Rezept) – auch wenn dessen Einführung jetzt verschoben wurde – und das für die Zahnarztpraxen besonders interessante elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren (EBZ). Zudem steht mit dem TI-Messenger ein neuer Standard für den sicheren Sofortnachrichtenaustausch von medizinischen Daten in den Startlöchern.
Basis für diese Anwendungen ist die TI, die die Akteure im Gesundheitswesen sicher miteinander vernetzt. Auf- und ausgebaut wird die TI von der gematik, die mit dem TI-Atlas jährlich den Fortschritt der Digitalisierung im Gesundheitsbereich aufzeigen will. Der Atlas fußt auf aktuellen Umfrageergebnissen unter Zahnärzten, Ärzten, Apothekern und Versicherten. Mit rund 1.000 eingereichten Fragebögen hatten sich die Zahnarztpraxen besonders intensiv daran beteiligt.
Die Praxen sind bereit, die Patienten auch
Und auch bei der Anschlussquote tun sich die Zahnärzte hervor: 97 Prozent sind an die TI angebunden – so viel wie in keiner anderen Berufsgruppe. Jede dritte Zahnarztpraxis wird von der gematik als „voll TI-ready“ bewertet. Das bedeutet, dass diese Praxen nicht nur alle für die TI erforderlichen Komponenten und Dienste eingerichtet haben, sondern darüber hinaus mindestens eine TI-Anwendung, zum Beispiel die ePA, installiert haben.
Die Zahnarztpraxen sind damit gut vorbereitet. Denn die Umfrage zeigt auch, dass ihre Patienten bereit sind, die TI-Anwendungen stärker zu nutzen. So würden 81 Prozent der befragten Versicherten die ePA und 42 Prozent das E-Rezept grundsätzlich gerne in Anspruch nehmen. Barrieren sind derzeit noch fehlende Informationen sowie Datenschutzbedenken. Die Akteure im Gesundheitswesen äußern sich ähnlich, stehen den Anwendungen der TI aber überwiegend positiv gegenüber.
Die Bedenken bei den befragten Versicherten zeigen sich auch im Versorgungsalltag der Zahnarztpraxen, wo zum Beispiel der E-Medikationsplan (eMP) und der Notfalldatensatz (NFDM) bislang kaum genutzt werden. Zwar erklären die Versicherten eine hohe Nutzungsbereitschaft, die tatsächliche Nutzererfahrung in den Praxen ist aber noch sehr gering.
Die ePA ist die bekannteste Anwendung in medizinischen Einrichtungen. Seit dem 1. Juli 2021 müssen sie alle Arzt- und Zahnarztpraxen in ihrer Praxis unterstützen. Das Bonusheft wird ab diesem Januar in der ePA gespeichert und aktualisiert. Jede dritte Praxis hat das ePA-Modul bereits installiert (und ist somit „voll TI-Ready“), aber auch hier ist die tatsächliche Nutzung noch ausbaufähig, denn sie ist für gesetzlich Versicherte freiwillig. Und diese tun sich damit noch schwer: Lediglich 20 Prozent der Befragten haben angegeben, die ePA überhaupt zu kennen. Allerdings wollen 81 Prozent die ePA grundsätzlich nutzen. Das Potenzial ist also da, was sich dann auch in den Praxen niederschlagen wird. Zudem soll für die ePA anstelle des aktuellen, strikten „opt-in“ künftig das „opt-out“-Prinzip gelten, das heißt, die Versicherten müssen sich nicht mehr aktiv für eine ePA entscheiden.
Das Wichtigste bleibt der Datenschutz
Im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich wird innerhalb der TI laut der Erhebung vor allem der sichere Kommunikationsdienst KIM befürwortet. Das Modul ist wie die ePA ebenfalls in jeder dritten Praxis installiert. KIM ist ein sicherer E-Mail-basierter Dienst, bei dem in einem geschlossenen Nutzerkreis Zahnärzte untereinander oder mit Angehörigen anderer Heilberufe sowie mit Organisationen und Institutionen im Gesundheitswesen (wie Krankenkassen) Daten austauschen können. Der Dienst wird in den Zahnarztpraxen zudem für die eAU und das EBZ benötigt.
Das E-Rezept ist seitens der Versicherten mit knapp 30 Prozent die bislang bekannteste Anwendung und soll das bisherige papiergebundene Verfahren ablösen. Mehr als die Hälfte der unter 40-Jährigen will das E-Rezept auch mit dem Smartphone einlösen und dafür die eigens dafür entwickelte gematik-App verwenden. Mit dem E-Rezept können Zahnarztpraxen ihren Patienten Verordnungen digital übermitteln. Die Versicherten erhalten auf ihrem Smartphone oder als Ausdruck einen Rezept-Code, mit dem sie das E-Rezept in der Apotheke einlösen können. Voraussichtlich Mitte 2022 wird die Anwendung verpflichtend eingeführt, Zahnarztpraxen müssen sie spätestens dann unterstützen können.
Ebenfalls in der zweiten Jahreshälfte 2022 wird es die ersten zugelassenen TI-Messenger auf digitalen Endgeräten geben, die den Sofortnachrichtenaustausch im Gesundheitswesen ermöglichen. Wer will, hat damit eine sichere digitale Ad-hoc-Kommunikation.
In drei Stufen soll zunächst die Kommunikation unter Leistungserbringern ermöglicht werden und in der Folge auch mit den Versicherten, etwa im Rahmen eines Telekonsils. Rund ein Drittel der befragten Zahnarztpraxen steht der Einführung des TI-Messengers laut dem TI-Atlas positiv gegenüber.
Der TI-Messenger wird die erste Anwendung sein, die im Sinne der sogenannten TI 2.0 umgesetzt wird. Mit der TI 2.0 soll die TI als eigenständiges, geschlossenes Gesundheitsnetz abgelöst und nach den Planungen der gematik bis Ende 2025 durch ein Modell ersetzt werden, das von überall aus dem Internet erreichbar ist – und den zurzeit noch zwingend notwendigen Konnektor nicht mehr braucht. Für die Anmeldung an die Dienste der TI werden zusätzlich zu den Smartcards (eGK, HBA und SMC-B) digitale Identitäten und sogenannte Identitätsprovider eingeführt, um auch hier die Nutzung zu vereinfachen.
Die Antworten der befragten Versicherten zeigen trotz bestehender Informationsdefizite und Datenschutzbedenken grundsätzlich eine große Offenheit für die TI-Anwendungen, wodurch es in Zukunft voraussichtlich zu mehr Anwendungsfällen auch in den Zahnarztpraxen kommen wird. Die Zahnarztpraxen, das macht die Umfrage ebenfalls deutlich, sind darauf gut vorbereitet. Vor allem sind sie bereit, die neuen Anwendungen der TI zu nutzen, wenn jene die Praxisabläufe unterstützen und die Versorgung verbessern.
Oliver Khan,
Referent Abteilung Telematik der KZBV und praktizierender Zahnarzt
Als PDF-Dokument finden Sie den TIAtlashier.
Statement der KZBV
„Testen im gematik-Labor reicht nicht!“
„In der Gesamtschau zeigen die Ergebnisse des TI-Atlas das Potenzial der TI und ihrer Anwendungen deutlich auf. Es gilt jetzt die Informationsdefizite der Patienten aufzulösen und die Datenschutzbedenken der Beteiligten aufzugreifen. Patienten und Zahnarztpraxen erwarten, dass die TI und ihre Anwendungen geräuschlos in den Versorgungsalltag integriert werden. Allein auf diese Weise wird die TI zu weitreichender Nutzung und Akzeptanz gelangen. Die Umfrage hat klargemacht, dass Zahnarztpraxen schon jetzt gut auf Innovationen vorbereitet sind. Die KZBV wird weiterhin mit Nachdruck von der gematik und dem BMG fordern, dass nur Anwendungen flächendeckenden Einzug in Zahnarztpraxen halten, wenn diese umfänglich im realen Praxisbetrieb getestet und evaluiert wurden. Dazu genügt das Testen im gematik-Labor nicht.“
Dr. Karl-Georg Pochhammer, stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der KZBV