Hahn im Korb
Weg mit dem Klischee, her mit dem Nachwuchs! Das ist eigentlich nicht nur das Motto des Aktionstags am 28. April, der junge Männer für Gesundheits- und Pflegeberufe begeistern möchte, es gilt ebenso für viele Zahnarztpraxen. Diese drei Herren wissen das längst.
Der Praxischef
„Weg mit dem Stigma Frauenberuf!“
In seiner Praxis, die er inzwischen zu einer der größten des Landes ausgebaut hat, beschäftigt Dr. Stephan Ziegler fast 200 Mitarbeiter. Davon sind 70 Prozent Frauen. Unter den 60 ZFA gibt es immerhin elf Männer. Wie man die für den Job begeistern kann, verrät er hier.
Spielt es für Sie im Behandlungsalltag eine Rolle, ob Ihre Assistenz männlich oder weiblich ist?
Dr. Stefan Ziegler: Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Prinzipiell macht es keinen Unterschied, ob die Assistenz männlich oder weiblich ist, solange diese Person die Behandlungsabläufe kennt und empathisch mit den Patienten umgehen kann.
Und für die Patienten?
Tatsächlich sind einige Patientengruppen sehr erfreut über männliche Unterstützung während der Behandlung. Das betrifft oft ältere Patienten, die sehr offen und positiv über den männlichen Zuwachs sprechen.
Für die Team-Struktur beziehungsweise die Dynamik in der Gruppe?
Wir beobachten, dass unsere männlichen Auszubildenden – wie auch die fertigen ZFAs – eine Bereicherung für das Team sind. Ja, es entstehen neue strukturelle Gemeinschaften, was dem Team gut tut. Ein Beispiel: Wenn ein männlicher Azubi eine besondere Stärke in einem eher technischen Fach hat, gibt er den restlichen Azubis Nachhilfe in der Praxis. Von dieser Stärke profitieren also alle und das schweißt die Mitarbeiter eng zusammen.
Girls‘ & Boys‘Day
Bundesweiter Aktionstag am 28. April
Wenn Ende April der Girls‘ & Boys‘Day stattfindet, ist das die Gelegenheit für Praxen, ihre Türen für den Nachwuchs zu öffnen. Ziel des Aktionstages ist, dass Schülerinnen und Schüler ab der fünften Klasse einen Einblick in Berufe erhalten, sie die möglicherweise interessieren. Das kann eine Gelegenheit sein für Mädels in eher „männliche“ Berufe, und für Jungs in eher „weibliche“ Berufe hineinzuschnuppern. Aktuell gibt es unter den 31.000 ZFA-Azubis nur 800 Männer. Vielleicht kommt bei Ihnen ja der Mitarbeiter von morgen vorbei!
Hier geht es zur Übersichtsseite des Boys‘Days, wo auch die Teilnahme eingetragen werden kann und Infos zu Corona zu finden sind: www.boys-day.de
Hier können sich Praxen für den Aktionstag eintragen: www.boys-day.de/@/OrganizerWizard
Hier können Praxen sich Info-Material zur Aktion kostenlos herunterladen, das sich direkt an Jungs richtet: material.kompetenzz.net/boys-day/unternehmen-institutionen
Der Aktionstag wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Zu den Bündnispartnern gehören auch der Bundesverband der Freien Berufe (BFB), die Bundesagentur für Arbeit und der Deutsche Städtetag.
Wie oder womit könnte man es Ihrer Meinung nach schaffen, den Beruf auch für Männer populärer zu machen und sie für eine Ausbildung zu begeistern?
Der Beruf der oder des ZFA sollte weg von dem Stigma, er sei ein reiner Frauenberuf. Die Praxis sollte aufgeschlossen und offen für Änderungen und auch Vielfalt in Bezug auf die Assistenz sein. Die Bevölkerung ist auch zur Hälfte männlich. Darum passen sie genauso gut ins Team.
In unserer Praxis wird das Thema männlich oder weiblich nicht wirklich thematisiert. Aber wir freuen uns natürlich über jeden männlichen Zuwachs und wir haben insgesamt elf männliche ZFAs (drei davon sind Auszubildende). Männliche ZFAs tendieren öfter dazu, durch Aufstiegsfortbildungen „Karriere“ machen zu wollen – als ZMP, DH und Angestellte im Praxismanagement. Das sind unsere Beobachtungen.
Und wie kann man sie trotzdem oder gerade deshalb langfristig halten?
Ganz einfach: durch Förderung der persönlichen Stärken und Einbeziehung in Team-Entscheidungen. Ein weiterer Aspekt ist die finanzielle Sicherheit, die gilt es zu festigen und zu fördern!
Gilt der Satz „Männliche Azubis absolvieren die ZFA-Ausbildung, um danach Zahnmedizin zu studieren“ noch?
Es macht erfahrungsgemäß keinen Unterschied, ob der/die Abzubildende männlich oder weiblich ist. Wer auf einen Studienplatz wartet und vorher die Ausbildung zur ZFA absolviert, tut dies, um sich aufs Studium vorzubereiten. Gleichwohl ist hervorzuheben, dass Auszubildende, die danach studieren wollen, ein anderes Verständnis für die Ausbildung mitbringen.
Es wäre wünschenswert, wenn da die Zahnärztekammer viel moderner denken würde und mit häufigen Aktionen darauf aufmerksam machen würde, welche Vorteile die Berufe in der dentalen Branche mit sich bringen! Mit Aktionen schon in den Schulen zum Beispiel und mit großen Werbeaktionen im Januar und im Juni – jeweils kurz bevor die Ausbildungssemester losgehen.
Die Fragen stellte Laura Langer.
Der ZFA-Azubi
„Natürlich steche ich als Mann heraus“
Dominik Demski zählt zu den wenigen Männern, die eine ZFA-Ausbildung absolvieren und am Behandlungsstuhl assistieren. Er hat sich ganz bewusst für den Beruf entschieden, weil er mit Menschen arbeiten und sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln wollte. Irgendwann möchte er Praxismanager werden. Hier berichtet er, wie das ist, in einem „Frauenberuf“ zu arbeiten.
Sie haben sich für einen Beruf entschieden, in dem sehr viele Frauen und nur wenige Männer tätig sind. Spüren Sie davon etwas im Praxisalltag oder in der Berufsschule?
Dominik Demski: Im Großen und Ganzen empfinde ich das eher als einen Vorteil, denn als Mann in dieser Berufsgruppe sticht man(n) schon heraus. Frauen gelten ja dem Geschlechterklischee nach als fürsorglich und fleißig, Männer als technik-versierter und pragmatisch. Sowohl die Lehrer als auch die Ärzte haben eine andere Erwartungshaltung an männliche Auszubildende. Das habe auch ich am Anfang gespürt, aber versucht, mit Lernbereitschaft und Fleiß den Erwartungen gerecht zu werden. Und ja, um das Klischee zu bemühen, ich bin technisch versiert und kann Hightech-Geräte mühelos bedienen. Außerdem schleppe ich die schweren Materialkisten fürs Team (lacht).
Was hat Sie denn konkret an dem Ausbildungsberuf gereizt?
Der direkte Umgang mit Menschen. Das war mir in meiner Berufswahl wirklich wichtig. Hinzu kommt natürlich das Interesse an Medizin. Ich wollte keinesfalls in einem Büro versauern. Und die Entwicklungschancen sind auch attraktiv. Das heißt, kein Stillstand über die Jahre.
Was schätzen Sie an der Tätigkeit, was eher weniger?
Mich fasziniert immer wieder wie abwechslungsreich dieser Beruf tatsächlich ist. Die meisten Behandlungen folgen zwar einem routinierten Ablauf, aber da jeder Patient einzigartig ist, kommt da schon Abwechslung rein. Manchmal passiert dann sogar etwas Unvorhersehbares: Ich haben es letztens zum Beispiel geschafft, eine besonders ängstliche Patientin zu beruhigen. Sie wollte dabei meine Hand gar nicht mehr loslassen. Diese Verbindung hat mich richtig gerührt.
Männer in den Praxen
Auszubildende und ZFA:
1.288.962 Auszubildende gab es 2020 insgesamt, darunter 839.766 männliche Azubis.
31.104 davon waren Auszubildende zur/zum ZFA, darunter 825 Männer.
11.142 Ausbildungsverträge zur/zum ZFA wurden neu abgeschlossen, darunter 324 von männlichen Bewerbern (300 in den alten Bundesländern und 24 in den neuen).
Insgesamt liegt der Anteil von männlichen ZFA-Auszubildenden bei 3 Prozent. Jener ist in den vergangenen fünf Jahren allerdings um ein Drittel gestiegen.
5.208 Ausbildungsverträge zur/zum ZFA wurden vorzeitig wieder aufgelöst. Das ergibt eine Lösungsquote von 36,6 Prozent, darunter 195 von Männern.
Übrigens: im Jahr 2020 gehörte der Ausbildungsberuf zur ZFA zu den vier beliebtesten bei Frauen in Deutschland.
Zahnärzte:
Rund 72.500 zahnärztlich tätige Zahnärzte gibt es in Deutschland, 38.570 davon sind Männer.
21.671 Zahnärzte sind in Praxen angestellt, 7.837 davon Männer.
Studierende:
12.725 Personen studieren Zahnmedizin, 4.167 davon sind Männer (32,7 Prozent).
Quelle: Statistisches Jahrbuch 2020/2021 der Bundeszahnärztekammer, Stand: 31.12.2020
Gibt oder gab es Reaktionen auf Ihre Berufswahl aus dem Umfeld?
Die Patienten sind schon oft etwas überrascht, wenn sie mich treffen. Ich werde auch gerne mal für einen Zahnarzt gehalten. Sobald es eine ruhige Minute im Behandlungszimmer gibt, kommen die ersten Fragen zu mir und meinem Job und gelegentlich sogar direkter Zuspruch seitens der Patienten.
Privat habe ich am Anfang oft fragende Blicke wahrgenommen, dazu Kommentare wie „Ich könnte das nicht“ oder „Wie kommt man(n) denn dazu?“. Mich stört das nicht. Ich finde meinen Job aufregend. Aber ich habe Freunde, bei denen vermute ich, dass sie Angst haben, in diesem Beruf als Weichlinge und als nicht männlich genug zu gelten. Das hat in dem jungen Alter sicher auch Einfluss auf die Berufswahl.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Gerade bin ich sehr zufrieden. Die berufliche Zukunft als ZFA ist ja so vielfältig, da kann jeder seine Stärken richtig ausleben. Ich habe viele Fortbildungen mitgenommen, um meine Stärken – ich kann zum Beispiel gut koordinieren, muss aber noch systematischer werden – und meine Schwächen – nicht immer meiner Führungsrolle gerecht zu werden – zu erkennen. Das hat mir immens geholfen, mich auf meine Wunschposition als Praxismanager vorzubereiten.
Haben Sie einen Vorschlag, wie man mehr Männer für den Beruf begeistern könnte?
Meiner Meinung nach ist es von entscheidender Bedeutung, Berufsgruppen nicht mehr nach Geschlechtern zu klassifizieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein 16-Jähriger sich vor seinen Freuden nicht die Blöße geben möchte, in einem „klassischen“ Frauenberuf zu arbeiten. Da müssten endlich die Klischees abgebaut werden. Vielleicht sollte auch stärker das Bewusstsein für die Möglichkeiten der Weiterentwicklung bis hin zur Teamführung gefördert werden.
Die Fragen stellte Laura Langer.
Der Personalmanager
„Männer sind zukunftsorientierter“
Als Personaler hat Christian Schütz oft den ersten und entscheidenden Kontakt mit Bewerbern und späteren Mitarbeitern. Was männliche Anwärter von weiblichen unterscheidet, verrät er hier.
Worauf achten Sie bei den Bewerbern, die sich neben vielen Frauen ins Team eingliedern müssen?
Christian Schütz: In erster Linie ist eine gewisse Menschenkenntnis wichtig. Beim Bewerbungsgespräch ist es relevant herauszufiltern, was für eine Persönlichkeit unser Gegenüber hat. Wenn die erste Einschätzung des Bewerbers mit unserem Bauchgefühl übereinstimmt, dann sind wir gerne bereit ein Ausbildungsverhältnis zu beginnen.
Gibt es nennenswerte Unterschiede zwischen Bewerbern und Bewerberinnen?
Abgesehen davon, dass es von Natur aus weniger männliche als weibliche Bewerber gibt, sind keine nennenswerten Unterschiede zu verzeichnen. Daher sind auch beide gleich gut für den Job geeignet. Das einzig Auffällige wäre, dass männliche Auszubildende zukunftsorientierter sind.
Warum ist der Beruf der ZFA/ZMF/DH so stark mit Frauen assoziiert?
Wenn uns dieses Defizit bekannt wäre, hätten wir eventuell weit mehr männliche ZFA/ZMV/ZMP/DH in der Praxis. Vermutlich hat das etwas mit der früheren Hierarchie zu tun, als die Frau dem Mann zugearbeitet hat, in der Vergangenheit war der Beruf des Zahnarztes eher männlich dominiert. Heute sind es weit mehr Frauen in der Zahnmedizin, was einen Wandel des Denkens zufolge haben könnte.
Was tut die Praxis als Unternehmen, um generell Bewerber zu gewinnen und speziell um Männer anzusprechen?
Wir werben viel mit unseren Azubis! Hinzu kommt, dass unter unseren 20 Auszubildenden drei Männer sind. Diese drei lockern hoffentlich die Beklemmung anderer junger Männer, sich als ZFA zu bewerben. Im Rahmen des jährlich stattfindenden Boys‘Day versuchen wir darüber aufzuklären. Einige Teilnehmer möchten danach ein längeres Praktikum hier bei uns absolvieren. Es tut sich also was!
Fällt Ihnen auf, dass Männer auf andere Aspekte Wert legen als Frauen?
Nein, im direkten Feedbackgespräch sind unter den Auszubildenden, egal ob männlich oder weiblich, die Aspekte recht ähnlich gestrickt.
Die Fragen stellte Laura Langer.