GKV-Finanzgesetz: Fatale Folgen für die Mundgesundheit drohen
Trotz massiver Kritik von zahlreichen Seiten hat das Bundeskabinett jüngst den Entwurf für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) beschlossen. Änderungen zum Referentenentwurf, zu dem die Vertreterversammlung der KZBV Anfang Juli in Dresden eine einstimmige Resolution verabschiedete, gab es kaum. Man muss es in aller Deutlichkeit sagen: Mit den im Gesetzentwurf vorgesehenen drastischen Vergütungskürzungen und Budgetierungen sind die Weichen für gravierende Leistungskürzungen mit erheblichen Folgen für die Patientenversorgung gestellt. Die geplanten Maßnahmen im zahnärztlichen Bereich sind weder sachgerecht noch in irgendeiner Form verhältnismäßig. Sie werden fatale Folgen für die Mund- und Allgemeingesundheit der Versicherten haben.
Mehrfach und direkt im Anschluss an die Kabinettssitzung hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bekräftigt, dass mit dem Gesetz keine Leistungskürzungen verbunden seien. Das ist eine riesige Augenwischerei, mit der der Minister die GKV-Versicherten hinters Licht führt. Es ist doch völlig klar, dass in einer budgetierten Gesamtvergütung, wie sie der Regierungsentwurf vorsieht, die erst kürzlich freigegebenen notwendigen Finanzmittel für neue Leistungen und insbesondere die neue Versorgungsstrecke bei der Parodontitis-Therapie massiv gekappt würden. De facto werden damit dringend notwendige Leistungen, auf die die Versicherten neuerdings einen Rechtsanspruch haben, durch die Hintertür wieder gestrichen.
Man muss es sich noch einmal vor Augen führen: Erst mit Wirkung zum 1. Juli 2021 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss im Konsens und mit Genehmigung des Gesundheitsministeriums in Kenntnis der dafür erforderlichen Finanzmittel eine bahnbrechende Richtlinie zur Bekämpfung der großen Volkskrankheit Parodontitis beschlossen. Wir haben es ja schon umfassend dargestellt, aber um es noch einmal zu betonen: Für die Mund- und Allgemeingesundheit der Bevölkerung stellt die neue Parodontitis-Versorgungsstrecke einen Quantensprung dar. Unbehandelt ist Parodontitis die häufigste Ursache für vermeidbaren Zahnverlust. Die Erkrankung steht im Zusammenhang mit schweren Allgemeinerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes und stellt ein Risiko für Schwangere, demenzielle Erkrankungen und schwere Verläufe bei Infektionen mit dem Coronavirus dar. Der Behandlungsbedarf in Deutschland ist extrem hoch: Jeder zweite Erwachsene leidet an einer behandlungsbedürftigen Parodontitis.
Umso erfreulicher war es, dass wir es nach jahrelanger Sisyphos-Arbeit in der gemeinsamen Selbstverwaltung geschafft haben, diese als Leuchtturmprojekt der zahnmedizinischen Versorgung gefeierte Innovation, die auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen einer modernen Parodontaltherapie beruht, auf den Weg zu bringen. Es sind also alle Voraussetzungen vorhanden, um die zahnmedizinische Versorgung in Deutschland auf ein ganz neues, besseres Niveau zu heben. Stattdessen werden dieser neuen Versorgungsstrecke mit dem geplanten Gesetz die Grundlage entzogen und die Menschen faktisch ihres Leistungsanspruchs beraubt. Die finanziellen Mittel für die erforderlichen Behandlungen waren eingeplant und beschlossen und dürfen jetzt nicht durch die kalte Küche wieder einkassiert werden. Das ist unverantwortlich und darf nicht verschwiegen oder beschönigt werden.
Und eins ist auch offensichtlich: Von diesem dilettantischen Gesetz ist natürlich nicht nur die zahnärztliche Versorgung betroffen. Selten war der Widerspruch durch die verschiedenen Versorgungsbereiche so einhellig und so groß wie bei diesem Gesetz. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spifa haben sich ebenso kritisch zu Wort gemeldet wie der AOK-Bundesverbund und der GKV-Spitzenverband. Tenor: Das Gesetz ist mit heißer Nadel gestrickt, handwerklich schlecht gemacht und löst strukturell weder mittel-, noch langfristig die finanziellen Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung.
Da Minister und Bundesregierung vor diesen drohenden Realitäten offenbar die Augen verschließen, ist jetzt das Parlament gefordert, in die Bresche zu springen und die notwendigen Korrekturen am Gesetzentwurf vorzunehmen. Wir als KZBV-Vorstand werden jedenfalls nicht ruhen, bis dieses unsägliche Gesetz wieder vom Tisch ist.
Einen Beitrag zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz finden Sie im Anhang.