Infektionsschutz in der Zahnarztpraxis

Orale Manifestationen der Affenpocken: Was Zahnärzte wissen sollten

Sameh Attia
,
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Hans-Peter Howaldt
,
Sebastian Böttger
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Verbreitung der Infektionen mit dem Affenpockenvirus zur „Notlage von internationaler Tragweite“ erklärt. Inwieweit dieser Schritt die tatsächliche Situation adäquat widerspiegelt – darüber sind sich die Experten aktuell nicht einig. Da die Affenpocken sich aber vielfach durch orale Manifestationen zeigen, ist die Beschäftigung mit diesem Thema auch unter dem Aspekt des Infektionsschutzes in Zahnarztpraxen empfehlenswert – Beschäftigte im Gesundheitswesen werden als Hochrisikogruppe eingestuft.

Im Mai 2022 kam es zu einem Ausbruch von Affenpocken (AP) in mehreren Regionen, in denen diese Erkrankung sonst nicht endemisch ist. Dies hat zu intensiven Untersuchungen auf nationaler und internationaler Ebene geführt, um die Infektionsquellen und die Übertragungsmuster besser zu verstehen [ECDC, 2022].

Es handelt sich um eine klassische Zoonose, die Pocken-ähnliche Symptome hervorruft und in den vergangenen Jahren eine erhebliche epidemiologische Veränderung durchgemacht hat. Der ursprüngliche, ortsgebundene Übertragungsweg vom Affen auf den Menschen wurde durch eine zwischenmenschliche Übertragung, auch außerhalb Afrikas, verdrängt. Dies fordert vor allem den Sektor des Gesundheitswesens [Bunge et al., 2022]. Affenpocken sind eine meldepflichtige Erkrankung. Von den Zentren für die Bekämpfung von Infektionskrankheiten in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union werden Beschäftigte im Gesundheitswesen als Hochrisikogruppe eingestuft [CDC, 2021; ECDC, 2022].

In Deutschland wurden die ersten Fälle von Affenpocken noch im Mai 2022 identifiziert. Bis zum 16. August 2022 wurden insgesamt 3.186 Affenpockenfälle aus allen 16 Bundesländern ans Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt. Die Übertragungen der Erkrankung erfolgten bei diesem Ausbruch nach derzeitigen Erkenntnissen in erster Linie im Rahmen von sexuellen Aktivitäten, insbesondere bei Männern, die sexuelle Kontakte mit anderen Männern hatten. Bislang sind nur sieben Erkrankungsfälle von Frauen in Deutschland übermittelt worden. Bis auf zwei Jugendliche handelt es sich bei den Erkrankten um Erwachsene [RKI, 2022].

Die Affenpockeninfektion kann von Mensch zu Mensch durch engen Kontakt mit einer infizierten Person übertragen werden. Die Übertragung kann durch direkten Kontakt mit dem Ausschlag, durch Atemwegssekrete oder durch Gegenstände, die zuvor mit einer infizierten Person in Kontakt gekommen sind, erfolgen [Peters et al., 2022]. In Anbetracht des engen Kontakts zwischen Arzt und Patient in der zahnärztlichen Praxis sollte das Risiko einer Krankheitsübertragung durch die Verbreitung von Aerosolen aus der Atemluft nicht unterschätzt werden [CDC, 2021].

Vergrößerte Lymphknoten sind ein Warnsignal

Wir führten eine Literaturrecherche in Ovid MEDLINE®, Embase und Google Scholar unter Verwendung einer Kombination von Schlüsselwörtern („monkeypox OR smallpox OR orthopoxvirus“ AND „oral manifestations OR enanthem* OR oral mucosa“) durch, um die Evidenz zu mit Affenpocken verbundenen oralen Manifestationen zu untersuchen (Tabelle 1). Der klinische Verlauf der Affenpocken beim Menschen beginnt mit einem Prodromalstadium, das durch Fieber, Unwohlsein und Kopfschmerzen gekennzeichnet ist. Dieses dauert – ähnlich wie bei den Pocken – bis zu vier Tage. Die Symptome fallen jedoch in der Regel milder aus als bei echten Pocken [McCollum & Damon, 2014]. Im Unterschied zu den Pocken gilt zudem die Lymphadenopathie als charakteristisches Symptom der Affenpocken beim Menschen. Sie tritt im Prodromalstadium in den submandibulären, facialen, zervikalen und inguinalen Lymphknoten auf und zeichnet sich durch feste und schmerzhaft vergrößerte Lymphknoten aus [Formenty et al., 2010; Ježek et al., 1988]. Die eruptive Phase beginnt in der Regel innerhalb von ein bis drei Tagen nach dem Auftreten von Fieber und geht vorwiegend vom Gesicht aus. In Ausnahmefällen können die Hautausbrüche auch an den Unterarmen beginnen [Ježek et al., 1987]. Die Hautexantheme breiten sich in einem zentrifugalen Muster aus und entwickeln sich von Maculae über Papeln, Bläschen und Pusteln bis hin zu Krusten [McCollum & Damon, 2014].


Enantheme der Mundschleimhaut können in mehr als 70 Prozent der Fälle auftreten und wurden bei gegen die Erkrankung nicht geimpften Patienten häufiger festgestellt als bei geimpften (73 Prozent beziehungsweise 37 Prozent; p. < 0,001). Sie wurden zudem bei primär durch Tiere infizierten Patienten häufiger als bei sekundär durch Menschen infizierten Patienten beobachtet (74,8 Prozent beziehungsweise 56,2 Prozent; p. < 0,001) [Ježek et al., 1988; Ježek et al., 1987]. Die schmerzhaften oralen Enantheme können zu einer Dysphagie und schließlich zu einer Dehydrierung der Erkrankten führen [Huhn et al., 2005; Moore & Zahra, 2022]. In einem kürzlich publizierten Fallbericht der Universität Köln wurde bei einem 51-jährigen HIV-positiven Patienten eine Ulzeration am Mundwinkel als erstes Zeichen der Infektion mit Affenpocken festgestellt (Abbildung) [Schlabe et al., 2022].

Übertragungsrisiko durch kontaminierten Speichel 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte sich des Risikos einer zwischenmenschlichen Übertragung durch engen Haut- oder Schleimhautkontakt und kontaminierte Speicheltröpfchen bewusst sein müssen. Außerdem müssen sie nach einer ungeschützten Exposition Maßnahmen der Selbstisolation und der behördlichen Meldung einleiten. Die RKI-Empfehlungen für das Management von Kontaktpersonen zu einer an Affenpocken erkrankten Person sind zusammengefasst in Tabelle 2 [RKI, 2022].


Die früher durchgeführte Immunisierung gegen das Pockenvirus führt auch zu einer Immunisierung gegen das Affenpockenvirus, so dass bei Bedarf eine Immunisierung mit solchen Impfstoffen (zum Beispiel Imvanex /Jynneos®) erfolgen kann [Rao et al., 2022]. In Anbetracht der geringen Herdenimmunität vor allem der jüngeren Generationen gegen die echten Pockenviren, die auf die Einstellung der Massenimpfungen gegen die Pocken zu Beginn der 1980er-Jahre zurückgeht, kann aktuell keine flächendeckende Immunität gegen Affenpocken in der deutschen Bevölkerung angenommen werden. Da die Infektionen in Deutschland bislang zu 99,8 Prozent durch Männer mit homosexueller Orientierung verursacht werden, sollte in der Anamnese bei Patienten mit entsprechenden Mundschleimhautveränderungen ein mögliches Risikoverhalten offen angesprochen werden.

Bei Verdachtsfällen und entsprechend positiver Anamnese sollten die Richtlinien und Schutzmaßnahmen analog zu den COVID-19-Protokollen zur Anwendung kommen, um Infektionen in der Praxis zu vermeiden. Die empfohlene persönliche Schutzausrüstung (PSA) besteht aus einem Schutzkittel, Einweghandschuhen, einem mindestens dicht anliegenden Mund-Nasen-Schutz (MNS) beziehungsweise einer Atemschutzmaske sowie einer Schutzbrille und einer Kopfbedeckung (Haube). Bei der direkten Versorgung von Patienten mit bestätigter oder vermuteter Affenpockeninfektion müssen gemäß den Arbeitsschutzvorgaben mindestens FFP2-Masken getragen werden [RKI, 2022].

Die Diagnose einer Affenpockeninfektion wird durch einen Abstrich von einer aktiven Läsion bestätigt. In der Regel werden Hautläsionen untersucht. Wenn die oralen Läsionen der Affenpocken der Entwicklung des Hautausschlags vorausgehen, kann die Analyse dieser Läsionen zur Beschleunigung der Diagnose beitragen [Peters et al., 2022]. 

Literaturliste


Bunge, E. M., Hoet, B., Chen, L., Lienert, F., Weidenthaler, H., Baer, L. R., & Steffen, R. (2022). The changing epidemiology of human monkeypox—A potential threat? A systematic review. PLOS Neglected Tropical Diseases, 16(2), e0010141. doi.org/10.1371/JOURNAL.PNTD.0010141

CDC. (2021, July 16). Transmission. Monkeypox . www.cdc.gov/poxvirus/monkeypox/transmission.html

ECDC. (2022, May 20). Epidemiological update: Monkeypox outbreak. Newsroom. www.ecdc.europa.eu/en/news-events/epidemiological-update-monkeypox-outbreak

Formenty, P., Muntasir, M. O., Damon, I., Chowdhary, V., Opoka, M. L., Monimart, C., Mutasim, E. M., Manuguerra, J. C., Davidson, W. B., Karem, K. L., Cabeza, J., Wang, S., Malik, M. R., Durand, T., Khalid, A., Rioton, T., Kuong-Ruay, A., Babiker, A. A., Karsani, M. E. M., & Abdalla, M. S. (2010). Human Monkeypox Outbreak Caused by Novel Virus Belonging to Congo Basin Clade, Sudan, 2005. Emerging Infectious Diseases, 16(10), 1539. doi.org/10.3201/EID1610.100713

Huhn, G. D., Bauer, A. M., Yorita, K., Graham, M. B., Sejvar, J., Likos, A., Damon, I. K., Reynolds, M. G., & Kuehnert, M. J. (2005). Clinical Characteristics of Human Monkeypox, and Risk Factors for Severe Disease. Clinical Infectious Diseases, 41(12), 1742–1751. doi.org/10.1086/498115

Ježek, Z., Grab, B., Szczeniowski, M., Paluku, K. M., & Mutombo, M. (1988). Clinico-epidemiological features of monkeypox patients with an animal or human source of infection. Bulletin of the World Health Organization, 66(4), 459. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2491168/

Ježek, Z., Szczeniowski, M., Paluku, K. M., & Mutombo, M. (1987). Human Monkeypox: Clinical Features of 282 Patients. The Journal of Infectious Diseases, 156(2), 293–298. doi.org/10.1093/INFDIS/156.2.293

McCollum, A. M., & Damon, I. K. (2014). Human Monkeypox. Clinical Infectious Diseases, 58(2), 260–267. doi.org/10.1093/cid/cit703

Moore, M., & Zahra, F. (2022). Monkeypox. StatPearls. www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK574519/
Peters SM, Hill NB, Halepas S. Oral manifestations of monkeypox: A report of two cases. Journal of Oral and Maxillofacial Surgery. 2022 Aug 6.

Rao AK, Petersen BW, Whitehill F, Razeq JH, Isaacs SN, Merchlinsky MJ, Campos-Outcalt D, Morgan RL, Damon I, Sánchez PJ, Bell BP. Use of JYNNEOS (Smallpox and Monkeypox Vaccine, Live, Nonreplicating) for Preexposure Vaccination of Persons at Risk for Occupational Exposure to Orthopoxviruses: Recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practices - United States, 2022. MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2022 Jun 3;71(22):734-742. doi: 10.15585/mmwr.mm7122e1. Erratum in: MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2022 Jul 08;71(27):886. PMID: 35653347; PMCID: PMC9169520.

RKI (2022, August 08) Internationaler Affenpocken-Ausbruch: Fallzahlen und Einschätzung der Situation in Deutschland Stand: 9.8.2022
www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Ausbruch-2022-Situation-Deutschland.html;jsessionid=899196AB9B4A13DE6D4AB9A1DB8EEC4C.internet061

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www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Kontaktpersonen_PDF.pdf

RKI (2022,August 08) Empfehlungen des RKI zu Hygienemaßnahmen im Rahmen der Behandlung und Pflege von Patienten mit einer Infektion durch Affenpockenviren in Einrichtungen des Gesundheitswesen Stand: 19.7.2022
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Hygiene.html;jsessionid=899196AB9B4A13DE6D4AB9A1DB8EEC4C.internet061?nn=2386228

Schlabe S, Isselstein J, Boesecke C: Ulcer at corner of mouth as first sign of infection with monkeypox virus. Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 511. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0274

Torres-Urquidy, M. H. (2019). Biosurveillance and Dentistry BT - Integration of Medical and Dental Care and Patient Data (A. Acharya, V. Powell, M. H. Torres-Urquidy, R. H. Posteraro, & T. P. Thyvalikakath (eds.); pp. 207–219). Springer International Publishing. doi.org/10.1007/978-3-319-98298-4_12

PD Dr. Sameh Attia

Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum GießenKlinikstr. 33, 35392 GießenSameh.Attia@dentist.med.uni-giessen.de

Dr. Abanoub Riad

Abteilung für Public Health, Medizinische Fakultät, Masaryk-UniversitätŽerotínovo nám. 617/9,601 77 Brno (Brünn), Tschechische Republik 

Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Howaldt

Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum GießenKlinikstr. 33, 35392 Gießen 

Dr. Dr. Sebastian Böttger

Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum GießenKlinikstr. 33, 35392 Gießen

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