Weitere europäische S3-Leitlinie in Vorbereitung

Prävention und Therapie periimplantärer ­Erkrankungen

In den Jahren 2020 und 2022 hat die European Federation of Periodontology (EFP) weltweit beachtete S3-Leitlinien zur Therapie der Parodontitis in den Stadien I–III und dann auch IV vorgestellt. Aktuell wird nun eine S3-Leitlinie zur Prävention und Therapie periimplantärer Erkrankungen entwickelt – unter maßgeblicher Mitgestaltung deutscher 
Expertinnen und Experten aus den Bereichen Parodontologie, Implantologie und Prothetik. Dazu hatte die EFP vom 
6. bis zum 9. November 2022 zum Clinical Guideline Workshop ins spanische La Granja geladen.

Dentale Implante haben unsere Möglichkeit, fehlende Zähne prothetisch zu ersetzen, erheblich erweitert und sind seit vielen Jahren eine bewährte Therapieoption bei teilbezahnten oder zahnlosen Patienten. Allerdings ist mit der zunehmenden Häufigkeit von mit Implantaten versorgten Patienten auch die Prävalenz von biologischen Komplikationen an Implantaten (periimplantäre Erkrankungen wie Mukositis bei circa 40 Prozent der Patienten und Periimplantitis bei circa 20 Prozent der Patienten) erheblich angestiegen. Dabei wird die periimplantäre Mukositis als (reversible) Vorstufe der Periimplantitis angesehen und das Management der Mukositis gilt als primäre Prävention der Periimplantitis.

Anders als bei der Volkskrankheit 
Parodontitis, wo wir auf jahrzehntelange Erfahrungen und eine sehr solide Evidenzbasis aus klinischen Studien zurückgreifen können, ist die wissenschaftliche Evidenz zur Prävention und Therapie periimplantärer Erkrankungen teilweise noch recht dünn und es besteht kaum Konsens bezüglich 
der Behandlungskonzepte. Therapien bei fortgeschrittener Periimplantitis sind oftmals nicht erfolgreich und deshalb kommt der Prävention und Früherkennung eine besondere Bedeutung zu. Auch weil Implantate häufig bei 
Patienten zur Anwendung kommen, bei denen Zähne aufgrund von Parodontitis entfernt und durch Implantate ersetzt wurden, befanden die EFP und das EFP-Workshop-Komitee, es sei an der Zeit, bisher vorgeschlagene Konzepte auf den Prüfstand zu stellen und Empfehlungen für die Praxis zu 
erarbeiten.

Unter bewährter Moderation der AWMF-Expertin Prof. Ina Kopp aus Marburg (AWMF - Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland) haben 71 Teilnehmer aus 21 Ländern (davon zehn Expertinnen und Experten aus Deutschland und der Schweiz, Abbildung) in vier Arbeitsgruppen Aspekte der Prävention und Therapie peri­implantärer Erkrankungen in den unterschiedlichen Phasen der Implantattherapie diskutiert.

Themen der Arbeitsgruppen waren:

  • Periimplantäre Gesundheit und Prävention (geleitet von Iain Chapple und Søren Jepsen): Hier wurden auf Basis einer systematischen Übersicht Möglichkeiten der „primordialen“ Prävention (vor Implantatinsertion) und der „primären“ Prävention (während und nach Implantatinsertion) erörtert. Unter anderem wurde die Bedeutung einer abgeschlossenen PAR-Therapie einschließlich der UPT sowie der Kontrolle von Risiko­faktoren (Mundhygiene, Rauchen und Diabetes mellitus), aber auch der richtigen Implantatpositionierung und Zugänglichkeit für Mundhygiene und Nachuntersuchungen diskutiert. Anhand einer zweiten systematischen Übersicht [Stiesch, Grischke et al., Hannover] wurde die Evidenzlage zur „sekun­dären“ Prävention (Maßnahmen, um nach der Therapie stabile periimplantäre Verhältnisse aufrechtzuerhalten) analysiert. Dabei ging es insbesondere um die Inhalte und die Frequenz der individuellen unterstützenden Implantatnachsorge.


  • Management der periimplantären Mukositis (geleitet von Mariano Sanz und Anton Sculean): Basierend auf drei systematischen Übersichten [darunter eine der 
Autoren Dommisch, Hoedke et al., Berlin] wurden Möglichkeiten des Managements der Mukositis durch mechanische Instrumentierung allein oder ergänzt durch adjuvante chemische Methoden (wie zum Beispiel Antiseptika oder photodynamische Therapie) beziehungsweise durch adjuvante lokale oder systemische Antibiotika evaluiert.

  • Nicht-chirurgisches Management der Periimplantitis (geleitet von David Herrera, Moritz Kebschull und Maurizio Tonetti): Ebenfalls drei Übersichtsarbeiten [darunter eine von Cosgarea et al., Bonn] dienten als Hintergrund zur Bewertung von mechanischen/physikalischen Verfahren zur Dekontamination der Implantatoberfläche beziehungsweise der adjuvanten chemischen Dekontamination oder aber der Verwendung von Lasern, photodynamischer Therapie, Probiotika und lokaler oder systemischer Antibiotikagabe im Rahmen der nicht-chirurgischen Therapie.


  • Chirurgische Therapie der Peri­implantitis (geleitet von Tord Berglundh, Panos Papapanou und Frank Schwarz): Fünf Übersichten hatten die Gruppenarbeit vorbereitet. Diese 
befassten sich mit resektiven chirur­gischen Verfahren zur Taschenbeseitigung, mit Verfahren zur periimplantären Knochenrekonstruktion, der mechanisch/physikalischen Implantatoberflächendekontamination [Ramanauskaite, Schwarz et al., Frankfurt], der chemischen Dekontamination und der adjuvanten lokalen oder systemischen Antibiotikatherapie begleitend zur chirurgischen Periimplantitis-Therapie.


Auf der Grundlage einer kritischen Evidenzbewertung durch diese 13 systematischen Reviews und der gesammelten Fachexpertise wurde ein Stufenplan entwickelt, der am Zeitpunkt während der Therapiestrecke (vor, während und nach Implantation) und am klinischen Erscheinungsbild (periimplantäre Gesundheit, periimplantäre Mukositis und Periimplantitis entsprechend der Klassifikation von 2018) ausgerichtet ist. Im strukturierten Konsensusverfahren wurden über 50 Empfehlungen zu primordialer, primärer und sekundärer Prävention sowie zur Therapie verabschiedet. Die neue S3-Leitlinie soll im Frühjahr 2023 im Journal of Clinical Periodontology publiziert werden. Die deutsche Implementierung wird anschließend durch die DG PARO im Konsensverfahren erneut unter Beteiligung aller interessierten deutschen wissenschaftlichen Fachgesellschaften, der Organisationen des Berufsstands und der Patientenvertreter durchgeführt werden. Zu erwarten ist, dass die Ergebnisse helfen werden, die Prävention und Therapie periimplantärer Erkrankungen deutlich zu verbessern, um so der erheblich zunehmenden Krankheitslast durch periimplantäre Infektionen/Entzündungen begegnen zu können.

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