„Das EBZ hat bei der Digitalisierung eine Schlüsselposition"
Seit dem 1. Januar ist das Elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren (EBZ) in den Zahnarztpraxen verpflichtend. Was bringt ihnen die Anwendung? Das fragten wir den stellvertretenden KZBV-Vorsitzenden Martin Hendges und die Vorsitzende des Verbands Deutscher Dental-Software Unternehmen (VDDS), Sabine Zude.
Herr Hendges, am 1. Januar wurde das EBZ „scharfgeschaltet“. Wie zufrieden sind Sie mit dem Start?
Hendges: Wir haben hier ein gelungenes Beispiel dafür, wie gute Digitalisierung jenseits der herkömmlichen Telematikinfrastruktur geht. Das EBZ bietet viele Vorteile, sowohl für den Berufsstand als auch für Patienten und Kassen. Zu den Benefits zählen Zeitersparnis, eine schnellere Genehmigung, die weitgehende Vermeidung von Medienbrüchen, eine sichere Datenübertragung und -verarbeitung sowie eine optimierte Terminplanung.
Die zahlreichen positiven Rückmeldungen aus diesen Praxen unterstreichen, dass wir auf einem guten Weg sind, eine praxistaugliche Anwendung für die Digitalisierung im Gesundheitswesen als Vorreiter voranzubringen. Viele Praxen konnten in den vergangenen Monaten vielfältige Erfahrungen mit der Anwendung sammeln und haben aufgrund der Schnelligkeit und Einfachheit vollständig auf das EBZ umgestellt. Bis Anfang Januar wurden bereits etwa 900.000 Anträge elektronisch versendet und von den Kostenträgern beschieden.
Worauf führen Sie den erfolgreichen Start zurück?
Hendges: Das Verfahren wurde in Eigeninitiative gemeinsam mit den Krankenkassen aufgesetzt und ist eine unmittelbar aus der Versorgung heraus konzipierte Anwendung, zielgenau zugeschnitten auf die besonderen Anforderungen von Zahnarztpraxen. Die gematik war bei der Entwicklung und Umsetzung dieses Projekts nicht beteiligt. Das EBZ wurde vielmehr in einer engen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit von den Bundesmantelvertragspartnern – also der KZBV und dem GKV-Spitzenverband – unter Beteiligung der PVS-Hersteller entwickelt und getestet.
Starttermin des Echtbetriebs in den Zahnarztpraxen war der 1. Juli 2022. Zuvor lief bereits seit dem 1. Januar die sogenannte Pilotphase mit Praxen, die sich dafür zur Verfügung gestellt haben und das elektronische Verfahren intensiv mit echten Antragsfällen getestet haben. Der Echtbetrieb wurde also erst eingeführt, nachdem die Anwendung EBZ ausreichend mit Praxen, Kassen und PVSen erprobt und technische Startschwierigkeiten weitestgehend beseitigt worden waren. Im Gegensatz zu anderen digitalen Verfahren war ein „Reifen der Anwendung in der Praxis“ nicht nötig.
Martin Hendges, Stellvertretender Vorsitzender der KZBV
Wie wurde die Praxistauglichkeit des Systems für Zahnärztinnen und Zahnärzte sichergestellt?
Hendges: Bei der Anwendung wurde großen Wert daraufgelegt, nicht allein Papierformulare zu digitalisieren, sondern die komplette Verfahrensstrecke so aufzusetzen, dass die Genehmigungs- und Dokumentationsprozesse verbessert werden. Zugleich sollen Bürokratie und kleinteilige Arbeitsschritte im Praxisalltag nach Möglichkeit reduziert oder effizienter bewältigt werden. Besonderes Augenmerk haben wir daraufgelegt, möglichst alle Anwendungsfälle in der Zahnarztpraxis zu berücksichtigen und zugleich die technische Umsetzbarkeit zu gewährleisten. Daher wurden die PVS-Hersteller von Beginn an umfassend mit in das Projekt einbezogen.
Frau Zude, wie kommt das EBZ aus Sicht der PVS-Hersteller in den Praxen an? Was spiegeln Ihnen die Anwender zurück?
Zude: Das EBZ wird von den Praxen sehr gut angenommen. Es ist die erste Anwendung, die eine echte Win-win-win-Situation darstellt. Das Verfahren bringt einen Nutzen für Patienten, die nicht mehr persönlich den Plan zur Kasse bringen müssen. Die Kostenträger profitieren wiederum von hohen Einsparungen bei den Personalkosten, da ein Großteil der Genehmigungen nicht mehr von Menschenhand ausgeführt werden muss, sondern von der jeweiligen Krankenkassen-Software. Die Praxen haben eine bessere Patientenbindung, weil die Genehmigung viel schneller vorliegt. Sie sparen weiterhin auch Materialkosten ein, etwa für Toner, Papier und Briefmarken, und haben zugleich einen erheblichen Zeitvorteil durch nicht mehr benötigte Ausdrucke und den Online-Versand von Unterlagen.
Die Antworten der Kassen kommen mitunter in nur wenigen Minuten in der Praxissoftware an – zur Freude des Praxisteams. Sehr geschätzt wird zudem von den Praxen, dass die Antworten automatisch den richtigen Plänen zugeordnet und diese elektronisch in der Praxissoftware archiviert werden. Auch eine Bonuskorrektur wird automatisch vermerkt, so dass entsprechende Übertragungsfehler entfallen.
Sabine Zude, Vorsitzende des Verbandes Deutscher Dental-Software Unternehmen e.V.
In welchen Behandlungsbereichen kommt das EBZ zum Einsatz?
Hendges: Seit dem 1. Januar 2023 müssen mit Start der für alle Zahnarztpraxen verpflichtenden Einführungsphase in den Leistungsbereichen Zahnersatz (ZE), Kiefergelenkserkrankungen/Kieferbruch (KG/KB) und Kieferorthopädie (KFO) alle Anträge und offiziellen, verfahrensimmanenten Mitteilungen der Praxen elektronisch an die Krankenkassen übermittelt werden. Die Kassen werden ihre Genehmigungsentscheidungen ebenfalls nur noch auf elektronischem Weg an die Praxen senden. Die Umstellung im Bereich der Parodontalerkrankungen soll aufgrund der Änderungen, die die neue PAR-Richtlinie mit sich gebracht hat, verpflichtend zum 1. Juli 2023 folgen. Bis dahin kann – sofern der Softwarehersteller noch kein EBZ-Verfahren für den PAR-Bereich anbietet – bei PAR-Behandlungen noch das herkömmliche Papierverfahren angewendet werden.
Wie gehen Praxen damit um, wenn es bei der Umsetzung zu technischen Problemen kommen sollte?
Hendges: Besonders im ersten Jahr der Umstellung können technische Probleme etwa bei der KIM-Erstinstallation nicht völlig ausgeschlossen werden. Deshalb darf in dieser Phase bei unverschuldeten technischen Störfällen auf das papiergebundene Verfahren – also den Versand des ausgedruckten elektronischen Antrags – zurückgegriffen werden. Auf Grundlage der Erkenntnisse aus der Einführungsphase kann das Verfahren im Anschluss erstmals evaluiert und mit den Kassen darüber beraten werden, inwieweit Ersatzverfahren künftig erforderlich sind und wie diese ausgestaltet werden.
Frau Zude, bei den Praxen kommt die bisherige Umsetzung der TI nicht gut an. Was läuft aus Ihrer Sicht beim EBZ besser als bei der Einführung von TI-Anwendungen wie der ePA?
Zude: Die KZBV und der VDDS haben bereits Mitte 2021 in einem Rundschreiben die Praxen über das neue EBZ-Verfahren informiert und um Mithilfe geworben. Durch die gemeinsame Arbeit der KZBV, des GKV-SV und des VDDS waren die PVS-Hersteller frühzeitig in das Projekt involviert und konnten mit Zwischeninformationen „ihre“ Praxen informieren. Sowohl die KZVen als auch die VDDS-Hersteller haben eine Reihe von Informationsveranstaltungen und Schulungen, etwa in Form von Online-Seminaren angeboten, so dass die Praxen die Gelegenheit nutzen konnten, sich über unterschiedliche Kanäle bedarfsgerecht zu informieren.
Die übrigen TI-Anwendungen wie das VSDM, NFDM, E-Rezept und eAU haben nicht gerade Begeisterung in den Zahnarztpraxen ausgelöst, da der Nutzen dieser Anwendungen eher den Kassen (VSDM) und der Ärzteschaft (NFDM, E-Rezept und eAU) zugutekommt. Der Abgleich der eGK-Versichertenstammdaten mit den gespeicherten Daten der Krankenkassen führt zu einem erhöhten Zeitaufwand, der in der Praxis eher als Nachteil wahrgenommen wird. Auch von den weiteren Anwendungen profitieren Zahnärztinnen und Zahnärzte eher wenig, da in der Regel nur wenige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Rezepte ausgestellt werden. Die ePA hat derzeit bei den Versicherten noch keine Relevanz - die meisten Versicherten haben davon noch keine Kenntnis und haben diese folglich auch noch nicht beantragt. Wir sehen hier die Krankenkassen in der Pflicht, ihre Versicherten stärker aufzuklären.
Frau Zude, wenn Sie auf die Zukunft der Digitalisierung des Gesundheitssystems blicken — was wünschen Sie sich konkret und wie wollen Sie sich weiter einbringen?
Zude: Der VDDS wirbt bereits seit Einführung des ZE-Datenträgeraustauschs damit, dass die DTA-Abrechnung der Praxis online zur KZV gesendet werden kann. Bei den Ärzten ist das sogenannte Verfahren der 1-Klick-Abrechnung bereits seit Jahren etabliert. Der VDDS steht hierfür gerne zur Verfügung, um technisches Know-how einzubringen. Ein weiteres Thema, das der VDDS ebenfalls schon länger thematisiert – auch in der Politik – ist eine Lösung für Entbürokratisierung. Hier reden wir etwa über die Unterschrift der Patienten. Leider wurde mit Einführung der eGK versäumt, auf dieser die Unterschrift des Patienten zu hinterlegen, was vieles vereinfacht hätte.
Herr Hendges, gibt es eine Kostenbeteiligung der Kassen, was die Anschaffung der PVS-Module angeht?
Hendges: Die Krankenkassen beteiligen sich an den Kosten der Erstausstattung mit 25 Millionen Euro. Aus diesem Topf gibt es für alle Praxen, die spätestens zum 1. Januar 2023 angeschlossen sind – ab dann ist die Teilnahme verpflichtend – für bestellte und genutzte Fachmodule einen Erstattungsbetrag. Das gilt auch für Praxen, die im Laufe der Einführungsphase neu in die Versorgung kommen.
Welchen Stellenwert hat das EBZ bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens für den Berufsstand?
Hendges: Zahnarztpraxen haben seit Einführung der TI schon zu lange auf einen spürbaren Mehrwert der Digitalisierung warten müssen. Bislang wurden vorrangig Anwendungen umgesetzt, mit denen weder die Praxen von Bürokratie entlastet werden, noch die Patientenversorgung verbessert wird. Auch von Patientinnen und Patienten selbst werden diese Anwendungen noch wenig genutzt und spielen daher in der Versorgung eine bislang untergeordnete Rolle.
Dabei wurden seitens der KZBV die grundlegenden politischen Forderungen des Berufsstands in Sachen Digitalisierung schon lange klar und eindeutig formuliert: Digitale und technische Innovationen müssen zeitlich, wirtschaftlich und organisatorisch umsetzbar sein und zugleich für die Patientenversorgung einen erkennbaren Mehrwert entfalten. Dazu müssen die Berufswirklichkeit und die Belange der Anwender konsequent in den Blick genommen werden.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die Digitalisierung muss für Heilberufe substanzielle Erleichterungen und Entlastungen im Versorgungsalltag mit sich bringen, etwa bei organisatorischen und administrativen Aufgaben. Zahnärztinnen und Zahnärzte hätten dann mehr Zeit für ihre Patienten. Beim weiteren Ausbau der digitalen Infrastruktur für die zahnärztliche Versorgung kommt dem EBZ nun eine Schlüsselposition zu. Es ist sicher nicht übertrieben, hier von einem Leuchtturmprojekt zu sprechen.
Das Gespräch führte Sascha Rudat.