Jetzt müssen Taten folgen!
Nachdem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Dezember 2021 sein Amt angetreten hatte, konnte man den Eindruck gewinnen, er habe nur ein Leib- und Magenthema: Die Corona-Pandemie. Dass Sie mich nicht falsch verstehen: Die Bekämpfung einer Pandemie gehört natürlich zu den vorrangigen Aufgaben eines Gesundheitsministers. Gleichwohl gibt es aber bekanntermaßen noch eine ganze Reihe anderer Probleme im Gesundheitswesen, die es anzupacken gilt. Und viele werden nicht kleiner oder verschwinden gar, wenn man sie liegen lässt – im Gegenteil: Manche Probleme wachsen innerhalb kürzester Zeit derart, dass es kaum noch möglich ist, ihrer Herr zu werden. So geschehen beim Einfluss von Finanzinvestoren auf die deutsche Patientenversorgung.
1.430 Medizinische Versorgungszentren gibt es in der zahnärztlichen Versorgung derzeit in Deutschland, 27 Prozent davon sind investorengetragene MVZ (iMVZ) – Tendenz steigend. Zum Vergleich: Vor Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes im Jahr 2015 belief sich die Zahl der MVZ in Deutschland auf gerade einmal 28. Dieses explosionsartige Wachstum und das große Interesse von versorgungsfremden Investoren lassen sich nur dadurch erklären, dass es anscheinend viel Geld mit MVZ zu verdienen gibt.
Der von der KZBV seit Jahren angemahnte politische Handlungsbedarf, den auch die Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder einstimmig sehen, wird nun offenbar auch vom Bundesgesundheitsminister erkannt. In gewohnt markigen Worten hat er den Finanzinvestoren plötzlich den Kampf angesagt: „Profitorientierte Ketten von Arztpraxen feiern wahrscheinlich ihr letztes schönes Weihnachten. Schon bald kommt das Ende. Weniger Gier, mehr Menschlichkeit braucht unser Gesundheitssystem“, verkündete der SPD-Politiker vollmundig pünktlich zum Weihnachtsfest via Twitter. Und in der Wochenzeitung „Die Zeit“ ergänzte er: „Bislang beobachten wir, dass internationale Firmen zum Beispiel Praxen in der Augenheilkunde, von Zahnärzten und in der Dialyse übernehmen, um damit Geld zu machen. Das müssen wir dringend unterbinden. Wir wollen keine Investoren-Medizin. Medizin ist eine Fürsorge auf Grundlage der Wissenschaft. Keine Ware des Kapitalismus.“
Man möchte sich verwundert die Augen reiben ob dieses deutlichen Bekenntnisses. Bereits unter Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn hat die KZBV regelmäßig vor den Gefahren, die von den iMVZ auf die Patientenversorgung ausgehen, gewarnt. Wir haben es aber nicht bei mahnenden Worten belassen, sondern sie mit detaillierten Analysen und Gutachten sachlich untermauert. Denn die Zahnärzteschaft hat schon früh das drohende Unheil erkannt, wurde aber teilweise dafür nach dem Motto belächelt: „Der Markt regelt das schon, Hauptsache, es wird versorgt.“ Inzwischen hat auch die Ärzteschaft die Gefahren erkannt, wie die jüngsten Forderungen der Bundesärztekammer belegen.
Die Forderung ist klar: Der Zustrom großer Finanzinvestoren und Private Equity über den Aufkauf von meist kleinen und maroden Krankenhäusern und der damit einhergehenden Möglichkeit zur Gründung von iMVZ muss gestoppt werden. Wenn überhaupt sollten Krankenhäuser künftig nur dann innerhalb eines bestimmten räumlichen Einzugsbereichs um das Krankenhaus herum berechtigt sein, zahnärztliche MVZ zu gründen, und nur, wenn sie auch schon vorher einen fachlichen Bezug zur zahnärztlichen Versorgung hatten. Neben dieser räumlich-fachlichen Gründungsbeschränkung braucht es dringend mehr Transparenz im Investoren-Dickicht.
Erklärtes Ziel muss sein, die grassierende Kommerzialisierung der Gesundheitsversorgung nachhaltig zu unterbinden. Hier ist nun eindeutig der Gesetzgeber gefragt, umgehend regulatorisch tätig zu werden. Gut, dass dies der Minister endlich erkannt hat und medienwirksam ins Zentrum seines „Weihnachtsinterviews“ mit der BILD-Zeitung gesetzt hat.
Diesen Ankündigungen müssen jetzt konsequent Taten folgen und gesetzliche Regelungen auf den Weg gebracht werden. Wir dürfen gespannt bleiben
Dr. Wolfgang Eßer
Vorsitzender des Vorstandes
der Kassenzahnärztlichen
Bundesvereinigung