Ein Blick in die KFO vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute
Die Sammlung zeigt eine ganze Reihe vom Instrumenten und Apparaturen vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute. Manchen Betrachter mögen die Objekte an Folterinstrumente erinnern. Wenige Exponate stammen noch aus der Zeit vor der Jahrhundertwende, so ein Zugbalken nach Edward Hartley Angle (1855—1930) aus dem Jahr 1889.
Das Gros der Sammlung können nur Patienten sehen
Die komplette Sammlung ist leider nicht öffentlich, allerdings können Besucher einen kleinen Teil in einem zugänglichen Gang im Nordflügel des Gebäudes dann doch sehen. Die vier Vitrinen sind der LMU zufolge „dem Herstellungsprozess diverser herausnehmbarer Geräte mit speziellen aktiven und Halteelementen sowie neueren festsitzenden Apparaturen gewidmet“. So sieht man eine Drahtbogenapparatur aus dem Jahr 2002 (straight-wire), die an High-Tech-line-Brackets befestigt ist.
Der größere Teil der Sammlung befindet sich in einem sehr großen Raum mit Behandlungsstühlen. Da hier Patienten beraten und untersucht werden, ist der Bereich für Besucher nicht zugänglich.
Kieferorthopädie in München
Erst nach 1948 bekam die Kieferorthopädie an der LMU München eine eigene Fachvertretung. Zuvor waren Diagnostik und Therapie den verschiedenen Sparten in der Zahnmedizin zugeordnet. Auch die Lehre wurde von anderen Fachleitern — etwa der Prothetik und der Zahnerhaltung — übernommen. Als Prof. Dr. Arnulf Stahl (1924—2008) 1978 die Führung der Poliklinik übernahm, erweiterte er die funktionskieferorthopädische Ausrichtung seines Faches um die aus den USA stammenden Technik der „festsitzenden Apparate“, was damals eine Pioniertat war. Die Gründung der Lehrsammlung geht auf Stahl zurück. Der Aufbau einer eigenen Sammlung scheint in der Rückschau nur zu logisch, ist die Zahnklinik der LMU München doch die größte in Deutschland. Stahl brachte den Grundstock der Sammlung von seiner vormaligen Wirkungsstätte, der Universität Heidelberg, mit.
Hier sind die Exponate in Wandvitrinen und in einer freistehen Vitrine ausgestellt. Letztere zeigt Kopfverankerungen mit Zugbändern unter anderem zur Behandlung der Progenie. In einer Glasvitrine befindet sich ein Gesichtsbogen aus der Mini-Serie des Pforzheimer Medizintechnikherstellers Forestadent mit Druckknopf-Verstellung, der an einem Elastikzug an der Hochzug-Kopfverankerung befestigt ist. Zu sehen sind auch eine Interlandi-Instant-Fit-Kopfverankerung mit 2-J-Haken für den Ober- und Unterkiefer der Firma American Orthodontics und eine Umkehr-Gesichtsbogen-Apparatur nach Potpeschnigg-Delaire, ebenfalls von Forestadent.
Strahlenhandschuhe sollten vom Daumenlutschen abhalten
Ein ganz besonders Exponat ist der erste, 1936 in Deutschland entworfene, individuell einstellbare Kopfhalter für die kieferorthopädische Kephalometrie, der von der Firma Siemens-Reiniger produziert wurde. Sein Konstrukteur war der Zahnmediziner Prof. Dr. Gustav Korkhaus (1895—1978), der an der Universität Bonn lehrte und die dortige nach ihm benannte Zahnmedizinische Sammlung aufgebaut hat. Von Korkhaus stammt auch ein dreidimensionaler Zirkel. Außerdem sieht man Messgeräte zur Analyse von Kiefermodellen, wie ein Symmetrograf mit Zeichengerät. Zu den Objekten zählen auch Vorbissplatten, Aktivatoren, Gebissformer, Kinetoren oder Bionatoren.
Ausgestellt ist auch eine Zwillingsbogen-Maschine nach Johnson von 1932. Der Zwillingsbogen auf der Basis von Chrom-Nickel-Stahl wurde 1937 von Joseph E. Johnson (1888—1960) entwickelt. Weitere kieferorthopädische Geräte sind ein Profil-Registriergerät nach Gerlach und Dental D aus Orthodontic Acetalyc elastischen thermoplastischen Kunststoff hergestelltes nach Set-up der Zähne durch Injektionsdruck. Interessant sind auch ein Löthalter nach Elliot oder die Russka-Strahlenhandschuhe, die Kinder vom Daumenlutschen abhalten sollten.
Modelle kieferorthopädischer Anomalien
Die Ausstellungsvitrinen zeigen auch Gerätschaften zum Sockeln sowie Fixiervorrichtungen für Kiefermodelle zur Produktion von funktionskieferorthopädischen Instrumenten und eine Auswahl von historischen festsitzenden Apparaturen.
Sollte der ein oder andere Patient einen Blick auf die Vitrinen werfen, entdeckt er Gipsmodelle kieferorthopädischer Anomalien oder ärztlicher Fehlbehandlungen. Angst den eigenen Fall dort zu sehen, muss man nicht haben, denn aktuelle Fälle werden nicht präsentiert.