Notfallordner, Patientenakten und digitales Erbe

Vorbereitet für den Ernstfall

LL
Wenn man als Chef plötzlich schwer erkrankt, verunfallt oder stirbt, kann es den Hinterbliebenen sehr helfen, wenn Verantwortung, Vermögen und Organisation so weit wie möglich geklärt sind und die Unterlagen dazu bereitliegen.

Vorsorge kann im Ernstfall die Abwicklung der Praxisangelegenheiten und Zuständigkeiten extrem erleichtern. Daher ist es ratsam, rechtzeitig einen sogenannten Notfallordner anzulegen und sich um die Einteilung von Zuständigkeiten zu kümmern. Die Landeszahnärztekammern helfen in der Regel bei Fragen und stellen Informationen sowie Vorlagen online zur Verfügung.

1. Der Notfallordner

In diesen Ordner gehören vor allem Vollmachten sowie das Testament und die Patientenverfügung. Auch weitere Dokumente wie Versicherungen, Verträge und Mitgliedschaften sollten hier zu finden sein. Ein Überblick.

Die Unternehmervollmacht

Soll die Praxis weiterbestehen, muss der Chef eine Unternehmervollmacht ausfüllen und dem Ordner beifügen. Sie ermächtigt eine Person des Vertrauens anstelle des Praxisinhabers unternehmerisch handeln zu dürfen. Die Vollmacht kann zeitlich befristet oder unbefristet, widerruflich oder unwiderruflich oder auch an eine Bedingung geknüpft werden. Der Virchowbund weist darauf hin, dass es wichtig ist, den Willen möglichst genau zum Ausdruck zu bringen und den Umfang der Vollmacht klar zu definieren. Zu lose Formulierungen könnten zu Zweifeln beziehungsweise unklaren Kompetenzen führen.

Die Kontovollmacht

Bankvollmachten für Geschäfts- und Privatkonten funktionieren wie die Unternehmervollmacht nur dann, wenn der Praxisinhaber nicht mehr geschäftsfähig ist. Sie können beispielsweise im Fall einer gemeinsamen Praxis dem Praxispartner ausgestellt werden – gegebenenfalls auch nur für ein bestimmtes Bankkonto. Achtung: Banken akzeptieren oftmals keine Generalvollmacht, sondern nur deren eigene Formulare. Es ist also sinnvoll, mit der Bank vorab zu klären, wie die Vollmacht ausgestaltet sein muss. Auch eine Zusammenstellung aller Einzugsermächtigungen, SEPA-Mandate, Daueraufträge inklusive Kündigungsfristen ist ratsam.

Sollte der Fall eintreten, dass bestimmte geschäftliche Angelegenheiten nicht mehr vom Inhaber selbst geregelt werden können, kann eine Vertrauensperson damit beauftragt werden. Diese kann dann Bank- oder Versicherungsgeschäfte erledigen oder, wenn notwendig, einen Vertrag mit einem Pflegeheim abschließen.

Fehlt diese Vorsorgevollmacht, wird laut Virchowbund ein gerichtliches Betreuungsverfahren eingeleitet – auch dann, wenn Angehörige vorhanden sind. Denn diese müssen erst durch das Gericht zum Betreuer bestellt werden. Eine ordnungsgemäß erstellte Vorsorgevollmacht kann demnach die Einleitung des Verfahrens verhindern.

Die Patientenverfügung

Die Patientenverfügung ist ein personalisiertes Dokument und legt die eigenen Wünsche zur medizinischen Behandlung für den Fall fest, dass keine eigenverantwortlichen Entscheidungen mehr getroffen werden können. Dazu zählt etwa in bestimmten Situationen die Ablehnung von lebensverlängernden Maßnahmen und Eingriffen.

Die gesetzliche Regelung der Patientenverfügung sieht vor, dass eine Patientenverfügung schriftlich verfasst und durch Namensunterschrift eigenhändig oder durch ein von einem Notar beglaubigtes Handzeichen unterzeichnet werden muss. Allerdings ist niemand an seine schriftliche Patientenverfügung ein für alle Mal gebunden. Die Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden, erklärt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und bietet Textbausteine sowie einen Ratgeber zur Anfertigung online an. Es wird geraten, die Verfügung regelmäßig zu überprüfen und eventuell anzupassen. Sie sollte unbedingt für Hinterbliebene auffindbar sein, bestenfalls ist gar ein behandelnder Arzt von deren Existenz in Kenntnis gesetzt.

Die Betreuungsverfügung

Dann gibt es noch die Betreuungsverfügung, mit der bestimmt werden kann, wer zum Betreuer im Krankheitsfall bestellt werden soll – und wer nicht. Weiter kann ein bevorzugter Wohnsitz im Fall einer Betreuung festlegt werden. Gut zu wissen: Der Vorteil ist, dass die Betreuungsverfügung nur dann Wirkung entfaltet, wenn sie tatsächlich erforderlich wird. Textvorlagen für die Vorsorgevollmacht, die Patientenverfügung, die Betreuungsverfügung und die Bankvollmacht bietet das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz.

Das seit Ende 2021 geltende Notvertretungsrecht für Lebenspartner oder Ehegatten gilt übrigens nur für medizinische Angelegenheiten, nicht für finanzielle oder unternehmerische. Es ist insgesamt auf sechs Monate beschränkt.

Das Testament

Immer dann, wenn von der gesetzlichen Erbfolge abgewichen werden soll, braucht es ein Testament zur Abwicklung rechtlicher Angelegenheiten. Darin kann festgelegt werden, wer die Praxis erbt. Achtung: Der Erbe übernimmt dann auch die Verantwortung für die Aufbewahrung der Patientenakten.

Im Zusammenhang mit dem Testament kann auch eine Bestattungsverfügung verfasst und somit festgelegt werden, wo und wie die Beisetzung erfolgen soll.

2. Aufbewahrung der Patienten­akten

Kommt es vor dem Ablauf der Aufbewahrungsfristen zum Tod des Praxisinhabers, sind grundsätzlich die Erben in der Pflicht. Nehmen sie das Erbe an, müssen sie auch dafür Sorge tragen, dass die Akten weiterhin sicher aufbewahrt werden. Die rechtlichen Vorgaben dafür bleiben dieselben. Gibt es keinen benannten oder gesetzmäßigen Erben, muss der Staat die Aufbewahrungspflicht übernehmen. Das wäre, je nach Unterlagen, auch das Gesundheits- oder Ordnungsamt.

Aber in Baden-Württemberg und weiteren Ländern ist im Heilberufe-­Kammergesetz (§ 4 Abs. 1) festgelegt, dass auch die Kammern sozusagen „letzte Instanz“ für die Aufbewahrung von Patientenakten sind: „Sie haben Patientenunterlagen für die Dauer der Aufbewahrungspflicht in Obhut zu nehmen und den Patienten Einsicht zu gestatten, sofern dies nicht durch das verpflichtete Kammermitglied oder dessen Rechtsnachfolgerin oder -nachfolger gewährleistet ist. Gegenüber den Verpflichteten besteht in diesem Fall ein Anspruch auf Erstattung der Kosten, welche im Zusammenhang mit der Aufbewahrung der Patientenakten entstehen. Die Kammern können andere Kammermitglieder oder Dritte mit der Erfüllung dieser Aufgabe betrauen, des Weiteren können die Kammern gemeinsame Einrichtungen zur Erfüllung dieser Aufgabe errichten oder nutzen“, heißt es darin.

Zur Erinnerung: Patienten­unterlagen entsorgen

Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist müssen die Unterlagen vernichtet werden. Papierakten gehören dabei keinesfalls in die Altpapiertonne. Sie müssen Datenschutz-konform vernichtet werden, etwa in einem speziellen Shredder oder einem abgeschlossenen Container. Wichtig ist, dass es unmöglich ist, die Daten wiederherzustellen. Die DIN 66399 enthält die Vorgaben zur Entsorgung, gestaffelt nach Sicherheitsstufen, erklären der Virchowbund und die LKZ Baden-Württemberg.

Auch bei der Entsorgung digitaler Daten muss die DSGVO beachtet werden. Bei Festplatten und anderen elektronischen Datenträgern reicht einfaches Löschen der Daten entsprechend nicht aus. Denn auch gelöschte Daten lassen sich oft wiederherstellen. Empfohlen wird daher, sich an einen zertifizierten Entsorger zu wenden. Die Google-Suche bringt hier Infos und lokale Adressen.

Unterlagen zu Immobilien und Darlehen

Um das Praxiserbe vorab möglichst vollständig zu klären, gehören auch Unterlagen zu Immobilien, Darlehen und alle Informationen für den eventuellen Weiterbetrieb der Praxis in den Notfallordner. Dieser enthält also im Idealfall außerdem Informationen über:

  • die private Vorsorge und Absicherungen (wie zum Beispiel Lebensversicherung)

  • Versicherungen (für Praxis und private)

  • Kreditverträge inklusive Hypothekenurkunden

  • Arbeitsverträge

  • Abos und Leasingverträge

  • Mitgliedschaft bei Zahnärztekammer, KZV und Versorgungswerk

  • Mitgliedschaft in Verbänden und Vereinen (beruflich und privat)

  • Immobilienverzeichnis: Miet­vertrag für Wohnung und Praxis

  • Mitarbeiterverzeichnis mit Tätigkeitsbeschreibung

  • Kontaktdaten der Angehörigen und Dienstleister im Notfall (zum Beispiel Anwalt und Steuerberater)

  • Wichtige Accounts, Zugänge und Passwörter

Sind die Unterlagen zusammengestellt, müssen Angehörige und gegebenenfalls auch der Partner in der gemeinsamen Praxis über den Notfallordner informiert werden. Es gibt auch die Möglichkeit, die beglaubigten Dokumente gegen eine kleine Gebühr im Zentral­register der Bundesnotarkammer zu hinterlegen. Die Unterlagen sollten jährlich und eventuell mit einer vertrauten Person auf Stand gebracht werden. Bei Praxisgemeinschaften erfolgt die Überprüfung der gemeinsamen Verträge mit den Partnern, erinnert die Bayerische Landeszahnärztekammer. LL

Zwischen praktischer Lösung und Persönlichkeitsrechtsschutz

Man muss heute auch daran denken, seine digitalen Angelegenheiten zu regeln. Darunter fallen digital verwaltete Konten, Verträge, Log-ins, Telekommunikationsverträge sowie eigene Websites und Blogs. Wie das geht, erklärt Rechtsanwältin Rebecca Richter im Interview.

Was sollte der Chef oder die Chefin für den Ernstfall vorbereitet haben?

Rebecca Richter: Er oder sie sollte eine Liste aller Accounts erstellen, die unter das „digitale Erbe“ fallen, und die Passwörter dazu auf einem noch einmal extra Passwort-gesicherten USB-Stick sammeln und diesen an einem sicheren Ort deponieren. Danach sollte man eine Vertrauensperson auswählen, die den Ort und das Passwort kennt. Um diese Person rechtlich zu ermächtigen, über das digitale Erbe zu verfügen und diesen USB-Stick zu nutzen, gibt es die Möglichkeit einer postmortalen Vollmacht. Damit erfolgt die Bevollmächtigung, die Daten im Fall des Todes zu verwenden. Dafür muss diese Person übrigens nicht selbst Erbe sein.

Rechtsanwältin Rebecca Richter, spezialisiert auf Medien- und Datenschutzrecht

Wie stellt man das am besten an?

Abseits des Weges über den USB-Stick bieten auch Anbieter Hilfe an, die das digitale Erbe ersichtlich und verfügbar machen. Hier empfehle ich Praxis­inhabern, sich unter dem Stichwort „Anbieter digitale Nachlassverwaltung“ ein Unternehmen zu suchen.

Müssen diese Vorkehrungen in irgend­einer Form juristisch geklärt sein?

Es gibt zwei mehr oder weniger praktikable Lösungen, wie man das digitale Erbe oder die Verfügungsmacht darüber regeln kann: So kann es eine Regelung des digitalen Erbes mittels Testament geben. Das sollte es auch, um Interessenkonflikte der Erben zu vermeiden. Dafür sollte man sich bestenfalls fachlichen Rat einholen und einen Rechtsanwalt beziehungsweise Notar kontaktieren.

Oder man regelt das digitale Erbe über die postmortale Vollmacht für die Vertrauensperson — wie erwähnt. Das ist eine gute und viel praktischere Variante, um einen schnellen Zugriff auf die Accounts zu gewährleisten. Merken muss man sich dabei, dass geldwerte Inhalte dieser Accounts trotz Zugriffsmöglichkeit in die Erbmasse fallen. Man verfügt als Bevollmächtigter lediglich über die Zugänge und Verträge der jeweiligen Accounts.

Was passiert, wenn keine wichtigen 
Passwörter hinterlegt wurden, man die Daten und den Zugriff aber benötigt, um die Praxisauflösung oder das Erbe abzuwickeln?

Wenn hinsichtlich des digitalen Erbes nichts veranlasst wurde, kann es sein, dass erst nach langer Zeit offiziell durch beispielsweise einen Gerichtsbeschluss der Zugang durch den Account-Anbieter gewährt wird oder es entsteht Streit unter den Mitgliedern der Erbengemeinschaft.

Wichtig zu wissen: Das digitale Erbe kann man zweigeteilt sehen. Auf der einen Seite gibt es digitale Inhalte, wie in Social-Media-Accounts, die etwas mit dem Persönlichkeitsrecht zu tun haben, und auf der anderen Seite digitale Inhalte, wie Accounts bei einem Online-Broker, die nichts mit der Persönlichkeit zu tun, sondern einen Vermögenswert haben.

Die meisten Social-Media-Anbieter und -Accounts, die das Persönlichkeitsrecht betreffen, gehen gerade aufgrund des höchstpersönlichen Persönlichkeitsrechtsschutzes nicht auf den Nachfolger über. Plattformen verwehren den Zugriff dann auf offiziellem Weg. Oftmals wird der Account auch in einen Gedenk-Account umgewandelt, auf den weiterhin kein Zugriff auf private Nachrichten möglich ist. Unproblematischer sind die digitalen Inhalte, die einen Vermögenswert besitzen.

Das Interview führte Laura Langer.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.