Irre, irrer, IDS
Die Idee, die eigenen Dentalprodukte mit denen anderer Hersteller aus Europa und der Welt an einem gemeinsamen Ausstellungsort zu präsentieren, geht auf den Verband der Deutschen Dental-Fabrikanten (VDDF) zurück. Mit seiner Gründung im Juni 1916 wollten 34 Unternehmer einen neuen Weg finden, sich Märkte zu erschließen, Kunden zu finden und Kontakte zu knüpfen.
Bis die erste Dental-Schau ihre Pforten öffnete, vergingen allerdings noch sieben Jahre. Und es fanden sich nur 29 Aussteller im Berliner Zoo ein – nach dem Ersten Weltkrieg war die Leistungsfähigkeit der Industrie einfach begrenzt. Die 350 m² Ausstellungsfläche waren für damalige Zeiten dennoch enorm. Diese erste Veranstaltung fanden Aussteller und Publikum offenbar so interessant, dass sie sich von da an jährlich bis 1928 trafen. Nach und nach kamen auch internationale Aussteller dazu. Aus einem nationalen Treffen wurde ein internationaler Leistungsvergleich der Dentalhersteller.
Mit 29 Ausstellern startete die Messe im Berliner Zoo
Doch den Ein-Jahres-Rhythmus konnte man nicht halten: Die Weltwirtschaftskrise lastete schwer auf der Fachwelt und gefährdete die nach und nach erreichten Exporterfolge erheblich. Mit fast 3,5 Millionen Arbeitslosen herrschte im damaligen Deutschen Reich große Not. Schließlich forderte der VDDF mit einer Anzeigenkampagne zum Kauf deutscher Waren auf, um ausdrücklich auf deren besondere Qualität hinzuweisen.
Im September 1930 ging die Messe das erste Mal mit einem sogenannten Händlertag einher: „Der Mittwoch [bleibt] lediglich den Herren Depotinhabern zur Besichtigung reserviert“, heißt es in der Ankündigung des VDDF. Insgesamt wurden laut „Dental Echo“ über 16.000 Besucher gezählt. Deutschland, England, Frankreich, Italien, Österreich, die Schweiz, die Tschechoslowakei und die USA waren mit insgesamt 181 Ausstellern auf 281 Ständen vertreten. Allein für Erfinder neuer Produkte waren 89 Stände reserviert.
Die 8. und die 9. Dental-Schau 1933 und 1935 im Berliner Zoo standen bereits im Zeichen des Nationalsozialismus, der sich auch auf die Arbeit des VDDF auswirkte. Erstmalig war der Deutsche Zahnärztetag mit der Dental-Schau verbunden.
Die Praxisausrüstung erlebte eine Elektrifizierung
1937 machte die IDS in Düsseldorf Station. Das dortige Messegelände löste den bisherigen Standort Zoologischer Garten ab. Die Ausrüstung der Zahnarztpraxis erlebte – bis auf die Operationsstühle – eine zunehmende Elektrifizierung mit der Tendenz, die verschiedenen Geräte- und Ausstattungskomponenten in einem Gerät zu vereinen. Der Drehzahlbereich der zahnärztlichen und zahntechnischen Bohrmaschinen war eng begrenzt (max. 15.000 min1). Es gab nur Stahlbohrer und -fräser sowie keramische Schleifkörper. Die Diamantinstrumente wurden nur relativ wenig angewendet, was auch an den zu geringen Drehzahlen lag. Die ständig verbesserten Röntgengeräte kamen nur in wenigen Praxen zum Einsatz.
Füllungsmaterialien bestanden aus verschiedenen Zementarten und Amalgam als Standardwerkstoff für den Seitenzahnbereich. Instrumente wurden hauptsächlich mit Wasser abgekocht. Desinfektionsmittel waren – bis auf wenige Ausnahmen – nur in eingeschränktem Maße wirksam.
Prothesen wurden aus Kautschuk angefertigt. Gold- und später Palladium- und Silberlegierungen beherrschten das Feld. Plattenprothesen und Klammerdrähte wurden aus Stahllegierungen hergestellt. Künstliche Zähne bestanden ausnahmslos aus Porzellan. Oberkieferprothesen wurden mit Gummisaugplättchen festgehalten, da die Abformmaterialien (Gips, Stents) noch keine präzisen Abformungen erlaubten. Für die sehr seltene Versorgung mit Keramik-Jacketkronen wurden Kupferring- beziehungsweise Stentsabdrücke genommen. Der erste Methylmethakrylat-Kunststoff (Paladon) wurde 1937 präsentiert.
Die erste Fachausstellung nach dem Krieg fand in Baracken statt
Noch vor der Gründung des Verbandes der Deutschen Dental-Industrie (VDDI) als Nachfolger des VDDF fand 1949 zum 10. Deutschen Zahnärztetag in den damaligen Baracken am Wiesbadener Kurhaus die erste Fachausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Zwei Jahre später richtete der VDDI die 11. IDS in Hamburg aus. Trotz erheblicher politischer und wirtschaftlicher Restriktionen beim Export und Import sowie im Land selbst war die Messe mit 250 Ausstellern und einer Ausstellungsfläche von 3.300 m² ein großer Erfolg.
1953 in Düsseldorf kündigte sich ein Wandel an: Kunststoffmaterialien und -produkte anstelle von Kautschuk; Kobalt-Chrom-Molybdän-Legierungen für die Herstellung von Modellgussprothesen statt der Stahl-Prägeplatten; Schnelllauf-Vorrichtungen zum besseren Antrieb von Diamantinstrumenten und auch verbesserte Abformmaterialien wurden präsentiert.
Motorbetriebene Patientenstühle waren der letzte Schrei
Die Messe 1956 in München brachte den ersten Durchbruch elastomerer Abformwerkstoffe, mit denen dann besonders die Kronen- und Brückentechnik stark verbessert wurde. Eine Firma aus den USA demonstrierte ein Sandstrahlgerät für Zahnpräparationen, das aber schnell wieder in der Versenkung verschwand, bis 1992 erneut versucht wurde, kinetische Energie zu nutzen, ohne aber die konventionelle Präparationstechnik ablösen zu können. Motorbetriebene Patientenstühle waren der letzte Schrei.
Die IDS 1959 in Frankfurt am Main war die Premiere für die Turbine und die Anwendung miniaturisierter Präparationsinstrumente im bisher nicht gekannten Drehzahlbereich. Verbesserte Gießverfahren lösten die einfache Handschleuder ab, so wie die Zahntechnik generell präziser wurde.
1962 tagte die Fédération Dentaire Internationale schließlich nach 53 Jahren wieder in Deutschland – auf der 15. IDS in Köln. Erstmals verzeichnete eine Dentalausstellung mehr als 400 Aussteller und über 50.000 Besucher. Besonders bei US-amerikanischen Geräteherstellern waren erste Anzeichen für eine grundlegende Veränderung der Ausrüstung der Behandlungsplätze erkennbar, sowie sich auch in anderen Produktbereichen ein Wandel anbahnte.
1965 hatte die Schau historischen Charakter, weil mit ihr die ergonomische (R)Evolution der zahnärztlichen Praxis begann und auch die Einrichtung zahntechnischer Arbeitsplätze vom Design und von den technischen Verfahren her modernisiert wurde. Ein Großteil der deutschen Einrichtungshersteller hatte erkannt, dass die bisherigen Behandlungsgeräte und Patientenstühle mit einer ungünstigen Arbeitshaltung und Patientenpositionierung einher gingen. Die Entwicklung der Turbine und der Mikromotoren erlaubte eine niedrige Gerätesilhouette ohne die typischen Bohrmaschinengestänge. Absaugvorrichtungen waren ein völliges Novum, aber wegen der anfallenden Kühlwassermengen beim hochtourigen Präparieren ein „Muss“.
Die Ergonomie ist keine Modetorheit mehr
Die 17. IDS fand ebenfalls in Köln statt. Inzwischen gab es kaum noch einen Produzenten von zahnärztlichen Behandlungsausrüstungen, der seine Produktion nicht im „neuen Stil“ umgestellt hatte, wenngleich die Zahnärzte noch zögerten, ihre Praxis umzurüsten. München war Schauplatz der 18. IDS. In einem Rückblick hieß es in den „Zahnärztlichen Mitteilungen“, dass die Fachwelt die Ergonomie „in Köln 1962 noch ohne Ahnungen, in Stuttgart 1965 sie als Modetorheit mitleidig belächelt, in Köln 1968 sie in den Mittelpunkt heftig umstrittener Standpunkte stellte und in München 1971 sie als allgemeines Gedankengut anerkannte“.
Von 1974 bis 1989 wurde zusehends klar, welche Rolle die Messe in der internationalen Fachwelt einnahm: Die Aussteller-, Flächen-und Besucherzahlen stiegen rasant. Schwerpunkte der Arbeitsmittel- und Werkstoffentwicklung waren die Konsolidierung und die punktuelle Optimierung. Nur bei den Füllungsmaterialien gab es noch keine echten Alternativen für das inzwischen weltweit umstrittene Silberamalgam, das wegen seiner Quecksilberanteile – trotz aller gegenteiligen wissenschaftlichen Stellungnahmen – in Verruf geraten war.
Der Laser hat Premiere
In Stuttgart hatte die Lasertechnik Premiere, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch in den Anfängen steckte. Der US-amerikanische Erfinder war allerdings zutiefst davon überzeugt, dass sein Gerät den Bohrer bald überflüssig machen würde, obwohl sich dieser Lasertyp recht bald als untauglich für die Präparation von Zahnhartsubstanzen erweisen sollte. Wesentliches Kennzeichen dieser IDS 1989 war das Vordringen der Implantatsysteme und der steigennde EDV-Einsatz in der Zahnarztpraxis. Ein weiterer Schwerpunkt: die Elektronisierung der zahnärztlichen Gerätetechnik.
Nachdem die FDI 1992 wieder Berlin für den Weltzahnärztekongress ausgewählt hatte, sah sich der VDDI veranlasst, neben der 25. IDS in Köln auch eine Dentalausstellung in der neuen Hauptstadt zu organisieren. Was die Besucherzahlen betrifft, wiederholte sich das Debakel von 1983, als die Bundeszahnärztekammer den VDDI gedrängt hatte, zum Deutschen Zahnärztetag in Berlin – trotz der IDS in München – eine Dentalausstellung zu organisieren.
1994 bis 1999 dominierte die Produkt- und Verfahrensentwicklung mit zunehmender Beteiligung ausländischer Unternehmen an der Messe. Allen Befragungen zufolge war der Zweijahresturnus offenbar am besten geeignet, um Besucher- und Aussteller gleichermaßen zufriedenzustellen. Fachliche Schwerpunkte waren die Implantatsysteme, das digitale Röntgen, die Vollkeramik und die mehr und mehr komplexer werdende EDV-Anwendung in der Zahnarztpraxis. Die Messen waren abwechselnd mit einem Deutschen Zahnärztetag und einem Internationalen Zahntechnik-Kongress verbunden.
Weil der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) seine Kongresse auch mit einer Fachausstellung verbinden wollte, entschloss sich der VDDI kurzfristig, die dentechnica-Fachausstellung 1976 in Wiesbaden auszurichten, was dann 1979 in München, 1982, 1984 und 1990 in Köln sowie 1987 und 1993 in Nürnberg wiederholt wurde. Mit dem Übergang vom Dreijahres- zum Zweijahres-Turnus der IDS gingen die dentechnica-Fachausstellungen zu Ende.
In den Nullerjahren boomt der Keramik-, CAD/CAM- und Multimedia-Sektor. Neue Schall- und Ultraschallgeräte für die Parodontitisprophylaxe und -therapie kommen 2003 auf den Markt. 2005 hielt schließlich die Nanotechnologie Einzug in die direkte Füllungstherapie, 2009 ist der gesamte Prozess von der Abformung bis zur Herstellung eines Kronen- oder Brückengerüsts volldigitalisiert. Eine der bedeutendsten Entwicklungen stellt 2011 die Komplettierung der digitalen Herstellungskette von der Abformung bis zur fertigen Krone, Brücke oder Suprastruktur dar. „Backward Planning” ist 2013 in aller Munde.
Behandlungen können ab 2019 einfach per PC oder Mobile Device geplant und an das jeweilige Gerät übertragen werden. Automatisierte Dokumentationsprozesse bringen zudem mehr Sicherheit in die Praxis. Auf der IDS 2021 wird schließlich der weltweit erste Zwei-Slot-Scanner mit RFID-Technologie vorgestellt.
Fast ein Drittel der knapp 200 VDDI-Mitgliedsunternehmen bestehen seit mindestens 90 Jahren. 1999 verzeichnete die IDS zum ersten Mal mehr ausländische (627) als inländische Aussteller (576). 2015 kamen zum ersten Mal mehr Besucher aus dem Ausland (70.411) als aus dem Inland (68.310). Zur IDS 2019 kamen 160.000 Fachbesucher aus 166 Ländern, insgesamt 2.327 Aussteller aus 64 Ländern waren auf einer Ausstellungsfläche von 170.000 m² vertreten. Und 2023? Rund 1.700 Unternehmen aus 60 Ländern sind angemeldet und zeigen ihre Produkte auf 180.000 Quadratmetern. Sind Sie auch dabei? ck
Seit 1992 findet die IDS alle zwei Jahre in Köln statt und wird veranstaltet von der GFDI Gesellschaft zur Förderung der Dental-Industrie mbH, dem Wirtschaftsunternehmen des Verbandes der Deutschen Dental-Industrie e.V. (VDDI), durchgeführt von der Koelnmesse GmbH, Köln. Wir danken dem VDDI für das Bild- und Textmaterial.