„Bei uns gibt es keine überfüllten Hörsäle“
In Brandenburg soll eine zahnmedizinische Fakultät entstehen. Die ersten Zahnis sollen schon nächstes Jahr mit dem Studium starten, der Bau einer Klinik ist geplant – in einem ehemaligen Tram-Depot. Spannend! Wir haben beim Präsidenten der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB), Prof. Hans-Uwe Simon, nachgefragt.
Es gab ja immer wieder mal den Wunsch, in Brandenburg eine zahnmedizinische Fakultät zu errichten. Wie kam es jetzt zur Umsetzung dieser Idee?
Prof. Hans-Uwe Simon: Die Idee, an der MHB auch ein zahnmedizinisches Angebot zu schaffen, gibt es ja schon länger. Auch im Rahmen unserer strategischen Planung haben wir uns gefragt, wie sich die MHB perspektivisch weiterentwickeln soll. Neben der gesellschaftlichen Notwendigkeit, dass wir eine solche zahnmedizinische Ausbildung im Land brauchen, passt die Zahnmedizin gut zu unserem Portfolio mit dem Medizinstudium, der Psychotherapie und der Versorgungsforschung. Auch gab es hierzu Gespräche mit unserer Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher, die ebenfalls Interesse an einem solchen Angebot gezeigt hat.
Schon im nächsten Jahr sollen 48 Zahnis mit dem Studium starten. Ist die Zeitplanung realistisch, vor allem vor dem Hintergrund, dass es in Brandenburg bislang keine Zahnklinik gibt?
Der Zeitplan ist natürlich ambitioniert, aber wir sind eine junge und dynamische Universität, die in der Lage ist, solche Pläne zügig umzusetzen. Allerdings müssen auch die Rahmenbedingungen passen. Weil die ersten Semester von der theoretischen Ausbildung geprägt sind und in den ersten beiden Jahren keine universitäre Zahnklinik benötigt wird, gibt uns das für den Aufbau der Klinik noch ein wenig Zeit. Ab dem siebten Semester sollen dann die Studierenden ihre praktische Ausbildung bekommen und in der Zahnklinik unter Anleitung PatientInnen behandeln.
Welche baulichen Maßnahmen sind geplant?
Wir prüfen derzeit intensiv den Bau einer Zahnklinik in Brandenburg an der Havel. Dort gibt es in der Innenstadt auf dem Areal des alten Tram-Depots Kapazitäten. Mit einem Raum-in-Raum-Konzept ließe sich dort eine moderne Zahnklinik direkt an der Havel aufbauen. Die Pläne sind sehr vielversprechend.
Wie wird das Projekt finanziert?
Die MHB wird die Zahnklinik nicht selbst bauen, sondern ein Objekt mieten und es betreiben. Dazu befinden wir uns in enger Abstimmung mit dem Eigentümer. Bereits in der Planung für den Ausbau muss alles berücksichtigt werden, was für die sorgsame Behandlung der PatientInnen, aber auch für die Ausbildung der Studierenden benötigt wird.
Was zieht denn junge Menschen zum Zahnmedizinstudium nach Brandenburg an der Havel?
Als MHB ist es unsere Aufgabe, das neue Studienangebot so attraktiv wie möglich zu gestalten. Ein wichtiges Element einer qualitativ herausragenden Lehre ist dabei auch in der Zahnmedizin die enge Verbindung – wenn Sie wollen: Verzahnung – von Theorie und Praxis. Brandenburg hat sich mit seinen sieben Seen und einem reichen Kulturangebot in den vergangenen Jahren zu einer attraktiven, jungen Universitätsstadt mit einem bunten Studentenleben entwickelt. Die Mietkosten sind im Unterschied zu anderen Universitätsstandorten ebenfalls noch überschaubar. Aber auch die Nähe zu Berlin und die gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln machen Brandenburg zu einem attraktiven Standort für junge Menschen.
Wie sieht das Lehrkonzept aus? Gibt es Besonderheiten im Curriculum?
Das Curriculum der Zahnmedizin wird wie in der Medizin und der Psychotherapie die Charakteristika eines Modellstudiengangs tragen. Es wird sich durch eine große Nähe zur klinischen Praxis und die enge Verknüpfung theoretischer Grundlagen mit praktischen Anwendungen auszeichnen. Wir profitieren dabei davon, dass wir das Medizinstudium erfolgreich aufgebaut haben, denn in beiden Studienrichtungen gibt es Gemeinsamkeiten beispielsweise in den Fächern Anatomie, Physiologie, Biochemie, Pathologie und Pharmakologie. Unser Anspruch ist, wie in unserem Medizin- und Psychotherapie-Studium, dass die angehenden ZahnärztInnen so früh wie möglich PatientInnenkontakt haben. Sie sollen nicht nur fachlich, sondern auch kommunikativ auf die Herausforderungen des Berufs vorbereitet werden.
Die MHB ist eine private Hochschule. Welche Vorteile ergeben sich daraus aus Ihrer Sicht für die Zahnmedizinstudierenden? Wie hoch sind die Studiengebühren?
Das Studium der Zahnmedizin ist eines der kostenintensivsten Studienangebote. Die Studienvollkosten in staatlichen Universitäten liegen deutlich über 300.000 Euro pro Student und Ausbildung. An der MHB, die übrigens in kommunaler freigemeinnütziger Trägerschaft ist und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, rechnen wir aufgrund einer schlanken Struktur und einer effizienten Organisation mit günstigeren Konditionen. Die genaue Höhe des Beitrags steht heute leider noch nicht fest. An der Finanzierung soll der Traum vom Studium aber nicht scheitern, da helfen wir gerne weiter.
Die Vorteile für diejenigen, die sich für ein Studium an der MHB entscheiden, sind vielfältig. Bei uns gibt es keine überfüllten Hörsäle, sondern kleine Lerngruppen mit einer sehr guten Betreuung und einer familiären Atmosphäre. Dabei sind wir um das Entwicklungspotenzial aller unserer Studierenden bemüht. Deshalb spielen in unserem praxisorientierten Studium Persönlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung ebenfalls eine zentrale Rolle. Zudem setzt die MHB auf innovative Lern- und Prüfungsformate und kann auf ein großes Netzwerk bauen.
Ist Witten/Herdecke als etablierte Privatuni eine Konkurrenz für Sie?
Nein. Mit der Universität Witten/Herdecke (UW/H) stehen wir in einem regelmäßigen Austausch und ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass wir freundschaftlich verbunden sind. Witten/Herdecke war seinerzeit die erste Universität in nicht-staatlicher Trägerschaft und gilt zurecht als Pionier. Ohne die UW/H würde es die MHB heute nicht geben. Also mehr Dankbarkeit als Konkurrenz.
In Brandenburg gab es bis zur Gründung der MHB keine Medizinische Fakultät, alle bislang hier tätigen ÄrztInnen wurden in einem anderen Land ausgebildet. Das bedeutet, Brandenburg hat bislang immer vom finanziellen Engagement anderer Bundesländer profitiert, die MedizinerInnen ausgebildet haben. Erst mit unseren ersten AbsolventInnen, die 2021 erfolgreich die MHB als ausgebildete ÄrztInnen verlassen haben, hat sich das geändert.
Wenn Sie zehn Jahre nach vorne schauen: Was ist Ihre Vision für 2033?
Dass in einer solchen Zeitspanne viel passieren und sich ändern kann, hat das zurückliegende Jahrzehnt gezeigt. Die MHB wird 2024 selbst zehn Jahre alt und kann auf viele Erfolge zurückblicken. Bei der Gründung der Universität haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und einen Beitrag zu leisten, in Brandenburg den Mangel an ÄrztInnen abzustellen und die medizinische Versorgung auch in ländlichen Regionen zu sichern und zu verbessern. Die ersten AbsolventInnen der MHB praktizieren bereits – wir sind hier also auf einem guten Weg und wollen diesen konsequent weiter verfolgen. Daran wird sich vermutlich auch bis 2033 nichts ändern. Meine Vision ist, dass die MHB in den nächsten zehn Jahren in Forschung, Lehre und Universitätsmedizin weiterwächst und ein noch stärkerer Partner für ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen in Brandenburg und darüber hinaus wird. Den Mut, den Pioniergeist und die Leidenschaft dafür haben wir.
Das Gespräch führte Claudia Kluckhuhn.