„Dieses Gesetz trifft die Falschen!“
Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, wie maßlos enttäuscht wir über das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sind, mit dem der Gesundheitsminister ohne Not die zahnärztliche Versorgung zur Zielscheibe kurzsichtiger Kostendämpfungspolitik gemacht hat“, machte der neue KZBV-Vorstandsvorsitzende Martin Hendges gleich zu Beginn seiner Rede deutlich. „Das, was zuvor als Meilenstein für die Mund- und Allgemeingesundheit gefeiert wurde, hat dieses Gesetz quasi über Nacht und per Federstrich zur Disposition gestellt.“ Leidtragende dieser Politik seien die Patienten: „Ohne die erforderlichen finanziellen Mittel werden wir die neue Parodontitistherapie nicht flächendeckend auf ein hohes Niveau heben können. Das ist Sparen auf Kosten der Prävention, das ist Sparen auf Kosten der Gesundheit unserer Patienten!"
Während in anderen Versorgungsbereichen die GKV-Ausgaben stetig gestiegen seien, habe die Zahnmedizin ihre Kosten um gut ein Drittel gesenkt. „Dieses Gesetz trifft die Falschen, denn wir sind ein effizient und nachhaltig wirtschaftender Versorgungsbereich“, betonte Hendges und appellierte an die Politik: „Nehmen Sie die im Gesetz verankerte Evaluationsklausel zur Parodontitisversorgung zum Anlass, um diese versorgungspolitische Katastrophe noch abzuwenden, und sorgen Sie dafür, dass die Budgetierung schnellstmöglich wieder abgeschafft wird!“ Er kündigte an, dass die Zahnärzteschaft sich für diese Ziele lautstark und öffentlich wahrnehmbar einsetzen werde.
Sparen auf Kosten der Prävention und der Patienten
„Zum einen gefährdet dieses Gesetz die Versorgung, zum anderen verschärft es die sowieso schon angespannte Lage beim Fachkräftebedarf“, bekräftigte BZÄK-Präsident Prof. Christoph Benz. Er wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass Parodontitis eine sogenannte Signature-Erkrankung sei: „Es gibt sie, seitdem es Menschen gibt, und es wird sie immer geben. 140 Jahre haben wir Zahnärzte dieses Biest nicht in den Griff bekommen und jetzt, wo wir das geschafft haben, wird der PAR-Therapie der Garaus gemacht. Dabei sprechen wir von 0,3 Prozent der Gelder im GKV-Topf für die Therapie einer Krankheit, die weit über den Mund hinaus greift.“ Die PAR-Behandlungsstrecke habe eine Anlaufzeit von drei Jahren, da habe jede Auszeit fatale Folgen.
Weiter ging es mit dem nächsten Reizthema: investorengetragene Medizinische Versorgungszentren. Hier hatte die KZBV in mehreren Analysen und Gutachten nachgewiesen, welchen Gefahren Patienten ausgesetzt sind, wenn man Private-Equity-Fonds und Spekulanten die Versorgung überlässt. Hendges: „Die Fakten liegen heute alle auf dem Tisch.“ In Kenntnis der Gemengelage hätten sich mittlerweile viele ärztliche Organisationen klar gegen iMVZ gestellt, selbst aus dem Lager der Krankenkassen kämen immer mehr kritische Stimmen. Sehr eindeutig falle die Position der Länder aus: „Die GMK hat im März schon den insgesamt dritten Beschluss gefasst, der eine stärkere Regulierung von Investoren-MVZ von der Bundesregierung einfordert. Auch eine Initiative im Bundesrat ist in Arbeit.“ Niemand dürfe bei diesem Thema weiter die Augen verschließen, forderte Hendges: „Es ist höchste Zeit, den unverkennbaren Fehlentwicklungen entgegenzuwirken und die Ausbreitung investorengetragener MVZ wirksam einzudämmen!“
So müsse man im zahnärztlichen Bereich den mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingeschlagenen Sonderweg konsequent weitergehen. Was heißt, zahnärztliche MVZ dürfen nur innerhalb eines begrenzten Einzugsbereichs des Trägerkrankenhauses gegründet werden, und auch nur dann, wenn jenes auch schon vorher an der zahnärztlichen Versorgung beteiligt war. Um die Auswüchse zu stoppen, komme es dabei neben der räumlichen vor allem auf diese fachliche Begrenzung an.
Von wegen Work-Life-Balance
Wie Benz mit Blick auf die Studiendaten ausführte, entwickeln iMVZ in einem Radius von bis zu fünf Kilometern eine Sogwirkung auf Zahnärzte, die zulasten der Versorgung in den ländlichen Regionen geht. Aus den Deutschen Mundgesundheitsstudien I bis V wisse man aber, dass die Verfügbarkeit von Zahnärzten in der Fläche und der damit verbundene niedrigschwellige Zugang zur Versorgung ein Hauptgrund für die nachweislich hohe zahnärztliche Versorgungsqualität in Deutschland ist.
Länder bringen Initiative zu iMVZ-Regulierung ein
Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein wollen MVZ stärker regulieren: Monopolstellungen einzelner Träger sollen verhindert und eine am Patientenwohl orientierte ambulante Versorgung gestärkt werden. Dazu haben die drei Länder unter bayerischer Federführung eine gemeinsame Bundesratsinitiative entworfen. Der am 12. Mai in den Bundesrat eingebrachte Entschließungsantrag für ein MVZ-Regulierungsgesetz sieht vor:
Die Schaffung eines bundesweiten MVZ-Registers und einer Kennzeichnungspflicht für Träger und Betreiber auf dem Praxisschild, da die realen Besitzverhältnisse meist nicht ersichtlich sind, vor allem nicht für die Patienten vor Ort.
Krankenhäuser sollen künftig nur in einem Umkreis bis zu 50 Kilometer von ihrem Sitz ein MVZ gründen können. Vorgesehen ist dabei die Einführung von Höchstversorgungsanteilen für Haus- und Fachärzte – bezogen auf die arztgruppenbezogenen Planungsbereiche wie auch auf den gesamten Bezirk der jeweiligen KVen und KZVen.
Regelungen, um die Unabhängigkeit der ärztlichen Berufsausübung im MVZ vor dem Einfluss von Kapitalinteressen zu schützen, etwa durch einen besonderen Abberufungs- und Kündigungsschutz für die ärztliche Leitung und Vorgaben zu deren Mindesttätigkeitsumfang.
Disziplinarmaßnahmen sollen künftig auch gegen MVZ verhängt werden können und nicht nur gegen Vertragsärzte und Vertragszahnärzte. Stellen MVZ nicht sicher, dass ihre angestellten Ärzte den vertragsärztlichen Pflichten nachkommen, verlieren dann auch sie ihre Zulassung.
Der Antrag liegt jetzt dem Gesundheitsausschuss zur weiteren Beratung vor.
Zudem hielten die oft in den Himmel gelobten Arbeitsbedingungen in MVZ nicht unbedingt der Realität Prüfung stand. MVZ seien als Arbeitgeber mitnichten „Helicopter-Chefs“. Benz: „Wenn man sich die Zahlen anschaut, geht es in iMVZ eher nicht familienfreundlich zu. Im Vergleich zu anderen Praxisformen arbeiten dort sehr viel weniger Angestellte in Teilzeit und auch die Fluktuation ist ausgesprochen hoch.“
Wie brachte es Hendges abschließend auf den Punkt? „Renditedruck und Profitgier haben dort, wo es um die Gesundheit von Menschen geht, keinen Platz. Das, was hier aktuell passiert, muss dringend enden!"
Das BMG will evaluieren und genau hinschauen
„Kostendämpfung, die sich gegen Prävention und die notwendige Versorgung richtet und damit zulasten der Gesundheit der Versicherten geht, darf nicht Inhalt verantwortungsvoller und patientenorientierter Gesundheitspolitik sein.“
Martin Hendges
Das BMG zum GKV-FinStG
„Kern des Gesetzes sind Finanzreformen in allen Bereichen der gesetzlichen Krankenversicherung: Die Preisbildung von Arzneimitteln wird reformiert, die Honorierung von Ärzten verändert, die Finanzreserven der Krankenversicherung abgeschmolzen, der Apothekenabschlag erhöht. Damit wird ein 17 Milliarden Euro großes Defizit ausgeglichen, das die Vorgängerregierung hinterlassen hatte. Facharzttermine gibt es in Zukunft schneller, und Arzneimittel ohne Zusatznutzen werden billiger.“
„Zahnarzthonorare: Begrenzung des Honorarzuwachses für Zahnärztinnen und Zahnärzte. Gleichzeitig: Ausnahmen für Leistungen im Rahmen der aufsuchenden Versorgung oder von Kooperationsverträgen zwischen stationären Pflegeeinrichtungen und Zahnärzten sowie bei Parodontitisbehandlung bei Versicherten mit Behinderung oder Pflegebedarf.“
Das BMG zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, Stand 27. Juli 2022
Dass die Gespräche über das GKV-FinStG schwierig waren – keine Frage, räumte Sabine Dittmar (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im BMG, ein. Natürlich werde das BMG die Abrechnungsdaten genau evaluieren und schauen, welche Folgen die Zahlen auf die Versorgung haben, versprach sie. „Zahlen liegen aber erst im Herbst vor.“ Das BMG werde sich im Übrigen auch künftig dafür einsetzen, die Mundgesundheit weiter zu verbessern und dazu den Austausch mit den Zahnärzten suchen. Dittmar: „Unser Ziel ist, dass Zahnärzte ohne ökonomischen Druck ihre Arbeit verrichten können – ob in der Einzelpraxis, in Berufsausübungsgemeinschaften und ja: auch in Medizinischen Versorgungszentren. Ich bin mir sicher, dass wir zu einer sachgerechten Lösung kommen werden.“