Ein unangemessener Kommentar ist schnell verschickt
Laut Medscape-Umfrage nutzen 43 Prozent der Ärztinnen und Ärzte soziale Medien. 71 Prozent haben nur ein privates, 22 Prozent ein privates und ein berufliches und 7 Prozent nur ein berufliches Profil. Wer in den sozialen Medien aktiv ist, verwendet vor allem WhatsApp und/oder Telegram (86 Prozent) sowie Facebook (54 Prozent). 39 Prozent nutzen außerdem Instagram, 16 Prozent Twitter, 12 Prozent andere.
Die BÄK warnt in ihrer gerade überarbeiteten Handreichung „Ärztinnen und Ärzte in sozialen Medien“ MedizinerInnen davor, die Folgen des Umgangs mit digitalen Kanälen im Beruf zu unterschätzen. „Bei der Nutzung sozialer Medien im gesundheitsbezogenen Kontext ist aufgrund des vertrauensvollen Patient-Arzt-Verhältnisses und der Anforderungen des Datenschutzes bestimmten Aspekten besondere Aufmerksamkeit zu schenken“, heißt es. Ein zentraler Aspekt: die ärztliche Schweigepflicht.
12 Regeln im Umgang mit Social Media
Zusammengefasst empfiehlt die BÄK diese zwölf Regeln:
Ärztliche Schweigepflicht beachten
Keine Kollegen diffamieren – Netiquette beachten
Grenzen des Arzt-Patienten-Verhältnisses nicht überschreiten
Grenzen der Fernbehandlung beachten
Zurückhaltung hinsichtlich der öffentlichen Diskussion medizinischer Themen auf sozialen Plattformen
Keine berufswidrige Werbung über soziale Medien
Verantwortung wächst mit Reichweite
Datenschutz und Datensicherheit beachten
Kein Bereitstellen von Approbationsurkunden, Zeugnissen und anderen Urkunden
Selbstoffenbarung von Patienten verhindern
Zurückhaltung bei produktbezogenen Aussagen
Haftpflichtversicherung checken
Die ärztliche Schweigepflicht
„Ärzte haben über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Arzt anvertraut wird oder bekannt geworden ist, zu schweigen. Diese Jahrtausende alte Verpflichtung gilt selbstverständlich auch bei der Nutzung jeglicher Formen sozialer Medien – ganz unabhängig davon, ob der Austausch im Kollegenkreis, innerhalb einer bestimmten Personengruppe oder gänzlich öffentlich – beispielsweise in Form eines Blogs – erfolgt.“
Fallbeispiel: Ein angestellter Arzt eines Krankenhauses berichtet auf seiner Seite eines sozialen Netzwerks über einen tragischen Krankheitsverlauf, den er in seiner Klinik miterlebt hat. Er nennt dabei weder den Patientennamen noch das Krankenhaus. Ein Angehöriger des betreffenden Patienten stößt bei einer Internet-Recherche über das Krankenhaus auf diesen Arzt, da dieser den Namen des Krankenhauses an anderer Stelle im Internet in völlig anderem Zusammenhang genannt hat. Die Verbindung zu dem Posting über den Krankheitsverlauf auf der Seite des sozialen Netzwerks ist leicht hergestellt und der Angehörige kann den Bericht zuordnen.
Bewertung der BÄK: „In dem Beispiel bemüht sich der Arzt zwar, den Bericht über seinen Patienten durch das Weglassen von Namen und Ortsbezeichnungen zu anonymisieren. Dieser Versuch kann jedoch über weitere Informationen, die im Internet an anderer Stelle oft nur einen Mausklick entfernt sind, ausgehebelt werden! Die Unkenntnis des Arztes über diese Möglichkeit kann dabei nicht als Entschuldigung für den Bruch der ärztlichen Schweigepflicht dienen!"
Mediziner sollten vor dem Einstellen von patientenbezogenen Informationen daher immer die Zielsetzung ihres Vorhabens hinterfragen und Patienten um ihr Einverständnis bitten. „Wenn ein Arzt es für probat hält, eine Fallschilderung oder andere Informationen mit Patientenbezug in einem sozialen Netzwerk zu veröffentlichen – beispielsweise aus wissenschaftlichen Gründen – darf eine Identifizierung des Patienten nicht möglich sein. Die Verwendung eines Pseudonyms ist dabei oft nicht ausreichend – meist müssen Detailinformationen des Falls verfremdet werden", betont die BÄK.Die Kammer weist darauf hin, dass das Brechen der Schweigepflicht sowohl strafrechtliche (§ 203 StGB), berufsrechtliche wie auch zivilrechtliche Konsequenzen haben kann.
Zudem könne der Austausch über soziale Medien auch das Patienten-Arzt-Verhältnis „ungünstig beeinflussen und mit datenschutzrechtlichen Problemen und weiteren juristischen Fragestellungen einhergehen“. Dieser Gefahr müssten sich ÄrztInnen bei der Nutzung sozialer Medien bewusst sein. Generell gilt: „Ärzte müssen alle Maßnahmen ergreifen, um die Vertraulichkeit der individuellen Patienten-Arzt-Beziehung und den Datenschutz zu gewährleisten.“
Sobald ein Tweet versendet wurde, ist die Kontrolle futsch
Ärzte sollten sich auch darüber klar sein, dass alle Äußerungen vor einer großen Menge an Lesern beziehungsweise Zuhörern getätigt werden. Sobald (beispielsweise) ein Tweet einmal versendet wurde, habe man keine Kontrolle mehr darüber. Wie dringend nötig dieser Rat ist, zeigt die Medscape-Umfrage: Die Teilnehmenden berichten von unangemessenen Posts ihrer KollegInnen auf Facebook (16 Prozent), bei WhatsApp/Telegram (11 Prozent), bei Instagram (6 Prozent) oder bei Twitter (5 Prozent). Veröffentlicht wurden demnach vor allem „unangemessene Kommentare über sich selbst, über die Politik, über Freunde“ (69 Prozent), aber auch „unangemessene Kommentare über Patienten“ (22 Prozent), „unangemessene Bilder ohne Zusammenhang zu Patienten“ (15 Prozent) oder unangemessene Patientenfotos oder sexuell unangemessene Fotos (jeweils 6 Prozent). Außerdem berichten die Befragten, KollegInnen dabei beobachtet zu haben, wie diese Fotos (9 Prozent) oder Selfies (6 Prozent) bei Konsultationen, im Operationssaal oder in der Pathologie gemacht haben.
Die BÄK rät: „Achten Sie darauf, keine Bilder oder Kommentare zu veröffentlichen, die Aktivitäten oder Verhaltensweisen nahelegen, die Ihren beruflichen Ruf schädigen oder gegen Ihre beruflichen Verpflichtungen verstoßen könnten.“ Außerdem sollten Mediziner immer daran denken, dass sie niemals davon ausgehen können, etwas wieder löschen zu können, das sie online gestellt haben – vielmehr müsse man damit rechnen, dass einmal eingestellte Inhalte dauerhaft auffindbar sind und möglicherweise mit anderen Inhalten verknüpft werden können. Das gilt auch für den interkollegialen Austausch und Diffamierungen von Kollegen.
Interkollegialer Austausch über soziale Netzwerke
„Viele Ärzte haben bereits die Entscheidung getroffen, sich im Kollegenkreis über soziale Medien auszutauschen. Diese Entscheidung muss in dem Bewusstsein erfolgen, dass eine unbekannte Anzahl von Personen sehen kann, was in den sozialen Netzwerken geäußert wird. Eine entsprechende Ausdrucksweise sollte dabei selbstverständlich sein – ebenso wie bei Äußerungen in anderen öffentlichen Räumen!“
Fallbeispiel: Ein Assistenzarzt wurde für sechs Wochen vom Dienst suspendiert, nachdem er seine Oberärztin in einem sozialen Netzwerk als „blöde alte Stasi-Schnepfe“ bezeichnet hatte. Ein Kollege hatte den Eintrag gesehen und informierte die Krankenhausleitung. Der Beschwerdeführer sah sich aufgrund der massiven verbalen Entgleisung des Kollegen zu diesem Schritt gezwungen. Der Assistenzarzt entschuldigte sich für den Kommentar und veranlasste die Löschung des Eintrags von der Seite.
Bewertung der BÄK: „Das Beispiel zeigt, dass Online-Beziehungen auch im beruflichen Umfeld problematisch sein können. Die Entscheidung zu einer solchen Äußerung wäre an anderer Stelle in der Öffentlichkeit wahrscheinlich sorgfältiger abgewogen worden. In sozialen Netzwerken getätigte Äußerungen sollten stets auf ihren diffamierenden Aussagewert geprüft werden. Wenn Sie in sozialen Netzwerken feststellen, dass sich in Postings von Kollegen in Wort-, Bild und sonstigen Beiträgen beleidigendes, diffamierendes oder ähnliches Verhalten zeigt, sollten Sie es als Bestandteil Ihres ärztlichen Verhaltenskodex begreifen, diese hierauf aufmerksam zu machen."
Werbung über soziale Medien
„Der Einsatz sozialer Medien im ärztlichen Bereich ist auch im Hinblick auf eine mögliche Kommerzialisierung des Arztberufs kritisch zu beleuchten. In der (Muster-)Berufsordnung (§ 27: Erlaubte Information und berufswidrige Werbung) wird Ärzten nur die sachliche berufsbezogene Information gestattet. Eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung dagegen wird als berufswidrig untersagt. Zweck dieser Vorschriften ist die Gewährleistung des Patientenschutzes und die Vermeidung der bereits erwähnten Kommerzialisierung des Arztberufs, die dem Selbstverständnis der Ärzte zuwiderläuft.“
Fallbeispiel: Ein Orthopäde mit sportmedizinischem Schwerpunkt postet in einem sozialen Forum unter einem Foto, das ihn gemeinsam mit Usain Bolt zeigt: „Wenn auch Sie den Bogenschützen machen wollen, vergessen Sie den Standardsportmediziner und kommen Sie zu mir!“
Bewertung der BÄK: „Denken Sie bei Ihrer Webseite oder einem Profil bei Facebook daran, dass Sie für die Werbung verantwortlich sind in Bezug auf die Inhalte, die grundsätzlich unter Ihrer Kontrolle stehen. Von Ihnen wird nicht erwartet, dass Sie Antworten in sozialen Medien oder Postings in Foren, die nicht unter Ihrer Kontrolle stehen, überwachen. Überlegen Sie gut, ob es auf Ihrer Website oder Ihrem Profil in sozialen Medien möglich sein sollte, Kommentare zu hinterlassen. Im Zweifel sollten Sie die Kommentaroption deaktivieren. Seien Sie vorsichtig und zurückhaltend beim Posten von Kommentaren oder Bildern hinsichtlich Ihrer Fähigkeiten und Dienstleistungen, damit Sie nicht versehentlich gegen das Verbot berufswidriger Werbung verstoßen."
Meinungsäußerungen über Produkte
„Hierbei ist entscheidend, ob es sich bei den getätigten produktbezogenen Äußerungen um Tatsachenbehauptungen, die stets dem Beweis der Wahrheit beziehungsweise Unwahrheit zugänglich sind, oder um Meinungsäußerungen (subjektive Werturteile) handelt.“
Fallbeispiel: Ein Internist bietet über ein soziales Netzwerk eine allgemeine Beratung rund um das Thema Hypertonie an. Auf der Seite häufen sich Anfragen zu einem neuen Präparat aus den USA, das in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben wird und dem auch eine blutdrucksenkende Wirkung zugeschrieben wird. Der Arzt hält dieses Mittel für nutzlos. Er ist unsicher, ob er von dem Hersteller belangt werden kann, wenn er seine Meinung zu diesem Mittel postet.
Bewertung der BÄK: „Während wahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich hinzunehmen sind, sind unwahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich nicht zu dulden. Demgegenüber fallen Meinungsäußerungen grundsätzlich unter den Schutz von Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes (Meinungsäußerungsfreiheit). Der Unternehmer muss daher kritische Äußerungen über seine unternehmerischen Leistungen – hier sein Produkt – bis zur Grenze der so genannten Schmähkritik hinnehmen. Eine herabsetzende Äußerung nimmt dann den Charakter einer Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.
Datenschutz und Datensicherheit
„Bei der Nutzung sozialer Medien im beruflichen Umfeld sollten folgende Fragen abgewogen werden: Was kann mit den Daten im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des sozialen Netzwerks gemacht werden? Welcher Personenkreis sieht die Einträge? Welche technischen Möglichkeiten habe ich, meine Privatsphäre in sozialen Medien zu wahren? Was kann möglicherweise mit den Daten noch geschehen?“
Fallbeispiel: In einem sozialen Netzwerk können Patienten auf der Seite einer Praxis für Dermatologie Nachrichten wie beispielsweise Bewertungen der Praxis hinterlassen. Nach ein paar Wochen werden Patienten, die dort eine Nachricht hinterlassen haben, von einem Hersteller einer Akne-Salbe mit Freundschaftsanfragen kontaktiert. Einzelne dieser Patienten werfen nun dem Arzt vor, dass die Verantwortung für die unerwünschte Kontaktaufnahme des Pharma-Unternehmens bei der Arztpraxis liegt.
Bewertung der BÄK: „Häufig werden von Nutzern die AGB der sozialen Medien ohne genauere inhaltliche Analyse pauschal mit dem ‚Ich-stimme-zu'-Häkchen weggeklickt. Dadurch können dem Betreiber weitreichende Nutzungsmöglichkeiten mit den veröffentlichten Daten eingeräumt werden: Teilweise wird damit die Zustimmung erteilt, dass Daten auch Dritten in einem völlig anderen Kontext zugänglich gemacht werden, zum Beispiel zum Zweck einer individualisierten Werbung. Man sollte prüfen, ob mit der Nutzung des sozialen Netzwerkes eine weitreichende Zustimmung zur Nutzung der veröffentlichten personenbezogenen Daten erteilt wird.
Viele Mediziner verstehen die DSGVO nicht in Gänze
Generell scheinen Ärzte Schulungsbedarf in Sachen Datenschutz zu haben. So gaben zwar 75 Prozent der befragten Ärzte bei Medscape an, die seit fünf Jahren geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) „ernst zu nehmen“, gleichzeitig erklärten 64 Prozent, die enthaltenen Regelungen nicht in Gänze zu verstehen.