Aus der Wissenschaft

Vergleich: Orales Midazolam und Lachgas bei der Zahnextraktion

Heftarchiv Zahnmedizin
Peer W. Kämmerer
Nicht zuletzt zur Vermeidung einer Traumatisierung, aber auch zur generellen Verbesserung des Patientenkomforts rücken Sedierungs- und Analgesiemethoden immer mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit. Eine chinesische Arbeitsgruppe hat jetzt im Rahmen einer systematischen Literaturanalyse zwei gängige Techniken der minimalen Sedierung in der Zahnarztpraxis – die orale Gabe von Midazolam und die Lachgasinhalation – in ihrer Wirkung bei der Zahnextraktion verglichen.

Bei Midazolam handelt es sich um ein kurz wirksames Benzodiazepin mit angstlösender, beruhigender, hypnotischer, zentralmuskelentspannender und anterograder Amnesiewirkung. Es erzeugt eine allosterische Modulation spezifischer GABA-Rezeptoren im zentralen Nervensystem und hierdurch eine verlängerte Öffnung von Chlorid-Kanälen. In der Folge wird die Affinität der Rezeptoren für die inhibitorische GABA-Wirkung erhöht. Die Gabe kann parenteral, rektal oder auch oral erfolgen. Die orale Gabe resultiert in einer deutlich geringeren Bioverfügbarkeit im Vergleich zur intravenösen Applikation; Wirkintensität und -dauer sind bei jedem Patienten individuell und können nicht vollständig prognostiziert werden.

Die Inhalationssedierung über Lachgas (N2O) gilt bei dafür geeigneten Patienten als sicher, wirksam und gut verträglich. Die analgetische Wirkung des anorganischen Gases wird vor allem auf die Freisetzung endogener Opioide mit der daraus folgenden Aktivierung von Opioid- und GABA-Rezeptoren zurückgeführt. Die anxiolytische Wirkung beinhaltet wahrscheinlich die Aktivierung von GABA-Rezeptoren durch die Benzodiazepin-Bindungsstellen sowie eine Aktivierung hemmender Neuronen. Durch die N2O-induzierte Freisetzung von endogenen Opioiden wird eine Hemmung der noradrenergen Neuronen im Hirnstamm verursacht, die Noradrenalin ins Rückenmark freisetzen und so die Schmerzweiterleitung hemmen. Die Applikation von N2O erfolgt immer zusammen mit Sauer­stoff mittels geeigneter Inhalationsgeräte über Reservoirbeutel und Nasenmaske, wobei moderne Systeme (Doppelmaskensysteme) eine integrierte Absaugvorrichtung zur Ableitung des exhalierten Lachgases aufweisen und auf diese Art und Weise die Raumexposition im Rahmen gesetzlicher Vorgaben minimieren.

Material und Methoden

Die Autoren durchsuchten chinesisch- und englischsprachige Publikationen bis 2022 unter Verwendung der Suchbegriffe „Zahnextraktion“, „Midazolam“ und „Lachgas“. Der Fokus der Analyse lag auf der Erfolgsrate der beiden Methoden und der Inzidenz von unerwünschten Reaktionen.

Ergebnisse

Nach Identifizierung von 508 Artikeln konnten acht in eine Metaanalyse eingeschlossen werden; allerdings lagen in den inkludierten Gruppen keine entsprechenden Kontrollgruppen vor. Unter Verwendung von oral appliziertem Midazolam konnte eine Erfolgsrate von 76 Prozent berechnet werden. Demgegenüber lag die Erfolgsrate bei Lachgas bei 94 Prozent. Unerwünschte Nebenwirkungen traten bei Midazolam bei 22 Prozent der Fälle auf, während es unter Verwendung von Lachgas in 4 Prozent der Fälle zu solchen Komplikationen kam.

Diskussion

Die erhobenen Daten zeigen, dass die Erfolgsrate der Sedierungs- und Analgesiebehandlung mittels Lachgas-Inhalation während einer Zahnextraktion höher ist als die von oralem Midazolam und dass die Häufigkeit von Nebenwirkungen bei der Lachgas-Inhalation viel geringer ist als die von oralem Midazolam. Midazolam in einer Dosierung von 0,5–0,75 mg/kg Körpergewicht benötigte im Durchschnitt 15 bis 30 Minuten bis zum vollständigen Eintritt einer sedierenden Wirkung. Im Gegensatz dazu wurde Lachgas vor allem in einer Konzentration von 30 bis 50 Prozent angewandt und es benötigte im Durchschnitt fünf bis sechs Minuten zum Erreichen einer adäquaten Sedierung.

Bei den unerwünschten Nebenwirkungen von oral appliziertem Midazolam handelte es sich vor allem um abnormale Erregungszustände, eine Übersedierung sowie um eine leichte dosisabhängige Atemdepression. Lachgas führte vor allem zu Schläfrigkeit und Kopfschmerzen. Alle Symptome bei beiden Methoden waren jedoch mild, selbstbegrenzend und erforderten keine besondere Behandlung.

Die Wertigkeit dieser Metaanalyse ist vor allem dadurch limitiert, dass Studien ohne eine Kontrollgruppe eingeschlossen wurden und somit eine Vergleichbarkeit nur schwer zu gewährleisten ist. Trotzdem zeigen diese derzeit einzigartigen Vergleichsdaten, dass die Verwendung der Lachgas-Inhalation zur Sedierung und Analgesie während der Zahnextraktion sehr wirksam ist und dass orales Midazolam als Alternative zur Lachgas-Inhalation eingesetzt werden kann.

Die Studie:
Li, X., Liu, Y., Li, C. et al.: Sedative and adverse effect comparison between oral midazolam and nitrous oxide inhalation in tooth extraction: a meta-analysis. BMC Oral Health 23, 307 (2023). doi.org/10.1186/s12903-023-02965-5

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.