KZBV-Spitze positioniert sich klar gegen die aktuelle Gesundheitspolitik
Zur Eröffnung der zweitägigen KZBV-Vertreterversammlung am 21. und 22. Juni in Mainz hob der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) in seinem Grußwort die Bedeutung der Selbstverwaltung hervor. „Der Staat muss nämlich nicht alles regeln“, erklärte Hoch und ging in seiner Rede auch auf den Entschließungsantrag der Länder Rheinland-Pfalz, Bayern, Schleswig-Holstein und Hamburg zur stärkeren Regulierung von investorenbetriebenen MVZ (iMVZ) im Bundesrat am 16. Juni ein. Der Bundesrat hatte den Antrag mit großer Mehrheit angenommen. Hoch nannte die größtmögliche Transparenz über die Eigentumsverhältnisse von iMVZ „eine Grundvoraussetzung“. Eine besondere Rolle komme zudem der räumlichen Beschränkung zu.
KZBV-Chef Martin Hendges dankte Hoch für die Gesetzgebungsinitiative. Und betonte zugleich, dass neben der räumlichen auch die fachliche Beschränkung bei der Zulassung erforderlich sei, um die Ausbreitung von iMVZ effektiv zu begrenzen. Hierzu sollte aus Sicht der KZBV der mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz für den zahnärztlichen Versorgungsbereich beschrittene Sonderweg konsequent weiterverfolgt werden. Er forderte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erneut auf, eine wirksame Gesetzgebung auf den Weg zu bringen. Hendges begrüßte darüber hinaus klar den später von den Delegierten verabschiedeten Entschließungsantrag zur stärkeren Regulierung von iMVZ. Dieser Antrag mit einem umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Eindämmung von iMVZ sei „ein starkes Signal an den Bundesgesetzgeber“.
„Es braucht ein klares Bekenntnis der Politik zur Selbstverwaltung!"
In einer einstimmig beschlossenen Resolution forderten die Delegierten der KZBV-Vertreterversammlung die Politik auf, die Selbstverwaltung als tragende Säule des Gesundheitswesens wieder adäquat in die politischen Prozesse einzubinden.
„Die Selbstverwaltung ist eine tragende Säule unseres Gesundheitswesens", heißt es wörtlich in der in Mainz verabschiedeten Resolution. Sie stehe für eine besondere Sachnähe: „nah am Versorgungsgeschehen, nah an den Problemen vor Ort". Neben ihrer hohen Fachkompetenz lebe sie von der Identifikation und dem besonderen Verantwortungsbewusstsein ihrer Mitglieder, was sich auch unter den schwierigen Rahmenbedingungen der Pandemie gezeigt habe, „als sich die Selbstverwaltung mit schnellen, unkomplizierten und wirkungsvollen Entscheidungen als unerlässlicher Partner bei der Krisenbewältigung erwiesen hat".
Ungeachtet dessen werde die Aufgabenteilung von der Politik seit Jahren Schritt für Schritt von der Selbstverwaltung in Richtung des Staates verschoben, kritisiert das Zahnärzteparlament. Dass dabei auch die Handlungsmöglichkeiten der zahnärztlichen Selbstverwaltung immer weiter beschnitten und im Gegenzug die Aufsichtsrechte und Entscheidungsbefugnisse des Bundes ausgeweitet werden, schwäche die Selbstverwaltung auf allen Ebenen und mache ein Engagement auch für die nachfolgenden Generation mehr und mehr unattraktiv. Mit der Schwächung der Selbstverwaltung werde zugleich zunehmend auch die Freiberuflichkeit als „wesentliche Säule des Mittelstands, unserer Gesellschaft und unserer Demokratie" infrage gestellt.
Die Vertreterversammlung der KZBV fordert die Bundesregierung daher auf, sich wieder eindeutig und klar zum besonderen Stellenwert der Selbstverwaltung und der Freiberuflichkeit für unser Gesundheitswesen zu bekennen und zu einem von gegenseitigem Vertrauen, Respekt und Kooperation geprägten Miteinander zurückzukehren", heißt es im Wortlaut der Resolution.
Auch „die systematische Ausgrenzung aus Entscheidungsprozessen und die in diesem Zusammenhang fortgesetzte Diffamierung der Selbstverwaltung und ihrer Vertreter als 'Lobbyisten'" müssten ein Ende finden „Bei der Besetzung von Gremien und Regierungskommissionen sowie in Gesetzgebungsverfahren ist die Expertise der Selbstverwaltung, wie dies über Jahrzehnte gemeinsamer Konsens mit dem Bundesgesundheitsministerium war, wieder frühzeitig und ernsthaft einzubinden.“ ck
„Aus den Erfahrungen der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode wissen wir, dass die Zeitpläne des Bundesministeriums für Gesundheit mit großen Unwägbarkeiten verbunden sind“, sagte Hendges in seiner anschließenden Rede. „Viele der teils hochkonfliktären Gesetzesvorhaben haben noch nicht das Licht der Welt erblickt. Für uns Vertragszahnärzte bedeutet dies, dass wir mit unseren Themen und Forderungen selbst offensiv nach vorne gehen!“
Hendges wirbt für „Zähne zeigen“-Kampagne
Hendges verwies in diesem Zusammenhang auf die bundesweite KZBV-Kampagne „Zähne zeigen“, mit der die Zahnärzteschaft erfolgreich gegen die Kürzung der Mittel für die Parodontitis-Therapiestrecke und gegen weitere Kostendämpfungsmaßnahmen in der GKV mobilisiert. „Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist ein Gesetz in Kraft getreten, das die Versorgung gefährdet und diese in bestimmten Regionen ernsthaft infrage stellt. Unseren Patientinnen und Patienten werden die Auswirkungen des Gesetzes über Jahre schaden. Besonders fatal ist, dass der präventionsorientierten Parodontitis-Therapie die Finanzmittel entzogen werden.“ Hendges appellierte an Bundesgesundheitsminister Lauterbach, zumindest die Parodontitis-Therapie aus der Budgetierung herauszunehmen und die kurzsichtige Sparpolitik auf Kosten der Gesundheit der Patienten zu stoppen. Dabei stellte er klar: „Einen erneuten Frontalangriff auf die Zahnärzteschaft, auf die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten, lassen wir uns nicht gefallen! Auch deshalb melden wir uns mit unserer Kampagne lautstark zu Wort.“
Wolfgang Eẞer zum Ehrenvorsitzenden des KZBV-Vorstands gewählt
Die Delegierten der 2. Vertreterversammlung (VV) in Mainz dankten dem langjährigen KZBV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Wolfgang Eßer für seine herausragenden und bleibenden Verdienste für die Zahnärzteschaft und die Versorgung mit langem, stehendem Applaus. In seiner Laudatio würdigte der Vorsitzende der VV, Dr. Holger Seib, die zahlreichen Leistungen Eßers, der von 2005 bis 2013 zunächst stellvertretender Vorsitzender und von 2013 bis 2023 Vorsitzender des KZBV-Vorstands war. Eßer habe „maßgeblichen Anteil daran, dass die KZBV als starker und respektierter Akteur wertvolle Beiträge zur Versorgungsverbesserung und zur Verbesserung der Mund- und Allgemeingesundheit in Deutschland geleistet hat“, erklärte Seib. Zuvor hatten die Delegierten einstimmig eine Ehrenordnung beschlossen, durch die es möglich wurde, Eßer zum Ehrenvorstandsvorsitzenden zu machen.
Eßer dankte den Delegierten sichtlich bewegt im Anschluss in einer sehr persönlichen Rede für die Ehrung. „Ich habe großes Glück gehabt, in einer Zeit arbeiten zu können, in der wir als Selbstverwaltung mit unserer Expertise geschätzt waren, uns Respekt entgegengebracht wurde und uns der Raum gegeben wurde zu gestalten“, sagte Eßer mit Blick auf das aktuell schwierige Verhältnis zur Bundesregierung. Gleichzeitig wünschte er dem neuen KZBV-Vorstand viel Glück und Erfolg für die weitere Arbeit. Zu seinem Nachfolger war in der konstituierenden VV im März Martin Hendges gewählt worden.
Eine klare Absage erteilte Hendges dem „systematischen Misstrauen gegenüber den Akteuren der Selbstverwaltung“. Die fortwährenden Angriffe seitens der Politik auf die Selbstverwaltung seien schmerzhaft und nur schwer zu ertragen. „Aber wir dürfen uns von diesen Angriffen nicht entmutigen lassen! Wir müssen standfest bleiben und jeden Tag von Neuem für die Selbstverwaltung als tragende Säule unseres Gesundheitswesens einstehen. Wir fordern ein klares Bekenntnis der Politik zum besonderen Wert der Selbstverwaltung. Wir fordern eine Rückkehr zu einem von gegenseitigem Vertrauen, Respekt und Kooperation geprägten Miteinander“, erklärte Hendges.
Weitere Prüfrechte des Bundesrechnungshofs abgelehnt
Dazu passe auch die bereits seit mehreren Legislaturperioden immer wieder erhobene Forderung des Bundesrechnungshofes nach gesetzlichen Prüfrechten bei der KZBV und den KZVen, bei KBV, KVen und beim G-BA. Inzwischen habe sich der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages diese Forderung zu eigen gemacht und das BMG aufgefordert, dem Bundesrechnungshof mit einem Gesetzentwurf genau diese Prüfrechte einzuräumen. „Wir haben den gesamten Forderungskomplex juristisch auf Herz und Nieren prüfen lassen und zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben“, sagte Hendges. Diese kämen zu dem Ergebnis, dass die geforderten Prüfrechte nach aktueller Rechtslage nicht bestehen, insbesondere da die KZBV und die KZVen – anders als die Krankenkassen – nicht über Bundesmittel verfügten. Trotz dieser eindeutigen rechtlichen Bewertung rechne er damit, dass das BMG tatsächlich in Kürze einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen werde, sagte der KZBV-Chef. Doch die Einführung weiterer Prüfmechanismen wäre nicht nur rechtlich unhaltbar, sondern auch unzweckmäßig und unwirtschaftlich und würde mit hohen Bürokratielasten einhergehen.
Pochhammer: Digitalisierungsstrategie ist „pure Anmaßung“
Der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Karl-Georg Pochhammer nahm in seiner anschließenden Rede die Digitalisierungsstrategie des BMG auseinander. „Etwas Revolutionäres sucht man dort vergebens“, konstatierte Pochhammer nüchtern. Mit Blick auf den tags zuvor bekannt gewordenen Referentenentwurf der beiden Digitalgesetze erklärte er, dass die elektronische Patientenakte (ePA) zum 15. Januar 2025 kommen solle, das E-Rezept solle schon ab dem 1. Januar 2024 zum Standard in der Arzneimittelversorgung werden. „Damit das beim E-Rezept gelingt, agiert das BMG in der bekannten Weise: Statt zu überzeugen, arbeitet es mit Sanktionen“, kritisierte Pochhammer. Zahnarztpraxen müssten gegenüber ihrer KZV nachweisen, dass sie in der Lage sind, E-Rezepte zu verordnen. Andernfalls werde die Vergütung pauschal um ein Prozent gekürzt – und das zwei Monate nach Verkündigung des Gesetzes, also eventuell auch vor dem 1. Januar 2024. Es sei zudem festgelegt worden, dass es keine stufenweise Einführung des E-Rezepts mehr geben werde. „Stattdessen gibt es am 1. Januar 2024 einen Big Bang. Dann müssen alle Zahnarzt- und Arztpraxen das E-Rezept nutzen“, sagte Pochhammer.
Neuer KZBV-Vorstand offiziell im Amt
Im Rahmen der VV in Mainz wurden die Verträge des neuen KZBV-Vorstands finalisiert. Der neue Vorstand – Martin Hendges, Dr. Karl-Georg Pochhammer und Dr. Ute Maier – war bereits im März dieses Jahres von der VV gewählt worden, aufgrund von Neuregelungen in den Verträgen und der anschließenden Genehmigung durch das Bundesgesundheitsministerium als Aufsichtsbehörde hatten sich die Vertragsabschlüsse allerdings verzögert.
Zur ePA sagte er weiter: „Damit keine Missverständnisse entstehen: Die starke Fokussierung des BMG auf die ePA ist richtig. Aber wenn das BMG jetzt schon wieder zurück auf Los geht, dann sollten wir gründlich arbeiten und durchdachte Konzepte und Regelungen entwickeln – vor allem für die Befüllung, Zugriffssteuerung und die Forschungsdatenfreigabe.“
Heftige Kritik übte Pochhammer an der Verstaatlichung der gematik. „Begründet wird das allen Ernstes damit, die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben und den von Partikularinteressen getriebenen Stillstand der Einführung medizinischer Anwendungen zu beenden. So denkt das BMG über die Selbstverwaltung.“ Deutlicher könne das BMG nicht zum Ausdruck bringen, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens kein Gemeinschaftsprojekt mehr sei. „So wird aus der Digitalisierungsstrategie pure Anmaßung“, erklärte Pochhammer. sr
Die Vertreterversammlung fasste mit großer Mehrheit oder einstimmig eine Reihe von Beschlüssen – unter anderem zur TI. Diese finden Sie hier.