Erlebnisbericht: Mein Goldhämmer-Kurs

„Handwerkliche Exzellenz gehört zur Zahnmedizin“

Warum interessieren sich junge Zahnärzte heute für Goldhämmerfüllungen, eine zeitaufwendige und anspruchsvolle Füllungstechnik, die aus der Zeit gefallen scheint? Ist es nur eine romantisierende Marotte oder verweist das neue Interesse an alten Techniken auf grundsätzliche Leerstellen im Bild der modernen Zahnmedizin: dem Verdrängen des Handwerklichen durch omnipotente Werkstoffe, digitale Techniken und KI? Zahnmedizinstudent Henrik Ridder beschreibt, was ihn an der alten Technik reizt.

Die Welt der Zahnmedizin hat mich schon immer fasziniert, von ihren historischen Wurzeln bis zu modernsten Techniken. Als Student der Universität Greifswald ergab sich für mich vor einigen Monaten eine außergewöhnliche Lerngelegenheit: die Möglichkeit zur Teilnahme an einem internationalen Kurs zu Goldhämmerfüllungen. Diese Erfahrung sollte nicht nur meinen Horizont im Bereich der konservierenden Zahnmedizin erweitern, sondern öffnete mir – wie sich später herausstellte – auch Türen zu einer Welt zahnmedizinischer Handwerkskunst und moderner Innovation.

Der Kurs, der vom 29. Juni bis zum 2. Juli in Greifswald stattfand, hatte zum Ziel, die Kunst der Goldhämmerfüllungen zu bewahren und wieder neu zu beleben – eine Technik, die Jahrhunderte zurückreicht und dennoch zeitlose Bedeutung besitzt. Unter der Anleitung international angesehener Experten auf diesem Gebiet versprach der Kurs eine umfassende Reise durch theoretisches Wissen und praktische Anwendungen. Eigene Neugier und das Angebot unserer Universität, als Student an diesem Kurs teilzunehmen zu können, sorgten dafür, dass ich diese Gelegenheit einfach ergreifen musste. Die Möglichkeit, eine zahnärztliche Technik zu erkunden, die nur noch von wenigen beherrscht wird, tief in der Geschichte verwurzelt ist und dennoch auch heute noch Indikationen findet, war zu verlockend, um sie zu verpassen.

Der Kurs begann im Hörsaal der neuen Zahnklinik mit einführenden Vorträgen. Danach folgten Live-Demonstrationen und praktische Übungen, die von Experten der American Academy of Gold Foil Operators (AAGFO) geleitet wurden, zugegen waren Richard D. Tucker, David W. Thornburn, Richard Brinker, Tim J. Carlson, Warren Johnson, Dan Henry und Margaret Webb. Die Bereitschaft, ihr umfangreiches Wissen und ihre Erfahrung zu teilen, war äußerst inspirierend. Das umfassende Programm behandelte alles, was man sich als Einsteiger in diese Technik wünschen konnte – von der Erkundung der einzigartigen Eigenschaften von Gold als direktes restauratives Material bis hin zur Beherrschung der aufwendigen Vorbereitung und präzisen Platzierung sowie Ausarbeitung der Goldhämmerfüllungen.

Die Goldhämmerfüllung

Die Goldhämmerfüllung ist eine einzeitige Versorgung, bei der hochreines Gold direkt in der Kavität des Zahnes verdichtet wird. Aufgrund seiner Materialeigenschaften ist es bis heute die beste Möglichkeit, um kleine, nicht okklusionstragende Primärdefekte zu versorgen. Die Technik der Goldhämmerfüllung erfordert ein hohes Maß an handwerklichem Können und verzeiht keine Präparations- oder Ver­arbeitungsfehler; Bei richtigem Vorgehen ist die Lebensdauer jedoch nahezu unbegrenzt.

Die Indikationsgebiete überschneiden sich zum Teil mit Amalgam oder Komposit, so dass aus ökonomischen oder ästhetischen Gründen heute häufiger diese Füllungsmaterialien gewählt werden. Hinsichtlich der Biokompatibilität und der Lebensdauer ist jedoch die Goldhämmerfüllung allen anderen vorhandenen Füllungswerkstoffen in der minimalinvasiven Therapie überlegen.

OÄ Dr. Heike Steffen in „Goldhämmerfüllungen – Der Glanz der alten Technik“, zm 7/2023, S. 32.

Die Teilnahme an diesem Kurs war eine äußerst aufschlussreiche Erfahrung. Sie ermöglichte mir nicht nur, die nahtlose Verbindung von Tradition und Moderne in der Zahnmedizin zu erleben, sondern vertiefte auch meine Wertschätzung für Präzision, Geduld und akribische Detailarbeit. Die Interaktion mit leidenschaftlichen Experten, die großzügig ihr Wissen teilten, und die Zusammenarbeit mit anderen Kursteilnehmern, die wiederum meine Neugier teilten, war ungemein bereichernd. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mit den Mentoren in einem Raum saß, in dem der Livestream einer Patientenbehandlung von Richard D. Tucker übertragen wurde. Ich beobachtete und hörte, wie sich die Mentoren David W. Thorburn, Richard Brinker, Tim J. Carlson, Warren Johnson, Dan Henry und Margaret Webb gemeinsam über die Arbeitsweise ihres Kollegen austauschten. Währenddessen erhielten die Zuschauer immer wieder Tipps und Ratschläge, was man in der jeweiligen Situation beachten sollte und wie man mögliche Probleme vermeiden kann. Als Tucker mit seiner Klasse-V-Füllung fertig war, gratulierten ihm alle und zeigten Anerkennung für seine hervorragende Arbeit. Dieses Erlebnis zeigte mir, wie wichtig es ist, als Zahnarzt eine Studygroup beziehungsweise eine Gruppe von Kollegen zu haben, mit denen man sich über verschiedene Fälle und Techniken austauscht.

„Höhepunkt war meine erste eigene Goldhämmerfüllung“

Der Höhepunkt dieser Erfahrung war die Möglichkeit, das erworbene Wissen unmittelbar anzuwenden. Nur wenige Tage nach dem Kurs hatte ich die Gelegenheit, meine erste Goldhämmerfüllung an einem echten Patienten durchzuführen – und zwar im Rahmen des Studentenkurses der Zahnklinik der Universität Greifswald. Der Patient, ein 22-jähriger Zahnmedizinstudent, suchte die Behandlung aufgrund einer bereits diagnostizierten, inaktiven kavitierten Fissurenkaries an den Zähnen 16 und 17. Als Teilnehmer des Goldhämmerfüllungskurses kannte er die Vorzüge dieser Technik aus erster Hand und entschied sich deshalb bewusst für eine Goldhämmerfüllung.

Unter der fachkundigen Anleitung von Oberärztin Dr. Steffen, die die jährlichen Goldhämmerkurse organisiert, begann die Behandlung. Ich nahm mir viel Zeit, überprüfte jeden Schritt mehrfach und so erstreckte sich die Behandlung über knapp zwei Stunden. Obwohl es sich um meine erste am Patienten durchgeführte Goldhämmerfüllung handelte, war ich positiv überrascht, wie gut ich mit der neuen Technik zurechtkam.

Verglichen mit herkömmlichen Kompositfüllungen mag die Anwendung von Goldhämmerfüllungen zwar etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen. Aber die überlegene Haltbarkeit dieser Technik ist zweifellos unbestreitbar. Ich scherzte mit dem Patienten, dass ich ihn in ein paar Jahrzehnten erneut einbestellen werde, um zu sehen, wie seine Füllungen aussehen – schließlich sind sie für die Ewigkeit gemacht!

Die Teilnahme am Kurs empfand ich als eine Ehre und ein Privileg. Die Erfahrungen dieser Tage zeigten mir, dass Zahnmedizin über die fachlich-akademische Welt hinausgeht und dass Engagement für lebenslanges Lernen sowie Streben nach Exzellenz einen bedeutenden Unterschied in der persönlichen Motivation und Berufszufriedenheit bewirken können. Ich hoffe, dass ich durch meine Schilderungen dazu inspirieren kann, scheinbar unkonventionelle Techniken zu erlernen, die auch heute noch ihren Platz im therapeutischen Spektrum der Zahnheilkunde haben.

Nicht zuletzt bleibt damit ein Stück weit das „Erbe unseres Berufsstands“ lebendig. Dabei geht es nicht um das reine Kopieren der Technik von gestern: Goldhämmerfüllungen können heute im Umfeld modernster Technik, beispielsweise der Nutzung leistungsfähiger Lupenbrillen und bestem Licht, gelegt werden. Insofern profitiert die alte Technik von den Innovationen der letzten Dekaden. Beides miteinander verbunden kann in meinen Augen eine vielversprechende Zukunft für die Zahnmedizin gestalten – eine Zukunft, in der auch motorische Fertigkeiten wie das Legen von Goldhämmerfüllungen weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Handwerkliche Exzellenz gehört für mich zur Zahnmedizin.

Henrik Ridder

Universitätsmedizin Greifswald
Zentrum für Zahn-, Mund-
und Kieferheilkunde
Walther-Rathenau-Str. 42a,
17475 Greifswald
Henrik.Ridder@me.com

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