PAR-Therapie: An unserem Evaluationsbericht kommt keiner vorbei
Die KZBV hat zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO) anhand der Analyse aktueller Abrechnungsdaten das Geschehen rund um die Parodontitisbehandlungen ausgewertet. Das Ergebnis unseres Ende September vorgelegten Evaluationsberichts ist ebenso eindeutig wie erschreckend: Die Zahl der Parodontitis-Neubehandlungsfälle ist bei einer weiterhin unverändert hohen Krankheitslast im 1. Halbjahr 2023 massiv zurückgegangen. So lag die Zahl der Neubehandlungsfälle für die dreijährige präventionsorientierte PAR-Behandlungsstrecke im Juli dieses Jahres nur noch bei rund 92.400 – Tendenz weiter sinkend. Dies bedeutet einen Rückfall auf das niedrige Niveau vor Einführung der neuen PAR-Behandlungsstrecke.
Grund für diesen Einbruch ist die mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) wieder eingeführte Budgetierung. Im Jahr 2023 kommt es zur Überlagerung von Neubehandlungsfällen und Folgekosten aus den in 2021 und 2022 begonnenen Parodontitisbehandlungen, was bei sinkender Zahl von Neubehandlungsfällen in 2023 trotzdem zu einer höheren Gesamtleistungsmenge führt. Deshalb wäre es folgerichtig gewesen, im Ausgangsbudget für 2023 diesen Aspekt mit zu berücksichtigen. In 2022 hingegen sind primär nur die Kosten für die neuen Behandlungsfälle enthalten, da logischerweise die Folgekosten für die UPT-Strecke erst in 2023 und 2024 anfallen.
Dabei hatte die neue PAR-Behandlungsstrecke alle Anlagen, um zu einer Erfolgsgeschichte zu werden. Unsere Evaluation zeigt, dass die Zahl der Parodontitisbehandlungen nach Einführung der neuen, präventionsorientierten Behandlungsrichtlinie im Juli 2021 auch aufgrund des erleichterten Zugangs zur Therapie gestiegen ist – ein voller Erfolg für die Patientenversorgung, auch dank Ihrer Unterstützung, werte Kolleginnen und Kollegen. Ein Erfolg, der aber leider nur von kurzer Dauer war, wie unsere Zahlen zeigen.
Bleiben die gesetzlichen Rahmenbedingungen unverändert, wird dieser rückläufige Trend bei den Neuversorgungsfällen zwangsläufig anhalten. Die Regelungen des GKV-FinStG werden dazu führen, dass die Mittel nicht ausreichen und zunächst für die Weiterbehandlung der in den Vorjahren begonnenen Fälle aufgewendet werden müssen. Dies käme drastischen Leistungskürzungen gleich. Damit droht das Scheitern der neuen, präventionsorientierten Parodontitisversorgung – mit entsprechenden negativen Folgen für die Mund- und Allgemeingesundheit der Bevölkerung.
An dieser Stelle muss man sich kurz vor Augen führen, weshalb der Gesetzgeber das GKV-FinStG eingeführt hat. Das Ziel war, im GKV-System ein prognostiziertes Loch in Höhe von 17 Milliarden Euro zu stopfen. Dieses Defizit ist aber aus verschiedenen Gründen nicht eingetreten. Trotzdem hält man bisher an den Kürzungen für die Zahnärztinnen und Zahnärzte fest – und verschließt dabei die Augen vor den drohenden Folgekosten dieser Politik. Im zahnärztlichen Bereich summieren sich diese auf rund 200 Millionen Euro jährlich. Es ist auch von deutlich negativen Auswirkungen auf die Allgemeingesundheit der Versicherten und dadurch von Folgekosten auch im ärztlichen Sektor auszugehen – insbesondere im Zusammenhang mit Diabetes-Erkrankungen. Indirekte Krankheitskosten von unbehandelter Parodontitis liegen laut einer international vergleichenden Studie für Deutschland gar bei rund 34,79 Milliarden Euro. Hier muss noch einmal in aller Deutlichkeit betont werden, dass die Zahnärzteschaft nicht zu den Kostentreibern im Gesundheitswesen gehört – im Gegenteil, wir sind die Kostensenker. Denn der Anteil der zahnärztlichen Versorgung an den GKV-Gesamtausgaben ist von rund 9 Prozent im Jahr 2000 auf 6,11 Prozent in 2022 gesunken.
Wir setzen darauf, dass wir dem Bundesgesundheitsministerium, das wiederum verpflichtet ist, die Auswirkungen des GKV-FinStG auf die Parodontitis-Versorgung zu evaluieren, mit den Zahlen des von uns vorgelegten Evaluationsberichts die fatalen Auswirkungen dieser verfehlten Politik verdeutlichen können. An unserem Evaluationsbericht kommt die Politik jedenfalls nicht vorbei. Deshalb darf es nur eine Konsequenz geben: Die Leistungen der Parodontitistherapie müssen von der Budgetierung des GKV-FinStG noch in diesem Jahr ausgenommen werden.
Martin Hendges
Vorsitzender des Vorstandes
der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung