KBV, KZBV und ABDA in der Bundespressekonferenz

Heilberufler richten „Notruf“ an den Kanzler

Eine spürbare Verschlechterung der flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung sei ein absehbarer Fakt, sollte sich an dem schlingernden Politikkurs von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht schnell etwas ändern. So lautete die Warnung von Kassenärztlicher und Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KBV und KZBV) sowie der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Am 19. Oktober richteten sie in der Bundespressekonferenz in Berlin einen gemeinsamen „Notruf“ an Kanzler Olaf Scholz und die Parlamentsvertreter.

Die einzelnen Probleme seien zwar nicht grundsätzlich neu, die Ernsthaftigkeit der daraus resultierenden Bedrohungslage dann aber doch. Das Zusammenspiel von Bürokratie- und Sparwahn, holpriger Digitalisierung, dem belastenden Fachkräftemangel, der Arzneimittel-Lieferengpässe und wenig Verständnis des Ministers für eine präventive Versorgung drohten die von der Bevölkerung hoch geschätzte Versorgung „unwiederbringlich zu zerstören“.

Martin Hendges, Vorstandsvorsitzender der KZBV, schilderte in diesem Zusammenhang die „verheerenden Folgen in der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Parodontitis“, die sich aus der strikten Budgetierung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) ergeben. Das Spargesetz von Minister Lauterbach grätschte – wie vorhergesagt – mitten in die Einführungsphase der neuen, präventionsorientierten Behandlungsstrecke zur Bekämpfung der Parodontitis. „Schon im Gesetzgebungsverfahren im vergangenen Jahr hatten wir vor den Folgen eingehend gewarnt“, erinnerte Hendges. Deshalb habe der Bundestag das BMG auch gesetzlich dazu verpflichtet, die Auswirkungen auf die Parodontitisversorgung bis zum 30. September 2023 zu evaluieren. Doch auch Mitte Oktober liege das Ergebnis dieser Evaluation nicht vor.

Im Unterschied zum gemeinsamen Evaluationsbericht von KZBV und der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO). Er zeigt, dass die Zahl der Neubehandlungsfälle für die dreijährige PAR-Behandlungsstrecke eklatant eingebrochen ist (zm berichtete). „Mit rund 92.400 Neubehandlungsfällen im Juli 2023 sind wir bereits jetzt auf das niedrige Niveau vor Einführung der neuen Behandlungsstrecke zurückgefallen“, so Hendges. Ein Ende dieses Trendverlaufs sei nicht absehbar.

„Im Gegenteil: 2024 verschärft sich die Problematik durch das GKV-FinStG noch weiter, da nur noch die Mittel für die unterstützende Parodontitistherapie bei bereits laufenden Behandlungen aus den Vorjahren zur Verfügung stehen. Für neue Behandlungsfälle stehen dann keine Mittel mehr zur Verfügung – mit fatalen Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung.“ Wenn Lauterbach behaupte, dass keine Leistungen gekürzt werden, ignoriere er schlicht die Konsequenzen seines Handelns. Mit Blick auf die Folgekosten nicht frühzeitig behandelter Parodontitis, die sich allein im zahnärztlichen Bereich auf rund 200 Millionen Euro jährlich summieren, sei die Haltung Lauterbachs obendrein unsinnig.

„In der aktuellen Politik kann niemand ein strategisches Ziel erkennen“

Dem pflichtete auch KBV-Chef Dr. Andreas Gassen bei: In der aktuellen Gesundheitspolitik der Ampel-Regierung könne „niemand eine ordnende Hand oder ein strategisches Ziel erkennen“, sagte der KBV-Chef. Lauterbach habe seinerzeit zwar versprochen, unter ihm werde es keine Leistungskürzungen geben, „tatsächlich läuft seine ganze Politik aber genau darauf hinaus, wenn er die ambulanten Strukturen mit selbstständigen Freiberuflern als Rückgrat der Versorgung zerstört".

Bürokratie, Budgetierung und Fachkräftemangel erschwerten die Arbeit der Niedergelassenen und verschärften das Nachwuchsproblem. Wenn sich die Babyboomer in den Ruhestand verabschieden, steuere Deutschland auf einen Versorgungsengpass zu. Schon jetzt seien manche Praxen aufgrund des anhaltenden Fachkräftemangels dazu gezwungen, nur noch an vier Tagen pro Woche Sprechstunden anzubieten. Gleichzeitig läge die Budgetquote bei sieben bis zehn Prozent – wirtschaftlich sinnvoll in der ohnehin angespannten Lage sei es für die Niedergelassenen also, jede zehnte Leistung nicht zu erbringen. „Und die Bürokratie ist ein Riesenthema“, sagte Gassen und rechnete vor, dass die Niedergelassenen im Durchschnitt 61 Arbeitstage pro Jahr auf die Bürokratie verwenden.

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening stellte die Situation der Apothekerinnen und Apotheker im Land vergleichbar dramatisch dar: „In der Lieferengpass-Krise beweisen die Apotheken erneut, wie wichtig sie für die Daseinsvorsorge sind. Im Auftrag der Politik übernehmen sie immer mehr Aufgaben in der wohnortnahen Versorgung – doch trotz steigender Kosten wurde unsere Vergütung seit elf Jahren nicht angepasst.“ Infolgedessen befinde sich die Zahl der Apotheken im Sinkflug.

„Die Bundesregierung muss das flächendeckende Apothekennetz schnellstmöglich stabilisieren“, forderte Overwiening. Andernfalls drohte die Abwanderung des pharmazeutischen Nachwuchses in die Industrie oder Krankenkassenlandschaft. Sie betonte: „Apotheken sind mehr als reine Medikamentabgabestellen.“

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