Das BMG ignoriert erneut die Fakten

135806-flexible-1900
Heftarchiv Leitartikel
Martin Hendges

Nachdem die KZBV und die DG PARO am 29. September gemeinsam ihren umfassenden Evaluationsbericht zu den Auswirkungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) auf die dreijährige PAR-Behandlungsstrecke veröffentlicht hatten, hat nun auch das Bundesgesundheitsministerium seine Evaluierung – knapp einen Monat später als angekündigt – vorgelegt. Aber was lange währt, wird nur manchmal gut. Gerade einmal magere 5,5 Seiten umfasst das Papier aus dem BMG, wovon alleine 3 Seiten allgemeine Auslassungen zum GKV-FinStG und zum zahnärztlichen Vergütungssystem sind. Die übrigen 2,5 Seiten, die sich der Parodontitisversorgung und damit tatsächlich dem gesetzlichen Evaluationsauftrag widmen, wimmeln nur so von manipulativen Aussagen und unlauteren Behauptungen.

Um es kurz zu machen: Die Evaluierung des BMG kommt zu dem Ergebnis, dass durch das GKV-FinStG eine Verschlechterung der Versorgung von Versicherten mit Leistungen der Parodontitisversorgung nicht festgestellt werden könne. Damit ignoriert das BMG erneut entscheidende Fakten. Denn seine Auswertung ist eine statische Momentaufnahme und Ausweis einer kurzsichtigen, fehlgeleiteten Kostendämpfungspolitik, die die Versorgungsperspektive in 2024 und den Folgejahren nicht in den Blick nimmt. Wir haben in unserem Bericht aufgezeigt, dass das GKV-FinStG in 2023 zu einem kontinuierlichen Rückgang der Neubehandlungsfälle geführt hat. Im dritten Quartal 2023 gab es im Vergleich zum dritten Quartal 2022 Einbrüche in der Größenordnung von bis zu 30 Prozent auf rund 79.000 Neubehandlungsfälle im September 2023. Damit liegt die Versorgung in der Jahresmitte 2023 sogar unterhalb des Versorgungsniveaus der „alten“ PAR-Richtlinie. Alles deutet derzeit darauf hin, dass sich dieser bundesweit rückläufige Trend weiter in hohem Maße fortsetzen wird. Damit wird das mit der PAR-Richtlinie des G-BA verbundene Versorgungsziel im Gegensatz zu den Schlussfolgerungen der BMG-Evaluierung klar verfehlt. Um es ganz deutlich zu sagen: Das ist für die Mund- und Allgemeingesundheit der Menschen eine Katastrophe.

Gerade zu hanebüchen ist die Begründung, die das BMG für diesen Rückgang der Behandlungsfälle liefert. So behauptet das BMG, dass eine vermeintliche „Verlangsamung des Anstiegs“ der Neubehandlungsfälle – bei der es sich in der Realität vielmehr um einen deutlichen Rückgang handelt – aufgrund „begrenzter Behandlungskapazitäten“ der Zahnarztpraxen „nicht überraschend“ sei. Dabei lässt das BMG außen vor, dass sich die Praxen parallel zu den langjährigen Verhandlungen im G-BA auf die Herausforderungen bei der Bekämpfung der Parodontitis ausgerichtet und Kapazitäten aufgebaut haben. PAR-Neubehandlungen sind organisatorisch gut in den Praxisablauf zu integrieren. Sie sind gut planbar. Begrenzte Behandlungskapazitäten können insofern nicht der Grund für den Rückgang der Neubehandlungsfälle sein. Tatsächlich ist dies einzig auf die mit Einführung der strikten Budgetierung politisch verursachte Planungsunsicherheit in den Praxen zurückzuführen. Selbst bei den nun zu beobachtenden rückläufigen Neuversorgungsfällen in 2023 würden die durch das GKV-FinStG stark beschnittenen Budgets im Laufe des ersten Quartals 2024 keine neuen PAR-Versorgungsfälle mehr zulassen.

Die negativen Konsequenzen der Budgetierung auf den Umfang der Parodontitisversorgung sind langfristig für das GKV-System mit erheblichen Kosten verbunden. Allein im zahnärztlichen Bereich summieren sich die Folgekosten auf rund 200 Millionen Euro jährlich und liegen damit sogar deutlich über den 120 Millionen Euro, die das GKV-FinStG für 2023 im zahnärztlichen Bereich eigentlich einsparen wollte.

Fakt ist: Durch die mit dem GKV-FinStG wiedereingeführte strikte Budgetierung der Gesamtvergütungen in der vertragszahnärztlichen Versorgung fehlen die finanziellen Mittel, um die neue, präventionsorientierte Parodontitistherapie flächendeckend auf ein der hohen Krankheitslast angemessenes Niveau zu heben.

Daher bleiben wir bei unserer klaren Forderung: Wie bereits für andere Präventionsleistungen mit dem GKV-FinStG vorgesehen, ist es zwingend erforderlich, auch die Leistungen der Parodontitistherapie von der Budgetierung des GKV-FinStG zeitnah – noch in diesem Jahr –auszunehmen.

Martin Hendges

Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung

135806-flexible-1900

ZA Martin Hendges

Vorstandsvorsitzender der KZBV
Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.