„Den Workload als MdB habe ich unterschätzt“
Herr Bartelt, Sie sind jetzt seit knapp sechs Monaten Mitglied des Deutschen Bundestags. Wo hat sie der Alltag als MdB überrascht?
Christian Bartelt: Tatsächlich hatte ich den Zeitaufwand wirklich unterschätzt, den es in Anspruch nimmt. Ich bin von einer 45-Stunden-Woche ausgegangen. Dass es teilweise zwischen 60 und 80 Stunden pro Woche sind, hatte ich so nicht auf dem Zettel. Aber es ist trotzdem machbar.
Hinzu kam im Herbst vergangenen Jahres dann ja noch die Herausforderung, ein Büro neu zu organisieren.
Ja, aber was das angeht, habe ich einfach das riesige Glück gehabt, dass ich sowohl das Büro als auch die Angestellten von meinem Vorgänger Hagen Reinhold übernehmen konnte. Ich bin damit in fertige und gut funktionierende Strukturen gekommen.
Nachdem Sie zwischenzeitlich öffentlich als Nachfolger ihres ebenfalls ausgeschiedenen Parteikollegen Lars Lindemann als Fraktions-Obmann im Gesundheitsausschuss gehandelt worden waren, ging die Funktion Mitte März an Kristin Lütke. Was sagen Sie zu der Entscheidung?
Das war eine klare Sache der Mehrheitsverhältnisse in der Abstimmung der AG Gesundheit, in der ich noch nicht stimmberechtigt war und deren Vorsitzende Frau Lütke ist. Aber das spielt für mich insofern keine Rolle, weil ich letzten Endes gerade was die Berichterstattung und den Zuschnitt der Fachlichkeit angeht, bekommen habe, was ich immer wollte. Ich bin jetzt verantwortlich für den ganzen ambulanten Bereich, das heißt für die Freien Berufe wie niedergelassene Zahnärzte und niedergelassenen Ärzte. Das kompensiert das auf jeden Fall.
Bedeutet die Entscheidung auch, dass Pflege aus Sicht der Fraktion eine größere Rolle als Zahnmedizin spielt? Frau Lütke ist ja als Unternehmerin im Pflegebereich tätig.
Nein. Das ist ja das Kuriose an der ganzen Geschichte. Denn Frau Lütke übernimmt gar nicht das Thema Pflege. Sie hat beruflich damit zu tun, aber nicht als Bundestagsabgeordnete. Das ist eine Compliance-Geschichte, mit der vorher auch argumentiert wurde, warum ich nicht die Zahnarztthemen übernehmen sollte. Dabei ist es ein Themenfeld, in dem ich mich gut auskenne.
Ein großes Thema aus Sicht der Zahnärzteschaft – und neulich Gegenstand im Gesundheitsausschuss – ist Private Equity. Die FDP ist ja klassischerweise investorenfreundlich, hier kollidiert diese Haltung jedoch mit den Vorstellungen der Zahnärzteschaft. Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen?
Da bin ich auch sehr ambivalent. Als Mecklenburger haben wir mit investorenbetriebenen MVZ so gut wie keine Berührungspunkte, aber ich sehe tatsächlich die Notwendigkeit, dass KZVen und Kammern mehr Eingriffsmöglichkeiten haben. Auch innerhalb der Fraktion gibt es dazu kontroverse Meinungen. Vorrangig muss es natürlich ums Patientenwohl gehen. Und Studien zum Abrechnungsverhalten von investorenbetriebenen MVZ und Berichte zu den Arbeitsbedingungen der dort angestellten Kollegen, mit denen nicht so gut umgegangen wird, geben zu denken. Aber grundsätzlich gehören iMVZ zum breiten Feld der Versorgung mit dazu.
Bis zum Ende der Legislatur stehen alle Reformen unter dem Finanzierungsvorbehalt des FDP-Finanzministers. Was ist gesundheitspolitisch überhaupt noch umsetzbar bis zum Beginn des Wahlkampfs im Herbst?
Na, was auf jeden Fall umsetzbar ist und was umsetzbar sein muss, ist ein eigenes Bürokratieentlastungsgesetz. Da haben wir endlich auch vom Bundesgesundheitsminister die Zusage bekommen, dass es ein eigenes Gesetz und nicht irgendwo in anderen Gesetzen mit beigemengt wird – und wir die eine oder andere Kröte für die Umsetzung hätten schlucken müssen. Insofern bin ich sehr gespannt. Andere Regelungen, wie etwa die Krankenhausreform stehen ja nicht zwingend unter dem Finanzierungsvorbehalt, sondern sind eher von der Zustimmung der Länder abhängig.
Eine Dauer-Herausforderung für den Politikbetrieb sind die Störfeuer der AfD. Jüngst sorgte etwa die Aktion von Kay-Uwe Ziegler für Wirbel, der sich kurzerhand selbst zum Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses erklärte. Wie schwer behindern Vertreter der AfD aus Ihrer Wahrnehmung den demokratischen Prozess auf Bundesebene?
Es gehört einfach zum Kalkül der AfD, mit solchen Aktionen zum einen den normalen Ablauf zu behindern und sich zum anderen anschließend in den sozialen Medien als Opfer präsentieren und so Wähler akquirieren zu können. Wir haben gelernt, mit solchen Aktionen umzugehen, auch wenn das jüngste Ereignis sicher eine neue Eskalationsstufe markiert.
Inwiefern trägt die AfD überhaupt inhaltlich etwas bei beziehungsweise liefert sie wertvolle Impulse zur Gesundheitspolitik?
Nein. Da geht es tatsächlich eher darum, zu diskreditieren, zu stören und einfach populistische Aussagen zu treffen. Gehaltvolles kam aus der Ecke noch gar nicht.
Sie hatten den großen Workload in Ihrer Tätigkeit als MdB eingangs schon angesprochen. Zusätzlich praktizieren Sie weiterhin in eigener Praxis, haben nur wochenweise eine Vertreterin. Wie gut funktioniert es mit dem Bohren in der sitzungsfreien Zeit?
Das funktioniert tatsächlich gut. Ich habe Gott sei Dank die nette Kollegin, die mich in den Sitzungswochen vertritt und mir dadurch die Arbeit um einiges erleichtert. Es ist gut zu wissen, dass meine Patienten versorgt sind und sie sich um das Personal kümmert. Wenn ich in der sitzungsfreien Zeit in Spantkow bin, habe ich gut zu tun und mache lange Tage. Das ist anstrengend und zeitaufwendig, aber ich möchte es in keinster Weise missen.
Wie oft geben Ihnen Patienten oder Patientinnen im Anschluss an die Behandlung noch einen Auftrag mit nach Berlin?
Tatsächlich klopft mir wahrscheinlich etwa jeder Zweite auf die Schulter und wünscht mir, dass es nächste Woche wieder vernünftig läuft in Berlin. Ich werde auch konkret auf Themen angesprochen, aber das gehört schon länger mit dazu. Ich werde immerhin seit Jahrzehnten mit der FDP assoziiert.
Im Vorfeld haben Sie gesagt, Sie freuen sich darauf, sich zu Hause regelmäßig wieder zu erden. Wie weit weg ist das gesundheitspolitische Berlin vom Alltag eines Behandelnden in einer Einzelpraxis?
Das ist schon ein gutes Stück. Darum ist es ja auch ganz gut, wenn man in der Politik als Praktiker aus dem Alltag berichten kann. Tatsächlich tritt beim einen oder anderen auch mal ein Aha-Effekt ein. Aber eine Diskrepanz ergibt sich schon zwischen dem ländlichen Raum und Berlin. Und das ist ja nicht nur auf den Zahnarzt gemünzt, sondern betrifft in Gänze das Land und die Großstädte. Aber keine Frage: Der Bundestag ist nochmal eine extra Blase.
In gut einem halben Jahr schaltet die Berliner Republik dann wieder in den Wahlkampfmodus. Kandidieren Sie 2025 noch einmal für den Bundestag?
Auf jeden Fall. Ich habe meinem Landesverband auch schon ganz offiziell mitgeteilt, dass ich gewillt bin, noch einmal als Spitzenkandidat anzutreten. Denn wenn man hier Dinge umsetzen will, braucht man eine gewisse Zeit zur Eingewöhnung, um Netzwerke herzustellen und auch um in Positionen zu kommen, in denen man etwas bewegen kann. An dem Punkt bin ich jetzt, die verbleibenden anderthalb Jahre sind dann doch eine relativ kurze Zeit. Und die Dinge, die man angeschoben hat, will man natürlich auch gerne weiterführen und zu Ende bringen. Aber wenn es nichts wird, dann freue ich mich darauf, wieder mehr Zeit in der Praxis und für meine Patienten zu haben. Da bräche für mich überhaupt keine Welt zusammen.
Das Gespräch führe Marius Gießmann.