Fachärztetag in Berlin zur Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems

Wie lange geht die Rundum-sorglos-Mentalität noch gut?

Wie lange ist das „Rundum-sorglos-Paket“ der gesetzlichen Krankenkassen für Patientinnen und Patienten noch machbar? Auf dem SpiFa-Fachärztetag des Spitzenverbands der Fachärzte Deutschlands am 14. März in Berlin diskutierten Expertinnen und Experten Instrumente wie die Entbudgetierung, Jahrespauschalen und Eigenanteile.

Wir sind am Kipppunkt der Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems“, warnte Karin Maag, Unparteiisches Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), auf einer Diskussionsveranstaltung beim Fachärztetag. Es gebe wenig Möglichkeiten, an den bestehenden Stellschrauben zu drehen. Die GKV-Ausgaben stiegen, die Beitragssätze seien hoch, die Ressourcen nahezu aufgebraucht, das Wachstumspotenzial der Wirtschaft begrenzt und die Patienten müssten steigende Zusatzbeiträge aufbringen, zählte Maag auf. Im internationalen Ranking der Gesundheitssysteme habe Deutschland seinen Spitzenplatz verloren. Von echten Strukturreformen sei man weit entfernt. Vor dem gleichbleibenden Anspruch an GKV-Leistungen stelle sich die Frage, wie lange die heute bestehende Rundum-sorglos-Mentalität noch gut gehen kann.

Um Reformen anzustoßen, brauche es Mut, unterstrich Maag. Die Instrumente dazu lägen ja auf dem Tisch: ein höheres Rentenalter, eine Entbudgetierung und eine bessere Patientensteuerung mit weniger häufigen Arztkontakten. Ferner sollten die Ambulantisierung gefördert und die Prävention gestärkt werden, schlug sie vor. Regierung und Opposition müssten einen Konsens finden, es gelte, die Länder einzubeziehen und Enquete-Kommissionen einzurichten. In dem Zusammenhang sollte sich auch die Selbstverwaltung als Vordenker einbringen und Lösungsmodelle entwickeln.

Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KV Westfalen-Lippe, unterstützte Maags Vorschläge: „Wir haben Fehlanreize geschaffen“, sagte er. Man müsse vom Quartalsgedanken und von der Wiedereinstellungspraxis in Arztpraxen wegkommen und stattdessen auf Jahrespauschalen gehen, schlug er vor. Die Zahl der Arztkontakte pro Patient müsse reduziert werden. Dem pflichtete Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des SpiFa, bei. Die Praxen würden überschwemmt mit Banalitäten, erklärte er. Die wirklich Kranken müssten „intelligent gesteuert“ werden. Dr. Annette Rommel, Vorsitzende der KV Thüringen, setzte sich für eine Stärkung der Prävention als gesamtgesellschaftliches Projekt ein, etwa bei der Gesundheitserziehung in Schulen.

Ärzte sind keine Inkasso-Unternehmer

Doch was sind die richtigen Steuerungsinstrumente? Hier ploppte das Thema Eigenanteil auf. Allerdings, betonte Heinrich, dürfe der Arzt nicht als Inkasso-Unternehmer fungieren. Er spielte damit auf das Modell der Praxisgebühr an, bei dem GKV-Versicherte von 2004 bis 2012 in den Praxen zehn Euro pro Arzt- und Zahnarztbesuch je Quartal zahlen mussten, die den Kassen zugute kamen. „Das Geld muss dort bleiben, wo die Leistung erbracht wird“, forderte Heinrich.

Letztlich seien auch ökonomische Steuerungselemente sinnvoll, zeigte sich Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbands, überzeugt. „Eine Selbstbeteiligung mit vielen Ausnahmen steuert nicht“, sagte er. Stattdessen könnten finanzielle Anreize oder auch Hürden greifen. „Wir müssen etwas tun, damit die Notfallversorgung nicht unnötig in Anspruch genommen wird“, forderte er. Jedoch fehle es nicht an Erkenntnissen, sondern am politischen Willen, auch entsprechend zu handeln und die Konzepte umzusetzen.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.