Nicht nur die zahnärztliche Versorgung ist in Gefahr

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Martin Hendges

Zusammen mit den drei anderen tragenden Säulen der Gesundheitsversorgung in Deutschland hat die KZBV am 11. April in der Bundespressekonferenz die Gesundheitspolitik der Bundesregierung scharf in die Kritik genommen. Die Spitzen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) haben zusammen mit uns ihre Kritikpunkte vorgebracht. Allein diese Allianz sollte auch dem Letzten deutlich machen, dass es hier nicht um Partikularinteressen einzelner Berufsgruppen geht. Vielmehr eint uns alle vier die Sorge, ob die Menschen in Deutschland auch in Zukunft noch flächendeckend und wohnortnah Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und Apotheken finden werden. Denn ohne unmittelbare politische Weichenstellungen droht das Gesundheitssystem zu kollabieren. Dies geht zulasten der Patientenversorgung.

Um es deutlich zu sagen: Die zahnärztliche Versorgung, wie wir sie alle kennen, ist in Gefahr. Das ist die unvermeidliche Folge einer kurzsichtigen versorgungsfeindlichen Gesundheitspolitik. Dazu gehört auch eine nicht am Praxisalltag ausgerichtete Digitalisierungsstrategie und eine überbordende Bürokratie, die uns Zahnärztinnen und Zahnärzte von unserer Kernaufgabe – der Patientenversorgung – abhalten. Durch diese niederlassungsfeindlichen Rahmenbedingungen drohen vorzeitige Praxisschließungen. Zudem halten sie zunehmend die junge Zahnärzteschaft davon ab, sich niederzulassen. Sie wissen es alle: Vor allem in ländlichen und strukturschwachen Regionen kommt es bereits heute zu Versorgungsengpässen.

Die Kostendämpfungspolitik von Bundesgesundheitsminister Lauterbach hinterlässt aber noch an anderer Stelle tiefe Einschnitte: Mit Blick auf die Bekämpfung der Volkskrankheit Parodontitis müssen wir aufgrund der wiedereingeführten strikten Budgetierung mittlerweile von einem unumkehrbaren Schaden für die Patientenversorgung ausgehen. Wie wir wissen, ist erst 2021 die neue, präventionsorientierte Parodontitistherapie in die Versorgung gekommen. Jedoch hat das BMG die hierfür notwendigen Mittel bei seinen Budgetvorgaben im Rahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes nicht einbezogen. Die Folgen sehen wir jetzt in aller Deutlichkeit: ein dramatischer Rückgang bei den Parodontitis-Neubehandlungsfällen!

Konkret: Die durchschnittlich etwa 120.000 Neubehandlungen pro Monat im Jahr 2022 sind auf circa 77.500 Ende 2023 eingebrochen. Das hat natürlich fatale Auswirkungen auf die Versorgung und entspricht bei Weitem nicht den Zielvorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die Folgen einer unbehandelten Parodontitis für die ganze Gesundheit des Menschen sollten inzwischen hinlänglich bekannt sein. Umso verwunderlicher ist es, dass Minister Lauterbach der Parodontitisbehandlung die Mittel entzieht und somit klar gegen eine präventionsorientierte Patientenversorgung handelt. Neben den gesundheitlichen Auswirkungen ist diese Politik auch volkswirtschaftlich langfristig enorm schädlich. Denn mit einer unbehandelten Parodontitis gehen auch immens hohe Folgekosten für das Gesundheitssystem einher: Im zahnärztlichen Bereich summieren sich diese pro Jahr auf rund 200 Millionen Euro. Hinzu kommen indirekte Krankheitskosten von knapp 35 Milliarden Euro. Eine konsequente Therapie und Prävention von Parodontitis, an der rund 30 Millionen Menschen in Deutschland leiden, würden diese Kosten zumindest deutlich reduzieren.

Auch der kürzlich vorgelegte Referentenentwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) sieht nicht vor, die Parodontitistherapie mit den notwendigen Mittel zu unterfüttern. Vergeblich sucht man darin auch – trotz mehrfacher Ankündigung des Ministers – eine Regulierung Medizinischer Versorgungszentren, die von versorgungsfremden Investoren (iMVZ) betrieben werden. Mit dem Referentenentwurf des GVSG bleiben die dringenden versorgungspolitischen Probleme also weiterhin ungelöst – mit erheblichen Gefahren für die Patientenversorgung.

Unsere Vorschläge für eine weiterhin flächendeckende, wohnortnahe und hochwertige Versorgung liegen auf dem Tisch, werden aber von Lauterbach konsequent ignoriert. Ohne Kooperations- und Gesprächsbereitschaft kann aber die Transformation des Gesundheitswesens im Sinne der rund 84 Millionen Menschen in Deutschland nicht gelingen.

Martin Hendges
Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung

Lesen Sie mehr zur Kritik der vier Gesundheitsorganisationen auf S. 12.

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Martin Hendges

Vorstandsvorsitzender der KZBV
Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung

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