Dr. Romy Ermler zur GOZ-Anhörung im Bundestag

„Manche Leistungen haben ihr Gesicht völlig verändert!“

„Die GOZ ist völlig veraltet. Als Abrechnungsgrundlage für eine moderne Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist sie nur noch bedingt geeignet“, stellte BZÄK-Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler auf einer Anhörung im Bundestags-­Gesundheitsausschuss klar.

Am 24. April fand im Bundestag auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion eine öffentliche Anhörung des Gesundheitsausschusses zur Anpassung der Gebührenordnungen für Ärzte (GOÄ) und Zahnärzte (GOZ) statt. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) unterstützt den Antrag, eine Novelle der beiden Gebührenordnungen in Form einer Rechtsverordnung unverzüglich auf den Weg zu bringen.

Eine Novellierung der GOZ sei dringend notwendig. „Die GOZ ist fachlich wie betriebswirtschaftlich völlig veraltet und als Abrechnungsgrundlage für eine moderne Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde nicht mehr beziehungsweise nur noch bedingt geeignet“, betonte BZÄK-Vizepräsidentin Ermler, die als Sachverständige die Fragen der Abgeordneten beantwortete.

Über 160 zahnärztliche Leistungen sind nicht beschrieben!

„Viele 1988 fachlich korrekte Leistungen werden heute als fachlich überholt nicht mehr erbracht. Manche Leistungen haben ihr Gesicht völlig verändert. Und inzwischen gibt es über 160 zahnärztliche Leistungen, die in der GOZ nicht beschrieben sind", führte sie bei der Anhörung aus. Damit diene eine Novellierung der GOZ auch den Patientinnen und Patienten.

Hinzu komme aber die wirtschaftliche Lage der Zahnarztpraxen: „Ausnahmslos alles ist teurer geworden – außer die (GOZ-)Leistungen der Zahnärztinnen und Zahnärzte. Die Entfernung eines Weisheitszahns kostet heute genau so viel wie vor 30 Jahren. Ein wöchentlich erscheinendes Politikmagazin kostete 1988 umgerechnet 2,30 Euro, heute 4,99 Euro. Ein Preisanstieg über 100 Prozent.“ Ermler wies darauf hin, dass nicht nur die fachlichen Leistungen angepasst werden müssten: Ebenso wichtig sei eine Dynamisierung des Punktwerts.

Knapp 109 Prozent Wertverlust seit 1988

Die BZÄK hat im Vorfeld der Anhörung eine schriftliche Stellungnahme abgegeben, in der sie den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktionen zur Novellierung der Gebührenordnungen für Ärzte und Zahnärzte mit diesen Argumenten unterstützt:

  • Die GOZ ist fachlich wie betriebswirtschaftlich völlig veraltet und als Abrechnungsgrundlage für eine moderne Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde nicht mehr beziehungsweise nur noch bedingt geeignet.

  • Seit 1988 ist keine Anpassung des Punktwerts an die veränderten gesamtwirtschaftlichen und strukturellen Verhältnisse in der Zahnarztpraxis erfolgt. Im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung hat eine kontinuierliche Anhebung der dort geltenden Punktwerte stattgefunden.

  • Durch die allgemeine Inflation hat sich seit 1988 das Honorar für zahnärztliche Leistungen bis heute um knapp 109 Prozent entwertet; allein die vergangenen drei Jahre haben mit rund 16 Prozent nochmals gravierend dazu beigetragen. Auch die Teilnovellierung 2012 hat daran nichts Wesentliches geändert.

  • Viele 1988 beschriebene Leistungen sind heute als fachlich überholt anzusehen und haben sich in ihrem Inhalt und in ihrer Ausführung stark verändert. Inzwischen gibt es über 160 zahnärztliche Leistungen, die in der GOZ nicht beschrieben sind.

  • Wenn sich die Bundeszahnärztekammer nicht mit der PKV und der Beihilfe in einem Beratungsforum für Gebührenordnungsfragen darum kümmern würde, durch gemeinsame Empfehlungen dem Reformstau zu begegnen, wären die Probleme noch viel größer. Es bleibe aber Aufgabe des Verordnungsgebers, die Probleme der GOZ zu beseitigen.

  • Die Nichtanpassung verstößt auch gegen Gleichbehandlungsgrundsätze. So wurde etwa die Vergütung der Rechtsanwälte im Jahr 2003 geändert und angehoben. Der Grundsatz, dass wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich behandelt werden darf, genieße immerhin Verfassungsrang, so die BZÄK.

  • Gefordert wird auch die Einführung einer Anpassungsklausel in der GOZ. Es müsse eine verbindliche Verpflichtung zur regelmäßigen Überprüfung und Anpassung der zahnärztlichen Vergütung aufgenommen werden. Nur so könne es gelingen, dass der Punktwert die ihm zugewiesene Funktion – nämlich die wirtschaftliche Entwicklung aufzufangen – erfüllt.

Hier geht's zur kompletten Stellungnahme.

Ein klares Nein zur Abschaffung

Die Frage, ob man die GOZ nicht ganz abschaffen könne, beantwortete die Vizepräsidentin klar mit „Nein!“. Auch wenn der Leistungskatalog veraltet sei, erlaube nur die GOZ, dass neue Leistungen überhaupt durchgeführt werden können. Nur hier gebe es die Möglichkeit von Analogberechnungen. Für sie stehe fest: „Benötigt wird eine Reform innerhalb des Systems und keine Abschaffung!“

Ermler machte darauf aufmerksam, dass heute keine Zahnarztpraxis wirtschaftlich ohne Privatversicherte auskommt. Auch für Patienten ergäben sich daraus Konsequenzen: Ob die Sozialversicherung etwa die Kosten für eine höherwertige Versorgung tragen oder dieses Wahlrecht der Patienten dann wegfallen würde, fragte sie. Auch die Prävention, etwa die Professionelle Zahnreinigung, wäre davon betroffen.

„Die aktuelle GOÄ ist in sich schräg“

Einen Großteil der Anhörung nahmen Fragen und Antworten zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ein. Bei den geladenen Experten herrschte hinsichtlich des Novellierungsbedarfs Einigkeit. Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), verwies darauf, dass die aktuell gültige GOÄ aus dem Jahr 1982 stammt und 1996 nur in Teilen novelliert wurde. Weder der medizinische Fortschritt noch die Kosten- und Preisentwicklung der vergangenen Jahrzehnte seien aufgenommen worden – zum Ausgleich würden komplizierte Analogberechnungen herangezogen. Dies führe aber oft zu Intransparenz und Rechtsunsicherheiten. Reinhardt erläuterte den Stand der jahrelangen Vorarbeiten zur GOÄ, die die BÄK zusammen mit dem PKV-Verband und der Beihilfe – unter Einbindung ärztlicher Fachverbände und Fachgesellschaften – geleistet hat. Ein Entwurf für ein modernes Leistungsverzeichnis liege vor, für alle Leistungen seien betriebswirtschaftliche Preise ermittelt worden. Er erwarte nach den Abstimmungsprozessen ein Ergebnis noch vor der Sommerpause. Die Bundesregierung müsse auf Basis der Vorarbeiten eine Novelle der GOÄ „endlich auf den Weg bringen“. Das sei auch im Sinne der Patienten, so Reinhardt. Dr. Florian Reuther, PKV-Verbandsdirektor, stimmte dem BÄK-Präsidenten zu.

Unterstützung kam von Prof. Dr. Jürgen Wasem, Universität Duisburg-Essen, der als Sachverständiger geladen war. Die derzeitige GOÄ sei „in sich schräg“, weil der medizinische Fortschritt dort nicht stattfinde und die relativen Preise nicht mehr stimmten. Außerdem sei die Sprechende Medizin zu wenig berücksichtigt. Dringend forderte er eine Relationierung und Aktualisierung, um neue Leistungen abzubilden. Auch das Vergütungsniveau müsse angepasst werden. Außerdem sollten die Gebührenverzeichnisse der Ärzte und Zahnärzte generell in kürzeren Zeitabständen angepasst werden.

In ihrem Antrag fordert die CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung auf, ihren bisherigen Widerstand gegen die längst überfällige Novellierung der GOÄ und der GOZ aufzugeben. Dabei sollten die wesentlichen Akteure in die Beratungen einbezogen und die bereits geleisteten Vorarbeiten maßgeblich berücksichtigt werden. In Zukunft müsse ein Mechanismus etabliert werden, der eine regelmäßige Anpassung der beiden Gebührenordnungen mit Blick auf den medizinischen Fortschritt und die Kostenentwicklung ermöglicht. Die Novellierung der Gebührenordnungen wird im Koalitionsvertrag der Ampel nicht erwähnt.

Während die Vergütungen der Zahnärztinnen und Zahnärzte von der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung abgekoppelt wurden, seien die Kosten für den Praxisbetrieb – etwa Strom, Wasser, Hygiene- oder Personalkosten – gestiegen, betonte Ermler abschließend. Das habe auch Auswirkungen auf die Gründungsbereitschaft jüngerer Kolleginnen und Kollegen, und damit auch insgesamt auf die Versorgung im ländlichen Raum.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.