Walmart schlieẞt alle 51 Gesundheitszentren

Auch die PZR für 25 Dollar gibt es jetzt nicht mehr

Nach fünf Jahren Testbetrieb schließt das weltgrößte Einzelhandelsunternehmen Walmart bis August alle seine 51 Gesundheitszentren in den USA. Zum Angebot zählten auch zahnärztliche Leistungen. Experten sind entsetzt.

Ein „herausforderndes Erstattungsumfeld und eskalierende Betriebskosten“ hätten zu einem Mangel an Rentabilität der Gesundheitszentren in den fünf US-Bundesstaaten Florida, Arkansas, Georgia, Illinois und Texas geführt, teilt Walmart in seinem Unternehmensblog mit. Die Entscheidung kommt den Reaktionen in US-Medien nach zu urteilen vergleichsweise überraschend: Noch im März 2023 hatte Walmart angekündigt, die Zahl seiner Gesundheitszentren bis Ende 2024 auf 75 erhöhen zu wollen.

Als die erste Filiale von „Walmart Health“ im September 2019 eröffnet wurde, verkündete Walmart, die Gesundheitszentren sollten ein Ort sein, an dem Patienten „unabhängig vom Versicherungsstatus eine kostengünstige Versorgung in Anspruch nehmen können“ und an dem sich – vor allem in strukturschwachen Gebieten ein Vorteil – viele Leistungen unter einem Dach befinden.

„Walmart Health ist das erste Unternehmen, das Primär- und Notfallversorgung, Labore, Röntgen und Diagnostik, Beratung, zahnärztliche, optische und Hördienstleistungen in einer Einrichtung vereint und mit erfahrenen Anbietern zusammenarbeitet“, schrieb das Unternehmen. In der Anfangszeit bot Walmart Health zahlreiche vergünstigte Leistungen an, zum Beispiel eine Professionelle Zahnreinigung für 25 US-Dollar.

Die New York Times bewertet den Ausstieg Walmarts aus der Gesundheitsversorgung als Teil eines Trends in den USA, wonach fachfremde Unternehmen nach Pilotprojekten diesen Bereich wieder verlassen. Bereits 2021 hatten Amazon, Berkshire Hathaway und JPMorgan Chase den Aufbau eigener Versorgungsstrukturen für Beschäftigte wieder gestoppt. Und im März 2024 hatte die US-Apothekenkette Walgreens nach Milliardenverlusten angekündigt, 160 der mehr als 200 von ihr betriebenen Gesundheitszentren wieder zu schließen.

Wenn Walmart es nicht schaffen kann, wer dann?

Walmart betreibt weiterhin 4.600 Apotheken- und mehr als 3.000 Optiker-Standorte im ganzen Land. Außerdem will das Unternehmen noch mehr Dienstleistungen und Gesundheitsprogramme anbieten. So hat das Ende 2022 gegründete unternehmenseigene Institut WHRI zum Ziel, die Versorgung unterversorgter Gemeinden durch Forschung zu verbessern, und bietet dazu bisher in Studien unterrepräsentierten Patientengruppen die Möglichkeit, an klinischer Forschung teilzunehmen.

In der jüngeren Vergangenheit hatte Walmart erfolgreich medizinisch unterversorgte US-Amerikaner erreicht, die sich Behandlungen oder Medikamente nicht leisten können. 2021 brachte der Einzelhändler etwa ein günstiges Eigenmarkeninsulin auf den Markt, erinnert das Forbes-Magazin, das ausführlich über die Schließung der Gesundheitszentren berichtet. Dabei stellen die Journalisten die Frage: „Wenn es die beiden Multi-Milliarden-Dollar-Unternehmen Walmart und Walgreens nicht schaffen, in der Primär- und Sofortversorgung rentable Geschäftsmodelle zu entwickeln, kann es überhaupt jemand?“

Laut Forbes gibt es ein generelles Kostenproblem mit der US-Notfallversorgung in der Fläche. Ambulante Gesundheitszentren seien nötig, um die Kosten im Rahmen zu halten. Schätzungen zufolge hätten etwa ein Drittel der Patienten, die letztlich in den Notaufnahmen von Krankenhäusern behandelt werden, in einem Gesundheitszentrum zu einem Bruchteil der Kosten behandelt werden können. Eine US-Studie aus dem Jahr 2021 soll ergeben haben, dass die durchschnittlichen Kosten für einen Besuch in der Notaufnahme 1.646 US-Dollar betragen, dem stehen 171 US-Dollar Kosten für einen Notfallbesuch in einem Gesundheitszentrum gegenüber.

Forbes Gastautor Web Golinkin, selbst Chef von sechs Gesundheitsunternehmen, zeichnet ein düsteres Bild: Es sei schlecht bestellt um die ambulanten Versorgungsstrukturen, die anders als große Kliniken Defizite nicht querfinanzieren könnten. Einen wirtschaftlich bedingten Zusammenbruch eben dieser ambulanten Versorgungsstrukturen könne das US-Gesundheitswesen nicht verkraften, prognostiziert er. Immerhin würden in Gesundheitszentren, wie sie Walmart nun schließt, in den USA jährlich 200 Millionen Patientenkontakte bewältigt.

Patienten in ländlichen oder unterversorgten Gebieten werden aufgrund der Schließungen wohl Probleme bekommen, einen Arzt zu finden und für den Besuch dann längere Strecken zurücklegen müssen, beklagte Hal Andrews, Geschäftsführer des Gesundheitsberatungsunternehmens Trilliant Health. „Die Leute müssen wieder mit dem Auto in die Großstadt fahren“, sagte Andrews. „Der Gang zum Arzt wird einen ganzen Tag dauern. Wir machen einen Rückschritt.“

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