Diplome an der Wand kommen immer gut
Auch in den USA hat sich die Bevölkerung mittlerweile daran gewöhnt, den Arztbesuch als Videokonsultation abzuhalten. Die Pandemie führte auch dort zu einer raschen Einführung der Telemedizin. Allerdings hat das Gros der Mediziner keine Ahnung, wie man sich selbst und seine Umgebung vor der Kamera präsentiert: „Die meisten Ärzte wurden nicht in Bildschirmmanieren – inklusive eines angemessenen Settings – fortgebildet“, stellte das Team um Nathan Houchens von der University of Michigan fest. Die Forschenden fragten in ihrer Studie daher die Patienten, welche visuellen Hintergründe sie bei der Zoom-Sprechstunde bevorzugen und was dieser Rahmen über die Fähigkeiten des betreffenden Arztes aussagt.
Insgesamt nahmen 1.213 Patienten an der Umfrage teil. Die Datenerhebung erfolgte zwischen dem 22. Februar und dem 21. Oktober 2022. Dabei wurden den Probanden Fotos eines Modellarztes in sieben verschiedenen Umgebungen gezeigt, aus denen sie den aus ihrer Sicht besten Hintergrund auswählen und beurteilen sollten: Wie sachkundig, vertrauenswürdig, fürsorglich, zugänglich und professionell wirkte der Arzt in dem jeweiligen Setting und wie wohl fühlte sich der Befragte? Bei dem Score zwischen 1 und 10 wiesen höhere Werte auf eine stärkere Präferenz hin.
Küche oder Schlafzimmer sind ein No-Go
Im Ergebnis bevorzugten zwei Drittel der Teilnehmer einen traditionellen Hintergrund bei der Videosprechstunde, wobei die Arztpraxis, also das Sprechzimmer oder das Behandlungszimmer, die höchsten Bewertungen erhielt. Kompetenz vermitteln auch Ärztinnen und Ärzte, die ihre Abschlüsse an die Wand hängen: Die Praxis, die Diplome ausstellte, schnitt bei allen Arzttypen am besten ab (35 Prozent).
Dagegen waren Houchens und seine Kolleginnen und Kollegen überrascht, wie sehr es Patienten abschreckt, wenn Ärzte sich zu Hause in der Küche oder gar im Schlafzimmer zeigten: Nur 2 beziehungsweise 3,5 Prozent fanden diese Hintergründe in Ordnung, verglichen mit einem Arztbüro (18 Prozent), einem virtuellen einfarbigen Hintergrund (14 Prozent) oder einem Heimbüro mit Bücherregal (14 Prozent).
Selbst wenn der Arzt meilenweit von seiner Praxis entfernt ist, sollte er den Eindruck erwecken, er sei dort, empfehlen die Forschenden. Noch besser sei, wenn er tatsächlich auch in seinem Büro sitzt und seine Diplome hinter ihm hängen. Die Alternative sei ein virtueller Hintergrund, der das Büro wiedergibt, insbesondere bei neuen Patienten. Dagegen sollten Mediziner unscharfe oder virtuelle Hintergründe verwenden, wenn sie die Videosprechstunde in ihrem Haus durchführen. Handelt es sich um Räume, die mit anderen Ärzten geteilt werden, könnte ein virtueller Hintergrund auch helfen, visuelle Ablenkungen zu reduzieren.
Ein virtueller Hintergrund ist am besten für Zuhause
„Patienten haben klare Erwartungen, wie die Kleidung und der Arbeitsplatz von Ärzten auszusehen haben. Diese Studie hat gezeigt, dass Patienten das bevorzugen, was früher als traditionelle oder professionelle Kleidung und Umgebung bezeichnet wurde“, sagte Houchens. „Diplome und Qualifikationen erinnern Patienten an die Fachkompetenz, die sie von einem Arzt erwarten, und umgekehrt geht etwas verloren, wenn der Hintergrund eine entspannte, informelle häusliche Umgebung vermittelt.“
Das Besprechen sichtbarer Elemente aus dem virtuellen Hintergrund sowohl eines Arztes als auch eines Patienten – zum Beispiel Kunst und andere private Gegenstände – könne ebenfalls dabei helfen, eine Beziehung aufzubauen, bemerkte Houchens. „Patienten sehen oft Details, die Ärzte möglicherweise nicht wahrnehmen."
Houchens N, Saint S, Kuhn L, Ratz D, Engle JM, Meddings J. Patient Preferences for Telemedicine Video Backgrounds. JAMA Netw Open. 2024;7(5):e2411512. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.11512