Interview mit einem Praxischef

„Feedback hilft den jungen Kollegen, ihren Weg zu finden!“

„Man muss die Probezeit intensiv nutzen, um zu schauen, ob der neue Kollege in die Praxis passt.“ Wie es gelingt, Nachwuchszahnärzte gut in die Praxis einzuführen, sie zu motivieren und langfristig zu halten, erklärt Zahnarzt Hagen Stille. Er betreibt ein MVZ in einer Kleinstadt bei Dresden.

Herr Stille, Sie haben regelmäßig junge Assistenzzahnärztinnen und -zahnärzte in Ihrer Praxis. Was ist für einen guten Auftakt und eine gelungene Zusammenarbeit wichtig?

Hagen Stille: Wir teilen die jungen Zahnärzte anfangs immer in der ­gleichen Schicht und mit demselben erfahrenen Kollegen ein. Eine etablierte Zahnmedizinische Fachassistenz an der Seite ist auch wichtig, weil die Jungen meist nur wenig praktische Erfahrungen mitbringen und den Ablauf in der Praxis noch nicht kennen. Sie werden also immer begleitet während der Arbeit.

Bei uns gibt es auch stets einen Ansprechpartner, an den sie sich wenden können und das in jedem Praxisbereich – im Abrechnungsteam, in der Buchhaltung, bei den Dienstplänen, in der Zahntechnik und so weiter. Das entlastet mich als Chef auch und die neuen Ärzte finden schnell Anschluss im Team. Wichtig ist meiner Meinung nach allgemein, sich auf die neue
Generation einzulassen.

Die jungen Zahnärzte ­haben oft andere Vorstellungen von Behandlungen und auch Arbeitszeiten. Sie möchten oft mehr Urlaub und nicht so lange arbeiten, wie es die Praxis­zeiten erfordern. Das stellt auch unsere Praxis vor größere Herausforderungen. Anpassungen und Flexibilität sind ­weitere Bindungsfaktoren und tragen zur Attraktivität bei. Wir haben beispielsweise die 4-Tage-Woche eingeführt.

Wie reagieren Sie auf Unsicherheiten und Fehler? Oder wenn es mal hakt?

Unsicherheiten verschwinden erfahrungsgemäß durch Routine. Aber sie müssen auch selbst überwunden werden im Laufe der Zeit. Wir führen fehlerhafte Behandlungen noch einmal gemeinsam durch oder der Assistenzarzt assistiert möglichst aktiv, um die Abläufe zu verinnerlichen. Fehler passieren, daraus kann man lernen und sich weiterentwickeln. Manchmal ist es aber nötig, den Patienten gemeinsam weiterzubehandeln, um dessen Vertrauen nicht zu verlieren, wenn dieser verunsichert reagiert. Auch das ist kein Problem und sollte jeder Praxis bewusst sein.

Umgekehrt kommen die Nachwuchszahnärzte von Zeit zu Zeit auch mit eigenen Visionen von Behandlungsstrategien oder neuen Behandlungsarten, die sie in Magazinen gelesen oder aus neuen Studien haben. Da wäre mein Rat, diese, wenn möglich auch zuzulassen. Wenn neue Verfahren und Methoden Einzug halten, kann es zu einer Evolution im eigenen Haus kommen.

Was sind Ihre Methoden, um die Nachwuchszahnärzte zu motivieren – gerade auch, nachdem mal etwas schiefgegangen ist?

Manche jungen Zahnärzte haben ein geringeres Selbstvertrauen und damit auch wenig Glauben die eigene Arbeit. Diese Kollegen kann man motivieren, indem man ihnen deutlich macht, dass sie innerhalb kurzer Zeit auf einem ganz anderen Niveau arbeiten werden. Wir haben einen festen wöchentlichen Termin, um Fragen zu klären und Dinge zu besprechen. Dort geben wir erfahrenen Zahnärzte positives oder korrigierendes Feedback. Das hilft den jungen Ärzten, ihren Weg zu finden. Außerdem darf der Assistent mich auch aus der Behandlung holen und auch zwischendurch nach Hilfe oder Rat fragen, wenn das die Situation erlaubt.

Es gibt aber auch Zahnärzte, die ihre Fähigkeiten überschätzen und in der Planung von Behandlungen oft nicht praktikable Versorgungen durchführen wollen. Hier muss man dann als Chef oder Vorgesetzter im Sinne der Patienten eingreifen und dem Assistenten klar machen, wo es hakt oder weshalb sein Vorgehen nicht funktioniert.

Was müsste Ihrer Meinung nach getan werden, um junge Zahnärztinnen und Zahnärzte auch für die Arbeit in ländlicheren Regionen zu begeistern? Stichwort Landflucht und Nachwuchsmangel.

Meiner Meinung nach liegt die Lösung für ein attraktives Arbeiten in ländlichen Regionen in einer Mischung aus politischer Förderung und guten Arbeitsbedingungen. Etwa, eine Verkürzung der Assistenzzeit im ländlichen Raum – nur ein Jahr statt zwei Jahre. Und auch die Aufhebung der Beschränkung bei der Ausbildung von Assistenzärzten im ländlichen Raum: Viele Kollegen können nicht genügend Assistenzärzte einstellen, da sie pro Arzt nur einen ausbilden dürfen. Wenn wegen Schwangerschaft oder sonstiger Gründe nicht genügend Kollegen in der Praxis arbeiten, können diese auch nicht eine ausreichende Menge an Assistenzärzten einstellen, um das das Patientenaufkommen zu bewältigen.

Sind junge Kollegen erst einmal gut in einer Praxis angekommen, bleiben sie oft und können langfristig als Zahnarzt auf dem Land etabliert werden. Zu attraktiven Arbeitsbedingungen gehören auch attraktive Gehälter. Oftmals werden im städtischen Raum höhere Gehälter bezahlt. Mindestens diese oder auch höhere sollte man als ländliche Praxis bereit sein zu zahlen, wenn es möglich ist. Des Weiteren kann man den jungen zahnärztlichen Kollegen auch bei der Anfahrt mit einem Zuschuss zu den Fahrtkosten, einem Jobticket oder einem Firmenwagen helfen.

Wir haben den Vorteil, dass wir in der Nähe von Dresden unsere Praxis haben. Damit ist es für unsere Zahnärzte möglich, aus der Stadt zu uns zu kommen. Kollegen, die ihre Praxen weiter entfernt haben, finden derzeit kaum Assistenzärzte. Wenn, dann ist es ihnen nur möglich, ihre Stellen mit ausländischen Arbeitskräften zu besetzen, da diese in Städten schwieriger eine Anstellung finden.

Wie finden Sie heraus, ob eine Zusammenarbeit über die Assistenzzeit hinaus sinnvoll ist?

Ob ein Nachwuchszahnarzt in die Praxis passt, entscheidet sich meist schon im ersten halben Jahr. Natürlich hat jeder Behandler seinen eigenen Stil und entwickelt eine eigene Handschrift. Diese sollte man nach Möglichkeit zulassen oder nicht zu sehr einschränken. Wenn das jedoch nicht in die Praxisphilosophie passt, ist ein Wechsel für den Arzt und auch für die Praxis sinnvoller oder sogar notwendig, denke ich. Als Praxisinhaber muss man die Probezeit intensiv nutzen, um zu schauen, ob der neue Kollege in die Praxis passt. Grundsätzlich bekommen alle Kollegen, die bei uns die Assistenzzeit abschließen, von uns ein Angebot für eine langfristige Anstellung. Dadurch konnte in den letzten Jahren unser Team von Zahnärzten immer weiterwachsen. Darauf sind wir stolz.

Zur Praxis

Die Zahnarztpraxis Stille in Ottendorf-Okrilla im Landkreis Bautzen, Sächsische Schweiz, besteht seit 2009. Sie ist 400 m² groß und hat 7 Behandlungszimmer. Derzeit sind 4 Zahnärzte in der Praxis tätig, 14 ZFA, 2 Rezeptionskräfte, 2 Azubis und 2 ZMV. Es gibt eine eigene Zahntechnik mit 4 Zahntechnikern. Für das kommende Jahr plant Hagen Stille eine Erweiterung der Behandlungkapazitäten. Aktuell wird ein neuer Ausbildungsassistent gesucht.

Das Gespräch führte Laura Langer.

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