Interview mit Dr. Oliver Hermann

„Wir hören, Patienten sind hier dankbarer“

Warum investiert die brandenburgische Kleinstadt Wittenberge in Stipendien für angehende Zahnärzte und Mediziner? Bürgermeister Dr. Oliver Hermann hat uns erklärt, was hinter der Initiative steckt und für wen sich eine Praxis auf dem Land eignen könnte.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Nachwuchs durch Stipendien zu unterstützen und damit in den ländlichen Versorgungsraum zu locken?

Dr. Oliver Hermann: Dass eine Kommune Stipendien vergibt, ist natürlich keine ganz neue Idee. Die Stadt Wittenberge widmet sich personell bereits seit zwei Jahren dem Thema der Ärzteversorgung. Nachdem die Idee aufkam, es Städten, die mit diesem Modell gute Erfahrungen gemacht haben, gleich zu tun, fanden Gespräche mit den Stadtverordneten der Elbestadt statt. Die Mittel für ein Stipendium wurden im Haushalt eingestellt. Am Ende sind es durch die sehr gute Bewerberlage und in Absprache zwischen Politik und Verwaltung sogar zwei Förderungen für den ärztlichen und zahnärztlichen Bereich geworden. Nachwuchsgewinnung ist dabei für uns ein wichtiger Bereich der Ärzteversorgung. Daneben möchten wir Zahnärzte unterstützen, die bereits hier vor Ort praktizieren und Angebote für die schaffen, die noch auf der Suche sind nach einem passenden Arbeitsort.

Die Zahnmedizinstudentin Romy Philipowitz hat sich gezielt auf das Stipendium in Wittenberge beworben, weil sie aus Brandenburg stammt und auch gerne dorthin zurück möchte. Sie sieht das also nicht nur als Zwischenstation, sondern als Zukunftsort. Ist das die ideale Ausgangslage oder hoffen Sie auch darauf, den einen oder anderen von außerhalb noch überzeugen zu können?

Es ist ein Idealfall. Für uns sind natürlich besonders solche Bewerber interessant, die bereits mit der Region verbunden sind und sich vorstellen können hier langfristig Fuß zu fassen. Frau Philipowitz kennt als gebürtige Prignitzerin die Region und die Menschen, die hier leben. Eine zwingende Voraussetzung war es jedoch nicht. Es gab auch Interessenten, die nicht aus Wittenberge oder der Prignitz stammen. Auch hiermit haben wir gute Erfahrungen gemacht. Zuletzt wurde in Wittenberge eine Zahnarztpraxis von einer Zahnärztin übernommen, die vorher in Mecklenburg-Vorpommern praktizierte. 2025 bekommt Wittenberge eine Kieferorthopädin, die vorher in Berlin lebte und bereits an verschiedensten Orten in ganz Deutschland arbeitete.

Welche Vorteile hat man als Landzahnärztin und für wen eignet sich der Schritt?

Von einer Zahnärztin, die in Wittenberge praktiziert, haben wir gehört, dass hier die Patienten dankbarer seien als in Metropolregionen. Eine häufige Antwort von Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten ist, dass man so die Patienten besser kennenlernt. Hier behandelt man in der Regel eine ganze Familie und es entsteht eine gewisse Nähe, wobei es in der Großstadt oft anonymer zugeht. Darüber hinaus bietet Wittenberge als Arbeitsort durch seine gute Anbindung an Berlin und Hamburg etwas aus beiden Welten: Die Nähe zu den Metropolen als auch die Vorzüge einer naturnahen und familienfreundlichen Kleinstadt.

Was wünschen Sie sich von der Politik oder anderen Stellen, um den Beruf in ländlichen Regionen attraktiver zu gestalten?

Ein staatliches Zahnmedizinstudium ist sehr kostenintensiv. Alleine die Materialkosten belaufen sich unseres Wissens schon auf über 10.000 Euro. Der hohe Numerus Clausus ist ebenfalls ein Faktor, der den Zugang zum Studium erschwert. Aus unserer Sicht müssen mehr Menschen einen Zugang zum Zahnmedizinstudium erhalten, unabhängig vom NC und den privaten Einkommensverhältnissen. Weiterhin würden wir uns wünschen, dass zukünftig noch mehr Institutionen Stipendien für Medizin und Zahnmedizin vergeben, um so Anreize für angehende Medizinerinnen und Mediziner in ländlichen Regionen zu schaffen.

Planen Sie die Weiterführung der Stipendien?

Ja, ein weiteres Stipendium ab 2025 erhielt die volle Zustimmung der Abgeordneten und ist ein Bestandteil der Haushaltsdiskussion 2024.

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Das Gespräch führte Laura Langer.

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