Jubiläumstagung der DG PARO

Schnittstellen der Parodontologie

Die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO) feierte mit über 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieses Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum. Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen und Prof. Dr. Henrik Dommisch führten an drei Kongresstagen im World Congress Center Bonn (WCCB) durch das Programm.

Als Präsident der DG PARO und Kongresspräsident eröffnete Dommisch die Jubiläumstagung und wies auf die Bedeutung der deutschen Parodontologie als eine der ältesten Fachgesellschaften Europas hin. Er ehrte den wissenschaftlichen Kongresspräsidenten Søren Jepsen für sein klinisches und wissenschaftliches Lebenswerk, das national wie international einzigartig sei und die deutsche Parodontologie der vergangenen Jahrzehnte entscheidend geprägt habe.

Am ersten Tag startete der Kongress mit einer Master Clinic. Dann standen Vorträge zu sieben „Schnittstellen der Parodontologie“ im Fokus: Allgemeinmedizin, Alter, Regeneration, Endodontologie, Kieferorthopädie, Implantologie sowie zervikale Läsionen. Parallel fanden acht Symposien, fünf Workshops beziehungsweise Hands-on-Kurse, wissenschaftliche Kurzvorträge und Posterpräsentationen und der DG-PARO-Teamtag statt. Die DG PARO sammelte überdies Spenden, die direkt an den gemeinnützigen Förderkreis Bonn zum Wohle krebskranker Kinder gingen. Über 1.000 Euro kamen zusammen.

Meet the Giants

Auf dem Symposium „Meet the Giants in Periodontology: looking back into the Future“, das im Bonner Universitätsclub zusammen mit der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina durchgeführt wurde, berichteten top-gerankte und weltbekannte Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner über ihren akademischen Werdegang und gaben Einblicke in aktuelle und zukünftige Forschungsprojekte. Zielgruppe des Symposiums war der akademische Nachwuchs – im Anschluss bot sich die Gelegenheit zum persönlichen Austausch mit den ganz Großen, die die moderne Parodontologie in den vergangenen 20 Jahren maßgeblich geprägt haben.

Am Freitag begann das Hauptprogramm mit der Session „Systemische Schnittstellen“. Prof. Maurizio Tonetti (Shanghai, China) widmete sich dem Thema „Parodontitis, Ernährung und gesundes Altern“. Er stellte die Ergebnisse aktueller Studien zu den Auswirkungen vor, die Parodontitis und Zahnverlust auf die Ernährung, die Entzündungslast, das Risiko für chronische Erkrankungen und damit auf die systemische Gesundheit haben können. Insbesondere Parodontitis im Stadium IV, charakterisiert durch ausgeprägte Zahnlockerungen, Zahnwanderungen, Zahnverluste und damit eine terminalen Dentition, führe zu einer erheblichen Verschlechterung der Lebensqualität.

Ältere Menschen mit fortschreitendem Verlust der Kaufunktion aufgrund von Parodontitis hatten Beschwerden beim Essen und Trinken, was mit einer geringeren täglichen Energiezufuhr verbunden war. Sie verzehrten weniger Gemüse und Obst und nahmen somit weniger Ballaststoffe sowie essenzielle Makro- und Mikronährstoffe auf, was negative Folgen für den Gastrointestinaltrakt, das orale Mikrobiom und die systemische Immunreaktion hatte. Die Behandlung der Parodontitis, die Rehabilitation der Kaufunktion und die Anpassung der Ernährung durch kombinierte zahnärztliche und ernährungsbezogene Interventionen führten zu einer verbesserten Nahrungsaufnahme und hatten positive Effekte auf die allgemeine Gesundheit.

In der Session „Schnittstelle Alter“ ging Prof. Frauke Müller (Genf, Schweiz) in ihrem Vortrag „Natürliche Zähne bis ins hohe Alter – ein Risiko für die Gesundheit?“ auf die Herausforderungen ein, die mit zunehmendem Alter auf Patienten, Behandler und Pflegende zukommen. Vor dem Hintergrund von Immunoseneszenz und Inflammaging und eines erhöhten Pneumonierisikos durch orale Keimbelastung wird die Notwendigkeit einer adäquaten Mundhygiene und professioneller zahnmedizinischer Betreuung gerade auch im Alter deutlich. Verringerter Speichelfluss und Schluckstörungen sind erschwerende Faktoren und führen zu vermehrter Aspiration von pathogenen Mikroorganismen sowie erhöhter Kariesanfälligkeit besonders im Zahnwurzelbereich. Zusätzlich lassen Sehkraft und Feinmotorik nach und sozialer Rückzug und Selbstvernachlässigung begleiten oft das Älterwerden. Mehr Zahnerhalt und mehr Implantatversorgungen im Alter sind eine deutlich positive Entwicklung der letzten Jahrzehnte, so Müller.

In der Session „Schnittstelle Regeneration“ stellte Dr. Sandro Cortellini (Florenz, Italien) in seiner Präsentation „Regeneration hoffnungsloser Zähne“ die erfolgreiche Behandlung vermeintlich extraktionswürdiger Zähne vor. Er betonte, dass die parodontale Regeneration die Prognose dieser Zähne ganz erheblich verbessern kann und belegte dies mit Daten aus eigenen prospektiven Langzeitstudien mit einer Dauer von über 20 Jahren. Diese zeigten hohe Überlebensraten von zunächst stark kompromittierten Zähnen, die von ihm regenerativ-chirurgisch behandelt worden waren und anschließend eine stringente UPT erhielten. Darüber hinaus machte er deutlich, dass dies eine kostengünstigere Alternative zur Zahnextraktion mit anschließendem Zahnersatz durch eine Brücke oder eine Implantatversorgung bietet.

Save teeth whenever possible

In der Session „Schnittstelle Endodontologie“ beantwortete Kongresspräsident Prof. Henrik Dommisch (Berlin) die Frage „Endo-Paro-Läsionen – immer hoffnungslos?“. Endodontales und parodontales Gewebe stehen über Dentintubuli und Seitenkanäle in Verbindung. Die Klassifikation dieser komplexen Läsionen sei vielfach überarbeitet und schließlich mit der aktuellen Klassifikation parodontaler Erkrankungen und Zustände (2018) präzisiert worden. Diese orientiere sich an der Ätiologie der Läsion und schließe iatrogene Schäden an der Wurzel und dentales Trauma ein. Seitenkanäle im apikalen Drittel der Wurzel sowie in Bi- und Trifurkationen seien wichtige Kommunikationswege, die entzündliche Reaktionen im parodontalen wie endodontalen Gewebe ermöglichen. Die Therapie einer Endo-Paro-Läsion solle ursachenorientiert und gegebenenfalls interdisziplinär erfolgen. Nach endodontitischer Therapie und subgingivaler Instrumentierung können resektive oder regenerative parodontalchirurgische Interventionen zu weiteren parodontalen Verbesserungen führen. Dommisch zeigte, dass selbst Zähne mit Knochenverlust bis zum Apex durchaus erfolgreich erhalten werden können. „Save teeth – whenever possible“, beendete er seinen Vortrag.

In der Session „Schnittstelle Kieferorthopädie“ behandelte Prof. Conchita Martin (Madrid, Spanien) das Thema „Kieferorthopädie bei Patienten mit Parodontitis“. Metaanalysen zeigen, dass eine KFO-Therapie bei Patienten mit einer behandelten Parodontitis genauso erfolgreich wie bei Patienten ohne Parodontitis durchgeführt werden kann. Sie betonte, dass es zu keiner signifikanten negativen Veränderung der parodontalen Parameter und auch nicht zu einer Zunahme von Wurzelresorptionen kommt, wenn geeignete Apparaturen mit ausreichender Verankerung (etwa Mini-Implantate als temporäre Verankerungsgeräte) verwendet werden und präsentierte viele erfolgreich interdisziplinär durchgeführte Behandlungsfälle.

Prof. Meike Stiesch (Hannover) präsentierte in der Session „Schnittstelle Implantate“ innovative Forschungsansätze aus ihrem DFG-Sonderforschungsbereich mit dem Titel „Intelligente Implantate: Prävention durch Innovation“. Hierzu sollen zunächst Biomarker für periimplantäre Entzündungen identifiziert und anschließend selbstregulierende Sensor-Aktor-Systeme auf Basis chemischer und zellulärer Systeme entwickelt werden. Diese sollen es den „intelligenten“ Implantaten in der Zukunft ermöglichen, Biofilm-induzierte entzündliche Veränderungen nicht nur frühzeitig zu erkennen, sondern auch auf diese therapeutisch zu reagieren. Aktuell werden komplexe Simulationsmodelle entwickelt, um diese Sensor-Aktor-Systeme in vitro, in silico und in vivo zu evaluieren.

Prof. Raluca Cosgarea (Bonn) stellte in der Session „Schnittstelle Zahnhals“ in ihrem Vortrag „Zervikale Läsionen – ein sensibles Thema“ zunächst die verschiedenen nicht kariesbedingten zervikalen Läsionen vor, die zu einer Dentinexposition verbunden mit Hypersensibilität und Schmerzen führen. Sie berichtete, dass eine aktuelle europaweite Studie eine hohe Prävalenz dieser Läsionen gezeigt hat. Aktuell gibt es für die Therapie keinen Goldstandard, jedoch konnte sie einige Behandlungs-Empfehlungen geben: Neben der Beachtung patientenbezogener Faktoren wie Ernährungsgewohnheiten steht die Optimierung der häuslichen Mundhygiene im Vordergrund. Ebenso kann ein Verschluss der Dentintubuli durch verschiedene Over-the-counter-Produkte erzielt werden. Die professionellen Behandlungsmöglichkeiten der Dentinhypersensibilität reichen von Fluoridierung über Laseranwendung, Restaurationen bis hin zur chirurgischen Rezessionsdeckung.

Wir danken Dr. Julian Baumeister (Bonn), Dr. Anna-Lena Bruns (Bonn), Dr. Daniela Hoedke (Berlin), Dr. Denica Kuzmanova (Berlin), Jakob Mischke (Bonn), Dr. Ivet Tezer (Bonn), die die Inhalte der Vorträge zusammengefasst haben.

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