Teamführung

Wenn der Winterblues die Laune trübt

In der dunklen Jahreszeit fällt es vielen Menschen schwerer, motiviert zu bleiben. Die niedergelassene Zahnärztin Dr. Claudia Bellen hat in einem Workshop mit ihrem Team nach Auswegen aus dem sogenannten Winterblues gesucht.

Das Thema haben wir in einem Workshop aufgegriffen, in dem es übergeordnet um Motivation und Resilienz ging“, berichtet Bellen, die seit 2005 eine Praxis in Neuwied, Rheinland-Pfalz, führt. „Beide Eigenschaften sind mir als Praxischefin sehr wichtig, denn sie sind die Voraussetzung dafür, dass wir als Team funktionieren und unsere Patientinnen und Patienten sich wohlfühlen.“

In einer Umfrage von Statista in Zusammenarbeit mit YouGov haben knapp 60 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer angegeben, sich zumindest manchmal vom Winterblues betroffen zu fühlen. Sie berichteten, unter Antriebs- und Energielosigkeit zu leiden. „Weitere Symptome sind Lustlosigkeit, etwas zu unternehmen, ein erhöhtes Schlafbedürfnis, Niedergeschlagenheit, Melancholie und das Bedürfnis, mehr Zeit zu Hause zu verbringen“, schreibt Statista.

Die Ursachen für den Winterblues – in der Fachsprache auch saisonale affektive Störung (SAD) genannt – sind nicht vollständig verstanden (siehe Kasten). Eine wasserdichte wissenschaftliche Analyse, was wirklich hinter dem Winterblues steckt, ist Praxischefin Bellen nicht so wichtig. „Viele der Kolleginnen – und da schließe ich mich durchaus ein – fühlen ihn einfach und haben sich einen Workshop gewünscht, in dem es darum geht, wie man diese Zeit gut übersteht“, sagt die Zahnärztin. Für sie als Chefin habe dieses Anliegen Sinn gemacht, auch vor dem Hintergrund, das Team für das immer sehr stressige, vierte Quartal zu stärken.

Das steckt hinter den Symptomen

Laut dem „Dorsch Lexikon der Psychologie“ gehört die saisonal abhängige affektive Störung, umgangssprachlich „Winterdepression“ genannt, in den aktuellen Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-5 zu den rezidivierenden depressiven Störungen. Die Diagnose kann gestellt werden, wenn erstens ein regelmäßiger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten von depressiven Episoden und einer bestimmten Jahreszeit (zum Beispiel Winter) besteht und es zweitens regelmäßig zu einer vollständigen Remission ebenfalls in der gleichen Jahreszeit (zum Beispiel im Frühling) kommt. Diese depressiven Episoden müssen drittenszwei Jahre in Folge mit saisonalem Bezug aufgetreten sein. In dieser Zeit sollten keine depressiven Episoden ohne saisonalen Bezug beobachtet worden sein. Viertens sollte die Zahl der depressiven Episoden mit saisonalem Bezug im Lebenszeitverlauf die Zahl der nicht saisonal gebundenen Episoden deutlich übersteigen. Laut Dorsch tritt die saisonal abhängige affektive Störung in höheren Breitengraden gehäuft vor.

Dr. Susanne Woitzik, die den Workshop geleitet hat und Bellen schon seit vielen Jahren bei Themen wie Team-Entwicklung und Praxiswerte begleitet, bestätigt, dass das Stresslevel in zahnärztlichen Praxen am Jahresende enorm steige. „Das bedeutet, es muss sehr viel Energie in die tägliche Arbeit gesteckt werden. Gleichzeitig fällt es vielen aufgrund des winterlichen Wetters schwer, in der Freizeit frische Energie zu tanken“, so die Trainerin. Damit war das zentrale Thema des Workshops gesetzt: Wie gelingt dieser Spagat in den kalten und dunklen Monaten?

Vielen Menschen fällt es aufgrund des winterlichen Wetters schwer, in der Freizeit frische Energie zu tanken.

Dr. Susanne Woitzik, Trainerin

Sie können Ihr Team auch „winterlich“ motivieren

Wichtig ist aus Woitziks Sicht vor allen Dingen, in der Freizeit einen Ausgleich zu finden, der zu den eigenen Bedürfnissen passt. „Die Einen erholen sich am besten allein, zum Beispiel bei einem guten Buch, die Anderen tanken in der Gruppe auf, etwa bei Spieleabenden oder beim Sport im Verein.“ Wichtig sei, sich im Winter einen Schubs zu geben und Freizeitaktivitäten bewusst zu planen. Feste, sich wiederholende Termine vereinfachen das. Aus dem Gespräch mit der Trainerin und den Mitarbeiterinnen nahm Zahnärztin Bellen mit, dass für viele die körperliche Regeneration (vor allem) im Winter zu kurz kommt. „Hinhören, auch zwischen den Zeilen, halte ich für den Schlüssel zum Erfolg“, sagt sie. „Deshalb gab es zu Weihnachten für alle einen Gutschein in einer Wellness-Einrichtung, den jede nach ihrem Geschmack für Sauna, Massage oder Ähnliches einsetzen kann.“

Im Arbeitskontext empfiehlt Woitzik Chefinnen und Chefs, sich Zeit für das Team zu nehmen und „kleine Fixpunkte für den Austausch zu setzen“. Im vollgepackten Arbeitsalltag einer Zahnarztpraxis erfordere auch das rechtzeitige Planung. „Man kann beispielsweise an jedem ersten Montag im Monat eine Stunde für das Team reservieren und gemeinsam Mittagessen“, schlägt Woitzik vor. Praxischefin Bellen fügt hinzu, dass sie auch spontane Lücken im Terminplan, die etwa durch einen geplatzten Behandlungstermin entstehen können, nutzt: „Normalerweise würden in dieser Zeit alle irgendwelche liegengebliebenen Aufgaben erledigen. Das ist eine Möglichkeit – aber die Zeit für eine gemeinsame Pause zu nutzen, ist eine Option, von der alle mehr profitieren.“

Resilienz und Motivation sind für mich als Praxischefin die Voraussetzung dafür, dass wir als Team funktionieren und unsere Patientinnen und Patienten sich wohlfühlen.

Dr. Claudia Bellen, niedergelassene Zahnärztin

Für Bellen bedeutet Teamführung, dass im Arbeitsalltag auch die persönlichen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiterinnen eine wichtige Rolle spielen. Wenn im Winter die Stimmung tendenziell gedrückt sei, gelte das umso mehr: „Rücksichtsvoll und zugewandt miteinander umzugehen, ist mir in der Praxisleitung wichtig und diesen Umgang pflegen wir auch als Team. Wenn eine mal nicht so leistungsfähig ist, springen die anderen ein und umgekehrt.“

Zehn Tipps für gute Stimmung im Winter

Dem Winterblues kann man etwas entgegensetzen. Trainerin Dr. Susanne Woitzik schlägt diese Aktionen vor, um den Arbeitsalltag im dunklen Herbst und Winter für alle schöner zu gestalten:

  1. Erstellen Sie eine gemeinsame Playlist für die Praxis mit den Lieblings-Songs aller Mitarbeitenden.

  2. Eine kurze Morgenmeditation, bevor die Praxis geöffnet wird, stärkt alle für den Tag.

  3. Nehmen Sie sich regelmäßig, zum Beispiel in der Mittagspause, fünf Minuten Zeit für gemeinsame Bewegung. Gehen Sie dafür auch gerne an die frische Luft.

  4. Verstecken Sie kleine Geschenke fürs Team in der Praxis, zum Beispiel in Schubladen oder Schränken.

  5. Hängen Sie ein Stimmungsbarometer im Pausenraum auf, an dem alle Mitarbeitenden ihre jeweilige Tagesform eintragen können.

  6. Erzählen Sie sich gegenseitig Ihre besten Witze.

  7. Stellen Sie im Pausenraum eine Duftlampe mit Zitrus- oder Orangenöl auf – diese Düfte heben die Stimmung.

  8. Schaffen Sie eine Tageslichtlampe für die Praxis an, so dass allen eine Do-it-yourself-Lichttherapie zur Verfügung steht.

  9. Erzählen Sie sich gegenseitig, wobei Sie als Kind Zeit und Raum vergessen haben und nehmen Sie diese Tätigkeit bei Gelegenheit in Ihrer Freizeit wieder auf.

  10. Richten Sie im Pausenraum eine grüne Ecke mit winterharten Pflanzen ein – Zimmerpflanzen senken Stress und machen gute Laune.

Raum für Offenheit zu schaffen und Zeit in ein funktionierendes Miteinander zu investieren, reduziert aus Erfahrung der Praxischefin Reibungspunkte und Konflikte. „Dadurch wird das Arbeiten einfacher, produktiver ­– und am Ende auch schöner.“ Der Winterblues-Workshop habe ihrem Team und ihr vor diesem Hintergrund zwar keine völlig neuen Wege aufgezeigt. „Aber er hat das Grundprinzip unseres Selbstverständnisses als Team, nämlich einen Blick für den Anderen zu haben, noch einmal in den Vordergrund gerückt“, lautet das Fazit der Zahnärztin.

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