Fehlermanagement in der Praxis – Teil 2

Anschuldigungen sind der falsche Weg

Anke Handrock
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Maike Baumann
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Annika Łonak
Fehler kosten Zeit, Nerven und Geld. Deshalb versuchen wir, Fehler so weit wie möglich von uns zu weisen – oft indem wir einen Schuldigen suchen, den wir dann anprangern. Warum Sie genau das nicht tun sollten, erfahren Sie hier.

Wer kennt nicht den Spruch: „Wer nämlich mit h schreibt, ist dämlich.“ Vielleicht sind Sie ja mal von Ihren Eltern gefragt worden: „Warum hast Du denn schon wieder näHmlich geschrieben?“ Was soll man da antworten? – „Weil ich dämlich bin?“.

Fehler sind aufgrund genau solcher Erfahrungen oft mit Scham oder sogar Angst belastet. Kinder, die Fehler machen, werden zur Rede und teilweise auch bloßgestellt. Es ist ihnen peinlich, sie fühlen sich schuldig und ärgern sich. Das führt dazu, dass tatsächlich viele Menschen zeitlebens Angst vor Fehlern haben und dazu neigen, sie zu verschweigen oder zu vertuschen. Falls sie „erwischt“ werden, winden sie sich mit Ausreden und Erklärungsversuchen heraus.

Dabei macht es die Situation neurobiologisch nur noch schlimmer, wenn ich nach dem „Warum“ meines Fehlers gefragt werde. Denn dann denke ich den Fehler nochmal durch. Dabei vollziehe ich meine fehlerhafte Handlung innerlich ein weiteres Mal und begründe, weshalb ich ihn gemacht habe. Das führt im Gehirn dazu, dass die Wahrscheinlichkeit diesen Fehler zu wiederholen steigt.

Fehler, Versehen oder Missgeschick?

Wie kann man diese Schleife in der Praxis durchbrechen? Sie können je nach Kontext den Fehler alternativ als Missgeschick, Ungenauigkeit, Versehen, Unregelmäßigkeit oder auch als Abweichung bezeichnen. Die Tabelle zeigt, welcher Begriff in welcher Situation sinnvoll sein kann.

Zudem kann es das offene Fehlermanagement erleichtern, nur die eigenen Fehler als Fehler zu bezeichnen, die der Mitarbeitenden aber als Abweichungen, Ungenauigkeiten und Chance zur Optimierung zu benennen. Wenn Sie als Chefin oder Chef ihre eigenen Fehler als solche ausgeben, wird in der Praxis klar, dass Fehler normal sind und es einen konstruktiven Weg gibt, darüber zu reden.

Wie kann man nun konkret in der Praxis ansetzen, wenn mal wieder etwas schiefgelaufen ist? Eine neue Mitarbeiterin hat beispielsweise die Wurzelkanalinstrumente falsch in die Endo-Box einsortiert.

  • Das Thema wird neutral und ohne Vorwurf angesprochen: „Sandra, mir ist aufgefallen, dass die Wurzelkanalinstrumente in der Endo-Box anders einsortiert waren, als es bei uns üblich ist. Lass uns das bitte kurz anschauen."

  • Der Sachverhalt wird geklärt: „Es kann sein, dass ihr das in der anderen Praxis anders gemacht habt oder dass du diese Box so nicht kennst. Vielleicht gab es auch Unklarheiten bei der Sortierung.“ Dadurch erhält die Mitarbeiterin die Möglichkeit, ihre Sicht gesichtswahrend zu erklären. So werden Scham- und Schuldgefühle so weit wie möglich vermieden.

  • Das erwünschte Ziel wird benannt: „Damit wir möglichst effizient und sicher arbeiten können, ist die Sortierung der Instrumente für uns Behandler sehr wichtig. Was würde dir helfen, damit du unser System möglichst bald umsetzen kannst?“

  • Das Gespräch wird positiv und motivierend abgeschlossen: „Danke, dass wir das kurz besprochen haben! Falls du dir da mal unsicher bist, frag´ einfach Susi oder Simone, sie unterstützen dich gerne. Das hat bisher immer gut geklappt.“

Ärgerlich ist es natürlich, wenn ein Fehler wiederholt auftritt. Dann ist ein anderes kommunikatives Vorgehen sinnvoll. Eine Mitarbeiterin hat die Wurzelkanalinstrumente schon wieder falsch in die Endo-Box einsortiert, obwohl sie bereits mehrfach unter Beweis gestellt hat, dass sie die Aufgabe prinzipiell beherrscht.

  • Auch dieses Gespräch wird ruhig, sachlich und ohne Vorwurf geführt – und am besten anhand von drei eindeutigen Beispielen eingeleitet. Dabei wird betont, dass die generelle Fähigkeit der Mitarbeiterin wahrgenommen wurde. Indem man die Vorkommnisse anspricht, merkt die Mitarbeiterin jedoch, dass es die Chefin wirklich stört, sich nicht auf das erwünschte Ergebnis verlassen zu können: „Sandra, ich würde gerne kurz mit dir über die Sortierung der Wurzelkanalinstrumente sprechen. Mir ist aufgefallen, dass es dabei vorletzten Dienstag, letzten Mittwoch und heute zu Sortierfehlern gekommen ist. Ich weiß, dass du das grundsätzlich beherrschst, gleichzeitig schleichen sich manchmal Unstimmigkeiten ein. Lass uns bitte gemeinsam schauen, wie wir das optimieren können.“

  • Auch hier wird das erwünschte Ziel benannt: „Damit wir möglichst effizient und sicher arbeiten können, ist die Sortierung der Instrumente für uns Behandler sehr wichtig. Was würde dir helfen, damit du das wieder so gut hinbekommst wie in den letzten Monaten? Hat sich irgendetwas verändert in der letzten Zeit, können wir die Abläufe optimieren oder gibt es sonst etwas?“

  • Falls hier Vorschläge gemacht werden, die realistisch sind, sollte man sich bedanken. Oft haben Mitarbeitende gute Optimierungsideen.

  • Anschließend wird die Erwartung nochmals kommuniziert und mit einer Bitte verbunden: „Mir ist wichtig, dass die Instrumente wirklich jedes Mal richtig einsortiert sind, weil das direkte Auswirkungen auf unsere Arbeit am Patienten hat. Prinzipiell kannst du das ja auch, deshalb bitte ich dich, darauf in den nächsten Wochen verstärkt zu achten.“

  • Das Gespräch schließt sinnvollerweise positiv mit einer Ermutigung: „Ich schätze deine Arbeit sehr und weiß, dass es im Moment wirklich viel ist. Und mir liegt viel daran, dass du weißt, dass mir dieses Thema wichtig ist. Deshalb glaube ich, dass du das bald im Griff hast.“

Fazit

Wir empfehlen, solche Auswertungsgespräche mit einem positiven Feedback zu verknüpfen, besonders wenn Sie anschließend beobachten, dass die besprochenen Dinge danach gut laufen. Denn positives Feedback führt zu Motivation und verbessertem Lernen. Wichtig ist vor allem, dass Sie in jedem Fall dafür Sorge tragen, dass die betroffene Person die Erfahrung macht, dass die Besprechung eines Fehlers oder einer Abweichung nichts Bloßstellendes oder Beschämendes hat und nicht in einer harschen Kritik endet.

Fehlermanagement in der Praxis

  • Teil 1: Das Prinzip der psychologischen Sicherheit

  • Teil 2: Fehlerbesprechung mit einzelnen Mitarbeitern

  • Teil 3: Fehlerbesprechung mit dem Team

Je öfter eine Person die Erfahrung macht, dass es bei der Besprechung eines Fehlers vor allem darum geht, auf Dauer ein besseres Ergebnis zu erzielen, desto mehr steigt ihre Fähigkeit, Fehler selbst aktiv anzusprechen. Dadurch steigt das Optimierungspotenzial der Praxis und auf lange Sicht auch die Effizienz. Wenn mit den Mitarbeitenden einzeln die Unstimmigkeiten durchgesprochen werden, machen sie die Erfahrung, dass das eine positive Situation sein kann. Auf Dauer ist das Team dann in der Lage, die Fehler deutlich besser zu benennen.

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Dr. med. dent. Anke Handrock

Praxiscoach, Lehrtrainerin für Hypnose (DGZH), NLP, Positive Psychologie,
Coaching und Mediation,
Speakerin und Autorin
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Dipl.-Psych. Maike Baumann

Psychotherapeutin und Mediatorin, Coach, Autorin und Dozentin
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Annika Łonak

Fachärztin für Radiologie und Neuroradiologie, Oberärztin Universitätsspital Basel

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