Aus dem AudioJungle ans OP-Mikroskop
Nach der Einschulung habe er zunächst eine klassische Klavierausbildung genossen, sagt er und lacht. „Genießen muss man dabei aber in Anführungszeichen setzen.“ Heißt: „Das hat schon funktioniert. Aber es waren sehr viel Sitzfleisch und Muße nötig.“ Trotzdem kämpfte sich durch, bis er als 12-Jähriger endlich dem Impuls folgen konnte, „die eigene Kreativität laufen zu lassen".
Musikalisches Tagebuch zum Valentinstag
Rümenapps 12. Album „Le Journal Intime“ (Link zu Spotify) erschien am 14. Februar. In seiner zweiten Zusammenarbeit mit dem Filmorchester Babelsberg verarbeitet er persönliche Emotionen und Eindrücke aus der Natur. Dadurch, dass er beinahe jeden Tag am Klavier sitze und komponiere, Melodien weiterentwickelt oder verwirft, sei das Album auch eine Art Tagebuch. Der Bayerische Rundfunk (BR) kürte ihm anlässlich des Albums zum Künstler des Monats. BR Klassik sendet am 27. Februar ein ausführliches Interview mit ihm.
In der Schulzeit entstanden so erste Stücke, sein Weg schien spätestens bei der Studienplatzzusage für Klavier an der Musikhochschule Hannover vorgezeichnet. Doch stattdessen ging er dann nach Mannheim und studierte Popmusik mit Hauptfach Keyboard. Doch damit war schnell wieder Schluss.
Nach einem Jahr Pop ging es zur Zahnmedizin
„Mein Papa war Zahnarzt, uns hat es nie an etwas gefehlt“, fasst es Rümenapp knapp zusammen. Er wollte ein ähnliches Leben führen – "mit Familie, Kindern, vielleicht einem eigenen Haus“. Das sei als Musiker schwierig. Als er dann im Jahr drauf die Zusage für einen Studienplatz für Zahnmedizin im heimischen Göttingen erhielt, änderte er seine Lebenspläne. An mangelnden Unterstützung seiner Eltern habe das nicht gelegen. „Nein, die fanden das cool – haben aber natürlich auch gemerkt, dass ich in Mannheim nicht so richtig happy war.“
Zurück in der Heimat zeigte sich: Zahnmedizin als Job und Musik als Hobby passten gut zusammen. „Ich war auf einmal wieder viel kreativer, weil ich nicht mehr diesen Druck hatte, später einmal von der Musik leben können zu müssen.“ Rümenapp nutzte die Freiheit: Er produzierte in den Jahren seines Studiums knapp 2.500 Jingles – also kurze einprägsame Melodien mit einer Länge zwischen 30 und 120 Sekunden – lud sie auf Online-Plattformen wie AudioJungle für potenzielle Kunden hoch und finanzierte sich mit Lizenzierungen das Studium.
„Viele junge Leute mögen die Neoklassik“
Überschüssige Einnahmen investierte der Musiker auch in Equipment, experimentierte musikalisch viel und landete schließlich bei der Neoklassik. Einer der bekanntesten Vertreter des Genres ist der Italiener Ludovico Einaudi, dessen Musik Rümenapp durch den Soundtrack der französischen Erfolgskomödie „Ziemlich beste Freunde“ kennenlernte. Ihm gefällt daran, dass die Musik „allgemeintauglicher“ ist. Teilweise weniger komplex, transportiere sie oft sehr viel Emotionen. „Und viele junge Leute mögen die Neoklassik. Das finde ich total cool.“ Dadurch sei das Genre natürlich auch reichweitenstärker.
Über die Jahre hat sich Rümenapp bei verschiedenen Online-Plattformen eine treue Hörerschaft aufgebaut. 2024 wurden seine Songs mehrere Millionen Mal gestreamt. So ganz genau kann er es spontan nicht beziffern, aber sieben Millionen waren es im vergangenen Jahr allein bei Spotify, etwa zehn Millionen kommen bei Amazon Musik hinzu, das sei allerdings der Wert der vergangenen zwei Jahre. Und dann gebe es ja noch ein paar andere Plattformen. Ziel sei dabei jedoch immer, möglichst viele seiner Zuhörerinnen und Zuhörer zu erreichen und emotional zu berühren.
Seine Musik läuft nicht in der Praxis
Der 32-Jährige begreift die Musik trotz seines Erfolg als Leidenschaft, die Frage nach seiner Work-Work-Life-Balance lässt er nicht gelten. „Klar steckt viel Arbeit dahinter, aber es macht mir auch „einfach wahnsinnig viel Spaß!“
So wie die Zahnmedizin, die er in seinem Leben nicht missen möchte. Er hat sich auf Endo-Behandlungen spezialisiert, macht etwa zwei bis drei solche längeren Sitzungen pro Tag. Er schätze das ruhige Arbeiten, sich viel Zeit nehmen und voll auf die Patienten einlassen zu können – und „die aufrechte Haltung, wenn man am Mikroskop sitzt“.
Obwohl sie für ruhiges Arbeiten ideal ist, läuft seine eigene Musik übrigens nicht mehr in der Praxis. Team und Patienten habe das zwar durchaus gefallen, berichtet er – ihm aber zuweilen Konzentrationsprobleme beschert. Und zwar immer dann, wenn er sich beim Hören zu fragen begann, ob eine Songpassage vielleicht doch nicht noch einer Überarbeitung bedarf.
Heute spielt seine Musik beim Alltag in der Praxis keine Rolle mehr. „Und wenn ich dann Feierabend habe, brauche oft ich erst ein bisschen Abstand und gehe eine Runde joggen. So direkt ans Klavier klappt meistens nicht so gut.“
Nach der Sporteinheit spiele er dann befreit einfach drauf los, manchmal auch bis nach Mitternacht. Dabei kommen dann oft Melodien raus, von denen er meist eine schnelle Aufnahme mit dem Handy macht. Tage später werden diese dann entweder verworfen oder solange weiterentwickelt. "Bis etwas rauskommt, von dem ich denke: das klingt aber schön. Dann übe ich das Stück, bis es perfekt ist – und nehme es auf.“
Manchmal komponiert er auch im Campingstuhl
Weil ihm beim Schaffensprozess auch manchmal Tapetenwechsel und die Ruhe im Urlaub zugutekommen, hat Rümenapp auf „Bullitrips“ mit seiner Frau immer auch Keyboard und Computer dabei. Da kann es schon passieren, dass ihm in Norwegen eine Streichersequenz zu einer Melodie einfällt, die schon ein oder zwei Jahre auf seiner Festplatte schlummerte. Und so kam es, dass die mit Blick über einen Fjord am Keyboard eingespielten Streicher später vom Filmorchester Babelsberg zum Leben erweckt werden.
„Filmmusik ist etwas, was ich immer geliebt habe und wo ich mich weiter aufstellen möchte“, sagt er. „Die am Rechner mit Instrumenten-Plugins komponierte Musik dann mit einem echten Orchester einzuspielen, war mein absoluter Traum!“ Auch die musikalische Zusammenarbeit mit Arrangeur, Dirigent und den zig Dutzend Musikern begeisterte ihn so sehr, dass er für sein jüngst erschienenes Album ein zweites Mal mit dem Orchester zusammenarbeitete.
Anders als im Heimstudio herrsche dabei aber ein straffer Zeitplan. Erst wenn alles perfekt vorbereitet ist, buche man eine oder zwei Sessions mit den Profis. „Dann startet die Aufnahme um 9:30 Uhr und acht Stunden später fällt der Hammer. Bis dahin muss alles sitzen und die Platte komplett eingespielt sein.“
Abgesehen von der dichten, konzentrierten Arbeit im Orchesterstudio sei die Musik aber kein Sprint, sondern eher ein Marathon. „Man braucht einen ganz langen Atem, um in dieser Industrie Fuß zu fassen.“
Nach Studium, Assistenzzeit und Zertifizierung durch die Deutsche Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET) übernahm er 2022 die Praxis seines Vaters Gerhard Rümenapp, der ihn noch stundenweise unterstützt. Außerdem helfen zwei angestellte Zahnärztinnen und ein Zahnarzt, die drei Behandlungszimmer von morgens bis abends auszulasten. Und später am Abend geht's dann wieder ans Klavier.