Offener Brief an die Bundesregierung

Bündnis fordert Werbeschranken für ungesunde Nahrungsmittel

mg
TV-Starkoch Jamie Oliver appelliert mit einem Bündnis von 40 Organisationen an die Bundesregierung, auch in Deutschland Kinder vor Werbung für Lebensmittel mit viel Zucker, Fett oder Salz zu schützen.

Werbung beeinflusse „nachweislich die Präferenzen und das Essverhalten” junger Menschen, heißt es in einem offenen Brief an die Parteivorsitzenden von SPD, Grünen und FDP, den zahlreiche medizinische Fachgesellschaften, Forschungseinrichtungen, Elternverbände, Verbraucherschutz- und Kinderrechtsorganisationen sowie Krankenkassen und Ernährungsorganisationen unterzeichnet haben. Werbebeschränkungen seien ein „wichtiger Schritt, um Familien dabei zu unterstützen, Kindern eine gesunde Ernährungsweise beizubringen”, schreibt das Bündnis, zu dem auch die Bundeszahnärztekammer gehört.

„Tag für Tag bombardiert die Lebensmittelindustrie unsere Kinder mit Werbung für Zuckerbomben und fettige Snacks – sie schaltet TV-Spots während Fußballspielen, Casting-Shows und Kindersendungen und engagiert beliebte Influencer:innen. Um Kinder und Jugendliche vor den perfiden Marketing-Tricks zu schützen, haben wir in Großbritannien ein weitreichendes Gesetz erkämpft. Wenn Deutschland einen ähnlichen Weg beschreitet – oder sogar noch weiter geht, um Kinder angemessen zu schützen, wäre das ein Meilenstein. Werbebeschränkungen sind ein zentraler Baustein zum Schutz der Kindergesundheit”, sagt Jamie Oliver.

Groẞbritannien macht vor, wie es geht

In Großbritannien soll ab 2024 eine umfassende Werbebeschränkung in Kraft treten. Im Internet soll Werbung für Ungesundes komplett untersagt und im TV ausschließlich nachts ausgestrahlt werden dürfen. Jamie Oliver hatte sich gemeinsam mit Ärzteverbänden und Elternorganisationen jahrelang für ein solches Gesetz stark gemacht – mit Erfolg.

Auch die Ampel-Parteien in Deutschland hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, gegen Junkfood-Werbung vorzugehen, schreibt die Nichtregierungsorganisation Foodwatch. Das Bundesernährungsministerium dürfte schon in Kürze einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen. Das breite zivilgesellschaftliche Bündnis pocht darum auf eine „umfassende Regelung”. Eine „Werbebeschränkung light”, die lediglich klassische Kindersendungen adressiert, würde „ihr Ziel verfehlen”. Das Gesetz müsse Junkfood-Werbung in TV, Radio und Streamingdiensten tagsüber von 6 bis 23 Uhr untersagen. Außerdem sollten InfluencerInnen ausschließlich Werbung für gesunde Lebensmittel machen dürfen. Und für Plakatwerbung schlägt das Bündnis eine 100-Meter-Bannmeile im Umkreis von Kitas, Schulen und Spielplätzen vor. Als Grundlage, welche Lebensmittel als ungesund gelten, sollten dabei die Nährwert-Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dienen.

„Bundesregierung darf keine halben Sachen machen”

„Die Zeit der wirkungslosen freiwilligen Selbstverpflichtungen der Lebensmittelindustrie ist vorbei und das ist richtig so. Die Bundesregierung darf nun keine halben Sachen machen. Nur ein umfassendes Gesetz wird Kinder vor Junkfood-Werbung schützen. Die Regeln dürfen nicht nur reine Kinderformate, sondern müssen auch Familiensendungen umfassen, denn junge Menschen gucken nicht nur Zeichentrickfilme, sondern auch Fußballspiele und Casting-Shows”, erklärt Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK).

„Kinder müssen umfassend vor Werbung für ungesunde Lebensmittel geschützt werden. 93 Prozent der Eltern und Großeltern haben sich schon im Jahr 2020 für Zucker-, Fett- und Salz-Höchstgrenzen bei Lebensmitteln mit Kinderoptik ausgesprochen. Die Ampel muss diesem Wunsch nachkommen und endlich ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen”, sagt vzbv-Vorständin Ramona Pop.

Werbeausgaben der SÜẞwarenindustrie 2021 so hoch wie noch nie

Laut einer Studie der Universität Hamburg sieht jedes Kind zwischen drei und 13 Jahren pro Tag im Schnitt 15 Werbespots für ungesunde Lebensmittel. 92 Prozent der gesamten Werbung, die Kinder wahrnehmen, vermarktet Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten. Allein die Süßwarenindustrie hat 2021 über eine Milliarde Euro für Werbung ausgegeben – so viel wie in keinem anderen Jahr zuvor. 

Kinder essen etwa doppelt so viel Süßigkeiten, aber nur halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen. Aktuell sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht und sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht (Adipositas) betroffen, berichtet das Bündnis. Ihnen drohen im späteren Leben Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Jeder siebte Todesfall in Deutschland ist laut Daten der OECD auf ungesunde Ernährung zurückzuführen. 

Den offenen Brief an die Ampel-Koalition unterzeichneten:

  • AOK Bundesverband

  • Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ)

  • Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege (BEVKI)

  • Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd)

  • Bundeszahnärztekammer (BZÄK)

  • Bundeselternrat (BER)

  • Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG)

  • Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) 

  • Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)

  • Deutsche Diabetes Stiftung (DDS)

  • Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM)

  • Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK)

  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)

  • Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP)

  • Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP)

  • Deutsche Herzstiftung

  • Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ)

  • Deutsches Kinderhilfswerk (DKHW)

  • Deutsches Netzwerk Schulverpflegung (DNSV)

  • diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe

  • FIAN Deutschland

  • foodwatch Deutschland

  • Gütegemeinschaft Ernährungs-Kompetenz (GEK)

  • Institut für Urban Public Health, Universitätsklinikum Essen

  • Institut für Welternährung 

  • Jamie Oliver

  • Kompetenznetz Adipositas

  • Physicians Association for Nutrition (PAN)

  • Slow Food Deutschland

  • Stiftung Bildung

  • Sarah Wiener Stiftung

  • Stiftung Deutsche Krebshilfe

  • Stiftung Kindergesundheit

  • Techniker Krankenkasse

  • Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD)

  • Verband der Diätassistenten (VDD)

  • Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)

  • WWF Deutschland

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.