Die gesundheitliche Ungleichheit steigt
Bereits eine Vielzahl gesundheitswissenschaftlicher und sozialepidemiologischer Studien habe belegen können, dass ein enger Zusammenhang zwischen der sozialen und der gesundheitlichen Situation von Menschen besteht, so der Bericht. Die Ergebnisse zeigten mit großer Übereinstimmung, dass Menschen, die in sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen aufwachsen, arbeiten, wohnen und alt werden, verminderte Gesundheitschancen und erhöhte Risiken für chronische und psychische Erkrankungen sowie vorzeitiges Versterben aufweisen.
Der Sozialbericht (vormals Datenreport) wird von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Kooperation mit dem Statistischen Bundesamt (Destatis), dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) herausgegeben.
Der Sozialbericht ist hier in digitaler Form verfügbar und kann bei der bpb gegen eine Schutzgebühr von 4,50 Euro als Druckausgabe bestellt werden.
Diese gesundheitliche Benachteiligung von Personen aus sozial schlechtergestellten Bevölkerungsgruppen ist nicht erst ab einem bestimmten Schwellenwert zu beobachten, etwa dem für materielle Entbehrung. Vielmehr folgen sie dem Muster eines fein abgestuften sozialen Gradienten, führt der Bericht aus: Je niedriger die sozioökonomische Position, desto geringer sind in der Regel auch die Gesundheitschancen und umso höher fallen die Krankheits- und Sterberisiken aus.
Arme sind körperlich und psychisch kränker und leben kürzer
Weitere Ergebnisse: Menschen in niedrigen Einkommensgruppen sich häufiger von chronischen Erkrankungen wie der koronaren Herzkrankheit, Diabetes mellitus, chronisch obstruktiver Lungenkrankheit (COPD), Arthrose und Depression betroffen. Abhängig von der jeweiligen Erkrankung zeigt sich das Risiko hier bei sozial schwächeren Personen um das 1,5 bis 4-fache höher als bei Personen im höchsten Einkommensquintil. Die Auswirkungen davon reichen bis hin zur Lebensdauer: Bei Frauen aus der niedrigsten Einkommensgruppe zeigt sich diese um durchschnittlich um 4,4 Jahre verkürzt, bei Männern sogar um 8,6 Jahre.
Schon im Kindes- und Jugendalter könne dies festgestellt werden: Bei Untersuchungen von 3- bis 17-Jährigen auf ihre psychische Gesundheit sowie Adipositas wurde laut Bericht deutlich, dass das Risiko für einen weniger guten psychischen Gesundheitszustand bei Kindern und Jugendlichen von Eltern mit niedrigen Bildungsabschlüssen fast dreimal höher sind als bei denjenigen von Eltern mit hohen Bildungsabschlüssen. Bei Adipositas, oft einhergehend mit weiteren Begleiterkrankungen, war die Wahrscheinlichkeit für Kinder und Jugendliche aus Elternhäusern mit geringem Bildungsabschluss um das 3,6-fache erhöht.
Eine schlechte Gesundheit kann sozialen Aufstieg verhindern
Die Ursachen für die schlechteren Gesundheitschancen in strukturellen Faktoren wie den Arbeits- und Wohnbedingungen, psychosozialen Faktoren mit chronischem Stress und Zukunftssorgen sowie verhaltensbezogenen Faktoren, vermuten die Autoren des Berichts. Nicht zuletzt könnten Krankheiten beziehungsweise gesundheitliche Beeinträchtigungen auch soziale Aufstiege behindern und Abstiege begünstigen, warnen sie. „Entsprechend breit angelegt und vielschichtig müssen Anstrengungen sein, die auf eine Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheit und Verbesserung gesundheitlicher Chancengerechtigkeit hinwirken.“
Diese Probleme könne die Gesundheitspolitik nicht allein lösen. Es müsse dafür bereichsübergreifend gearbeitet werden, mahnen die Autoren – zusammen mit Experten und Akteuren aus Wissenschaft, Praxis und Zivilgesellschaft. Zudem müssten unbedingt auch Menschen aus sozial benachteiligten Gruppen miteinbezogen werden.