Diskussion zur Zukunft der Kranken- und Pflegeversicherung

„Die Kassen sind leer, das System ist in Gefahr!“

pr
Politik
Angesichts der prekären Finanzsituation in der GKV braucht es einen Kurswechsel und strukturelle Reformen im Gesundheitswesen. Darüber waren sich Politiker und Experten in der Diskussionsrunde GKV Live einig.

„Die Versorgung ist in Gefahr, es braucht grundlegende Reformen im Gesundheitswesen“, mahnte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer, auf der Diskussionsveranstaltung „GKV Live: Kassen leer, System in Gefahr“ am 3. Dezember in Berlin. Die Veranstaltung warf die Frage auf, ob das Vertrauen der Versicherten in die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die Soziale Pflegeversicherung (SPV) gefährdet sei.

Pfeiffer wies darauf hin, dass die finanzielle Belastbarkeit der GKV an ihre Grenzen gestoßen sei und die Beitragssatzstabilität wanke. Trotz der gerade verabschiedeten Krankenhausreform fehlten große strukturelle Reformen im System. Eine klare Lastenverteilung sei wichtig, Beitragszahlende dürften keine zusätzlichen Lasten übernehmen, für die eigentlich der Bund und die Länder aufkommen müssten. Neben der Reform der Notfallversorgung und der Pflegereform, die nach dem Ampel-Aus nun nicht mehr stattfänden, sei auch eine Steuerung in der ambulanten Versorgung notwendig. Wichtige Reformen seien liegen geblieben, das sei sehr ärgerlich, so Pfeiffer.

Mangelt es schlicht an belastbaren Szenarienrechnungen?

Einen Impuls aus wissenschaftlicher Sicht brachte der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Wolfgang Greiner, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, ein. Greiner skizzierte, dass es keinen Mangel an Vorschlägen zur Stabilisierung der GKV- und SPV-Finanzen gebe, jedoch wenige belastbare Szenarienrechnungen. Die Reformen der laufenden Legislaturperiode hätten wenig zur finanziellen Stabilität beigetragen. Dafür seien so gut wie alle Reserven verbraucht und die Beitragssätze lägen auf Rekordniveau. Die Rückkehr zu Budgets und Selbstbeteiligungen seien auf Dauer kaum vermeidbar.

Auf dem Podium diskutierten Christos Pantazis, Mitglied des Deutschen Bundestags (MdB) und stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Tino Sorge, MdB, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Janosch Dahmen, MdB, gesundheitspolitischer Sprecher der  Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Prof. Dr. Andrew Ullmann, MdB, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes Dr. Doris Pfeiffer, moderiert von Kaja Klapsa, Politik-Redakteurin der WELT.

„Nachjustierungen der Krankenhausreform sind notwendig“

Zum Schwerpunkt Krankenhausreform zeigten sich die Diskutanten zufrieden, dass die Reform überhaupt auf den Weg gebracht worden sei. Jedoch seien Nachjustierungen notwendig. Vor allem die Finanzierung des Transformationsfonds (zum Teil aus Versichertengeldern im Gesundheitsfonds) sei problematisch – auch aus verfassungsrechtlicher Sicht, betonte Pfeiffer.

Tino Sorge sah diese als gesamtgesellschaftliche Aufgabe an, die auch über Steuern finanziert werden müsse. Er monierte eine fehlende Auswirkungsanalyse der Reform. Pantazis verwies auf die drei Rechtsverordnungen, die noch erlassen werden müssten, um die Reform auf den Weg zu bringen. Avisiert sei, dass zumindest die Verordnung zum Transformationsfonds noch in einer der letzten Sitzungswochen im Bundestag verabschiedet werden solle. „Wir können uns kein Scheitern leisten“, warnte er.

„Anspruchshaltung der Bevölkerung ist nicht mehr haltbar“

Ein weiterer Themenblock der Diskussion: die Pflegeversicherung: „Wir brauchen zeitnahe Lösungen, sonst haben wir hier ein Riesenproblem“, sagte Pfeiffer. Die Hoffnung, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hier liefere, habe sich jetzt zerschlagen, konstatierte Ullmann. Und Dahmen mahnte, dass eine kurzfristige Zahlungsfähigkeit gewährleistet werden müsse.

Wichtig war den Diskutierenden auch das Thema Patientensteuerung. Ullmann verwies auf den Demografiefaktor und brachte überbordende Leistungen, Eigenverantwortung von Patienten und eine Selbstbeteiligung bei Behandlungen mit Anreizsystemen ins Gespräch. Was auch Sorge unterstrich: Auch den Versicherten müssten Obliegenheiten aufgegeben werden, denkbar seien etwa Anreizmodelle oder Primärarztmodelle. Und: Ärzte und Pflegende müssten entlastet werde, damit sie mehr Zeit für den Patienten haben. Auch Pantazis hielt Anreizmodelle für sinnvoll, die jetzige Anspruchshaltung der Bevölkerung bei der Inanspruchnahme von Leistungen sei nicht haltbar.

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