„Eine Worthülse und völlig absurd“
Es sei wichtig, dass die Politik sich darüber im Klaren sei, wie sie die knappen Ressourcen im Gesundheitswesen zielgerichteter beziehungsweise bedarfsorientiert einsetzt. Aktuelle Forderungen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nach einer Termingarantie seien da alles andere als hilfreich, erklärte Gassen auf einer Pressekonferenz der KBV im Vorfeld der Bundestagswahl. Das sei eine reine „Worthülse“ und völlig absurd. Es könne nicht sein, dass Externe über die Termine freiberuflicher Praxen verfügen.
Was sich die KBV hingegen vorstellen könne, sei, dass die Krankenkassen eine bestimmte Anzahl an Terminen für ihre Versicherten buchen könnten, so Gassen weiter. Dabei müsse aber klar sein, dass diese Termine mit der Buchung auch bezahlt würden – „ob der Patient kommt oder nicht“, sagte Gassen. Er wies darauf hin, dass teilweise bis zu 25 Prozent der vereinbarten Termine nicht wahrgenommen würden.
Lauterbach: Heute warten GKV-Patienten zum Teil Monate
Gassen ging damit auf Aussagen von Lauterbach ein, der eine rasche Termingarantie für Kassenpatienten gefordert hatte. Der Minister hatte im Talk-Format „BILD-Wahllokal“ von einer Blitz-Termingarantie für gesetzlich Versicherte beim Facharzt gesprochen. Wartezeiten von ein, zwei Wochen seien bei dringlichen Terminen akzeptabel, mehr aber nicht, so der Minister. Stattdessen müssten Millionen gesetzlich Versicherte heute Wochen und Monate auf einen Facharzttermin warten.
Scharfe Kritik daran hatte auch der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (SpiFa) geübt und die im Bundestagswahlprogramm der SPD aufgeführte Termingarantie als „maximale Gängelung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland“ bezeichnet.
Gassen: Stil- und Politikwechsel im BMG nötig
Auf der Pressekonferenz forderte der KBV-Vorstand auch eine Neuausrichtung der Gesundheitspolitik. Nötig sei ein Stil- und Politikwechsel im Bundesgesundheitsministerium, sagte Gassen. Zu den vordringlichsten Problemen, die gelöst werden müssten, gehörten die Sicherstellung der Finanzierungsgrundlage, der Bürokratieabbau sowie eine zielgerichtete Steuerung bei der Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen. Darüber hinaus müsse die Politik Mittel gegen den Fachkräftemangel finden.
Die wohnortnahe Versorgung mit Ärzten und Psychotherapeuten hierzulande sei aber alles andere als eine Selbstverständlichkeit, sagte der KBV-Chef mit Blick auf die in der kommenden Woche beginnende neue Phase der KBV-Kampagne „Wir sind für Sie nah“. Deutschland müsse weiter „Praxenland“ bleiben.
Und KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner forderte: „Wir brauchen im Bereich der Digitalisierung dringend ein Praxiszukunftsgesetz, analog der staatlichen Förderung im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes.“ Nötig sei Unterstützung durch die Politik, indem Sanktionen abgeschafft und stattdessen Anreize gesetzt würden, beispielsweise für Praxen, die sich innovativ zeigten und neue Entwicklungen in ihre Arbeit integrierten.