Familie und Teilzeit sind Karrierekiller

mg/pm
Gesellschaft
Frauen glauben nicht an ihre faire Chance im Arztberuf. Das zeigen die Ergebnisse einer Umfrage des Hartmannbundes unter 20.000 Medizinstudentinnen und jungen Ärztinnen.

Hartmannbund-Vorsitzender Dr. Klaus Reinhardt sieht vor allem die Arbeitgeber gefordert und plädiert für eine Abkehr von altem Rollendenken. Denn immerhin glaubt laut Umfrage fast jede zweite der mehr als 2.700 Umfrageteilnehmerinnen, für die Karriere auf Kinder und Familie verzichten zu müssen.

Obwohl rund 50 Prozent der Befragten eine Position als Oberärztin oder Chefärztin anstreben, sind gleichzeitig zwei Drittel von ihnen davon überzeugt, dass sie nicht die gleichen Chancen auf eine erfolgreiche Karriere haben wie ihre männlichen Kollegen. Nur 13 Prozent sehen das anders, der Rest der Befragten ist sich unsicher.

Nicht einmal jeder zehnte Arbeitgeber hat das Problem erkannt

Der Blick auf Details der Umfrageergebnisse offenbart entscheidende Kernprobleme: Nur knapp ein Drittel glauben, dass sie ihre Karriereziele auch während beziehungsweise nach einer Teilzeittätigkeit erreichen können und nur 6 Prozent bescheinigen ihrem Arbeitgeber beziehungsweise ihrer Ausbildungsstätte, die Bedeutung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben bereits in ausreichendem Maß erkannt zu haben, weitere 41 Prozent erkennen immerhin Bemühungen in dieser Hinsicht.

Männliche Alphatiere haben sich breitgemacht

Als Top 3-Gründe, warum es zu diesem Thema bei den Arbeitgebern und Ausbildungsstätten Nachholbedarf gibt, nennen die Befragten "starre und familienunfreundliche Arbeitsbedingungen" (70 Prozent), "fehlende Bereitschaft zur Veränderung eingespielter Strukturen" (68 Prozent) und "Hierarchiestrukturen", die überwiegend von männlichen leitenden Oberärzten und Chefärzten geprägt sind (59 Prozent).

Flexiblere Arbeitszeitmodelle fehlen

Im Gegenzug nach den Angeboten gefragt, welche "notwendige Voraussetzungen für eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und hier im Besonderen zur Unterstützung der Karriere von Ärztinnen" schaffen, nennen die Befragten am häufigsten "flexible Arbeitszeitmodelle" (89 Prozent), "arbeitszeitkompatible Kinderbetreuungsangebote" (86 Prozent) und "Wiedereinstiegsprogramme nach der Elternzeit" (63 Prozent).

Die Dimension der Herausforderung, die sich hinter diesen Defiziten verbirgt, verdeutlichen zwei weitere Zahlen: Rund 90 Prozent der jungen Frauen können sich grundsätzlich vorstellen, ihre ärztliche Tätigkeit - zumindest phasenweise - in Teilzeit auszuüben. Nur rund ein Drittel von ihnen allerdings glaubt, dass dies kein Karrierehindernis darstellt; neun von zehn Befragten bewerten das Thema Teilzeitbeschäftigung noch immer als eine besondere Herausforderung für Frauen.

Hartmannbund fordert Rollenumdenken bei Männern

Reinhardt sieht deshalb nicht nur Arbeitgeber und Politik gefordert. „Um Frauen wirklich gleiche Karrierechancen innerhalb der ärztlichen Laufbahn zu gewährleisten, braucht es auch ein anderes Rollendenken in der Partnerschaft und mehr Akzeptanz für Männer, die sich für Vaterschaftsurlaub und Teilzeit entscheiden“, sagt er.

Dafür sprächen auch zahlreiche qualitative Kommentare, die den Hartmannbund im Rahmen der Umfrage erreichten. „Wir brauchen Frauen, die durchsetzen, dass ihre Partner mindestens ebenso viel Familienarbeit leisten“, brachte es eine Teilnehmerin auf den Punkt.

An der im Mai 2014 durchgeführten Umfrage des Hartmannbunds beteiligten sich 2.772 Frauen, darunter 21 Prozent Ärztinnen und 79 Prozent Studentinnen.

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