Übernehmerin Iris Schmitz-Teeuwen

„Ich wollte es vor meinem 50. Geburtstag tun“

LL
Praxis
Iris Schmitz-Teeuwen war in ihrer Anstellung lange zufrieden, deshalb blieb sie in der Praxis. Sie arbeitet dort noch heute, allerdings seit einem Jahr als Chefin. Wie fühlt sich so ein Rollenwechsel im selben Laden an?

Sie sind im vergangenen Jahr Praxischefin geworden und kurz darauf 50. Wie kam es zu dem eher späten Schritt in die Selbstständigkeit?

Iris Schmitz-Teeuwen: Ich bin wohl Spätzünderin, aber so spielt das Leben eben manchmal. Nach meiner Assistenzzeit bin ich in die Anstellung gegangen und war lange zufrieden damit. Privat habe ich einen schweren Schicksalsschlag tragen müssen und erlebte dann ein spätes Mutterglück. Berufliche Selbstverwirklichung trat da erstmal in den Hintergrund. Dass ich die Praxis, in der ich seit 2003 angestellt bin, übernehmen konnte, war also glücklicher Zufall. Aber ich habe insofern mein Ziel erreicht, als dass ich es noch knapp vor meinem 50. Geburtstag tun wollte (lacht). Das Risiko war in dem Fall geringer, sonst hätte ich es vielleicht auch nicht gewagt. Wir sind hier in einer kleinen Stadt, man kennt sich, unsere Verbindung zu den Patienten ist stark. Viele habe ich über die Jahre aufwachsen gesehen. Es ist sehr schön, dass ich sie weiterhin betreuen kann und auch meine Mannschaft dabei gut kenne. Das elfköpfige Team habe ich übernommen. Wir arbeiten in zwei Tagesschichten und in vier Behandlungszimmern. Die Praxis ist insgesamt 185 Quadratmeter groß.

Ihnen ist viel erspart geblieben – die Suche, das Kennenlernen, personelle Fragen und große Renovierungen. Welche Herausforderungen hatten Sie?

Da mich alle kannten, eben auch in der Rolle neben dem Chef, war es nicht direkt bei jedem einfach, den Switch klarzumachen. Manche brauchten für die Umgewöhnung Zeit. Ich musste auch geduldig mit mir selbst sein und wachse auch immer noch in die Chefrolle rein. Es gab ja keinen harten Cut, sondern einen sanften Übergang. Wir haben die Praxis zwar kurzzeitig geschlossen, die Wände neu gestrichen und den Fußboden erneuert, aber viel größer war die Umstellung für mich, in derselben Praxis, in der ich seit über 20 Jahren arbeite, auf einmal tatsächlich das Zepter in die Hand zu nehmen. Mir kam in dieser Zeit immer wieder der Gedanke: Was will ich wirklich? Ach ja, und die Bürokratie rund um die Übernahme war schon ziemlich herausfordernd. Zum Beispiel, das alte Röntgengerät ab- und das neue anzumelden.

Was hat sich konkret verändert mit der neuen Rolle als Chefin?

Ich spüre als Führung deutlicher die Charaktere im Team, da ich jetzt auf einer ganz anderen Ebene mit ihnen unterwegs bin. Die Mitarbeiter kommen inzwischen zu mir zur Klärung von Dingen. Ich muss dann mit viel Fingerspitzengefühl versuchen, jedem irgendwie gerecht zu werden. Um ehrlich zu sein, habe ich das unterschätzt. Ich muss eben in die Aufgaben und in die Verantwortung noch ein bisschen hineinwachsen, dabei lernen, mich durchzusetzen. Vieles habe ich mir einfacher vorgestellt. Es heißt ja, wenn Kinder etwas von Fremden hören, dann hören sie besser als auf ihre Mutter. So ungefähr kann man sich das hier auch vorstellen.

Auf der anderen Seite ist es toll, selbst gestalten zu können. Der Rollenwechsel läuft nicht von einem Tag auf den anderen. Ich bin daher sehr froh, dass ich mit meinem Kollegen, dem ehemaligen Praxischef, nach wie vor über alles sprechen kann. Themen sind oft Team-Situationen, mögliche Missverständnisse in der Kommunikation und die Führung. Ich bin froh über seine „männliche“ Einschätzung, da ich immer noch das Gefühl habe, es als Frau schwerer in der Führungsrolle zu haben. Er steht mir weiterhin 100 Prozent zur Seite und ich kann ihn bitten, auch noch einmal mit Mitarbeitern ins Gespräch zu gehen, wenn ich nicht erfolgreich war. Wir sind und waren immer auf Augenhöhe.

Das heißt, die Übergabe hat gut geklappt?

Ja, das war tatsächlich so. Vor allem, weil mein Kollege und Ex-Chef ja abgeben wollte. Gleichzeitig arbeitet er noch hier in der Praxis. Wir sind ein Doppelgespann geblieben, nur mit der Veränderung, dass sich die Verantwortung auf mich verschoben hat. Wir teilen uns die Tage in Früh- und Spätschichten auf. Urlaubsvertretung ist gegeben, so dass ich mein Familienleben auch organisieren kann. Er ist der ruhige Part, wohingegen ich es mag, wenn viel los ist und es Herausforderungen gibt. Erfreulich ist auch, dass es keine Fluktuation im Team gab. Die Verhandlungen waren jedoch durchaus hart. Bei Geld hört die Freundschaft auf, sage ich mal mit einem Augenzwinkern. Jeder möchte selbstverständlich das Beste für sich herausholen.

Was haben Sie in der Praxis verändert?

Wir haben zuvor analog geröntgt, jetzt sind wir auf digital umgestiegen. Ich habe die Website einem Update unterzogen und ein neues Terminbuchungssystem eingeführt. Die Hälfte des Teams war dafür, die andere dagegen nach dem Motto „Das haben wir doch aber immer schon so gemacht“. Aber ich habe es durchgesetzt. Eine Mitarbeiterin hat die Umsetzung federführend übernommen. Sie hat dafür eine Affinität und ihre Hilfe angeboten. Die habe ich zugelassen und einfach delegiert. Hat wirklich gut geklappt!

Was würden Sie Übernehmern raten?

Es ist nicht zu spät, wenn die Umstände passen! Eine Übernahme bietet sich an. Das fertige Objekt muss man dann nur verbessern. Neu gegründet hätte ich mit 50 nicht mehr. Man sollte sich ruhig trauen, wenn man Lust hat. Toll ist, wenn – wie bei mir – das Umfeld mitzieht und den Wunsch der Selbstständigkeit bestätigt und motiviert, nach vorne zu blicken. Ich kann auch nur jedem ans Herz legen, sich Unterstützung zu holen – etwa mit einer guten Rechts- sowie Steuerberatung. Im Team ist dann Delegieren angesagt. Man muss sich nicht alleine durch alles hindurch kämpfen, sondern kann das den Profis überlassen und sich mit freiem Kopf den Patienten zuwenden.

Das Gespräch führte Laura Langer.

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